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Venedig, lös dich los von meinem Traumeswogen! Ich bin wie Flut, die in Kanälenschlangen dunkelt: Du milchige Lagune hast mich angezogen, Und nun erscheinst du lichtlebendig überfunkelt! Ihr meiner Seele wildverschlungnen Wehmutsschlangen, Was taucht nun auf, was zaubert jetzt vor meinen Sinnen? Venezia schweigt in ihrem freien Sonnenfrieden, Am Strande scheint die Flut sich vor der Stadt zu neigen Ich sehe Wogen hinter Wogen schweigsam rollen Senkt eine Brise sich nach Freiersart hernieder Sobald jedoch die Wellen wiederum verschwinden, Ihr weißen Träume, Schwäne auf den Perlenwogen, O seht, dort schwimmen schwarze Schwäne um Paläste Wohl scheint das Meer sich jetzt mit Gondeln zu bedecken, Ob jetzt ein Traum sich seine Wirklichkeit bereitet? Wird unsre Welt die eigne Traumlichkeit genießen? Ich fahre noch in meinem Sehnsuchtskahn hinüber, Sie blickt auf manchen Schweif von klaren Edelsteinen, So lasse das, mein Weib, es mag dir nichts bedeuten! Ich komm zu dir, dann wird die Gondel tiefer sinken, |
Die Nacht ist eine Mohrin, eine Heidin! Sie nähert sich soeben ruhevoll Venedig, Und dort bereitet man sich laut zu einem Feste, Um hohe Gäste hold und huldvoll zu empfangen. Am Himmel seh ich winzge Purpurwölkchen prangen, Schon hat der Wind sie wie Lampions gekräuselt und gezapft, Und eben zucken auch die ersten Sternlein auf: Da ists, als wollten sie den Wölkchen sanft sich nähern, Um sacht das Licht der bunten Lämpchen zu entzünden. Die Nacht ist eine Mohrin, eine Heidin! Nun tritt sie stolz, mit silberheller Mondessichel, Im Abendlande durch Venedigs Pforten ein. Wie würdevoll sie unterm Sternenbaldachine, Der höher als der edle Schmuck der Mondessichel schwebt, Nun übers Meer, mit wollustfreudger, gütger Miene, Sich immer weiter hebt und unser Ruheglück belebt! Hoch übersprühen ihre Schleierhüllen Prachtsmaragde Und ihren untern Saum und die Sandalen Blutrubine: Vier schöne Königssöhne tragen ihren Baldachin: 353 Zwei Bleichgesichter ziehen still in weißem Seidenkleid voran. Das Wams ist goldbetreßt. Sie tragen einen viola Mantel Und müssen stets, wenn sie das Abendland beschreiten, Aus Anstand, einen Schurz um ihre Lenden breiten. Doch hinter ihrer Königin erscheinen holde Mohren Und tragen ihr der Herrschaft herrliche Insignien nach, Das Zepter gar ist wunderbar, besetzt mit vier Planeten! Von vorne sind sie schwarz und nackt, doch überwellt in holder Pracht Das erste Morgenrot, als Mantel, ihre finstern Rücken! So bringen sie den Baldachin, den schönen, sternbesäten, Und können drum, voll Königssinn, den Westen stolz betreten. Die Nacht ist eine Mohrin, eine Heidin! Die Mondessichel glänzt und glimmt Als Silberschmuck auf ihrer kühlen Stirn, Und ihre volle nackte Brust befächelt sacht Ihr blasser Sklave Zephir mit dem Wolkenfächer: Der ist aus Flaum und leichtem Nebelschaum: Jetzt färben ihn die letzten Abendgluten, Auch kräuselt ihn sein Eigenwind, Da ihn der Sklave, schwebend, fächelt. Belustigt das die Königin, Denn seht, wie jugendlich sie lächelt? So bunten, grellen Federnputz Erreicht in schriller Farbenreih Allein der Schmuck vom Papagei, Wie eben ihn in voller Pracht Der Abend auf dem Flaum entfacht, Wo selbst das Röteste und Allerblauste Der Wind geschmackvoll zueinanderkrauste! Die Nacht ist eine Mohrin, eine Heidin! Mit nacktem Busen, bloßem Bauch Betritt sie nun die holde Stadt Venedig. 354 Sie trotzt dem fremden Christenbrauch: Der starkbehaarte Teil der Scham Ist jeder Überhülle ledig. Sie bleibt bei uns, so wie sie kam, Und um sie her wird auf die fremden Weisen froh gelauscht, Den Schamteil merkst du kaum, von toller Dunkelheit berauscht. Der Mohrin Nachtsang klingt im Raum: Man schmückt und ändert rasch den Schleiersaum, Den dieses Weib so üppig durch Venedig schleift, Daß sein Besatz noch weithin die Lagune streift. Mit Flammengarben aller Art, Mit Purpurzungen, blutgen Flecken, Mit manchem fahlen, halbverblaßten Bart Will sich Venedig seinen Schleierrand bedecken. Am Lande wird das Flammenband, Nach alter Art, als langer Flammenrang, gewahrt, Den Zauber aber müssen Meerreflexe erst erwecken! Frohlocken will die ganze Stadt! Mit langgezognen Kantilenen, Mit eigentümlich süßlicher Musik, Mit Tönen, welche Lüste nur ersehnen, Mit Trommelstreichen wie im Krieg, Mit Lustfanfaren nach dem Sieg Mag man die Mohrenkönigin empfangen: Und wenn sie schon berauscht vorbeigegangen, So heften wir auf ihre Schleppe Purpurspangen. Ist sie dann fort, kriecht alles Glutgewürm zur Rast: Die Flammenschlangen, die der Menschenhand entstammen, Verbergen sich vor uns, in großer Hast: Und tiefverringelt im Morast, Muß ihre Brut wie Aale grau verschlammen, Und auch der Schwarm von grünen Feuerfröschen Wird bald im dunklen Sumpf verlöschen. 355 |