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Erstes Kapitel

Seit dem Tode seiner Eltern wuchs Werner Rutland im Hause seines Onkels Johann Rutland auf. Das große Patrizierhaus der Rutland war wohl das vornehmste der alten Stadt Danzig, deren Bürger ihren Wohlstand den berühmten Reedereien und Schiffswerften verdankten, und Johann Rutland galt als der reichste Mann in Danzig. Seit ihn ein körperliches Leiden gezwungen hatte, sich von den Geschäften zurückzuziehen, hatte er ein Gesellschaftsunternehmen gegründet, zumal da sein Neffe und Erbe keinerlei Neigung zeigte, Schiffe zu bauen und später die Geschäfte zu übernehmen; und nun lebte Johann Rutland ziemlich zurückgezogen in dem wundervollen alten Hause.

Ein sehr ausgedehnter herrlicher Garten, der sich hinter dem Hause fast bis zu den Schiffswerften hinzog, war das Paradies von Werner Rutlands Knabenzeit. Mit seinem Freunde Rudolf Raven und dessen Schwester Käthe verbrachte er hier all seine Freistunden. Manchmal zwar waren auch noch andere Kinder dabei, aber das geschah selten, denn Fräulein Seraphine Münzer, eine entfernte Verwandte des Hausherrn, die seit Jahren dessen Haushalt Vorstand, liebte Kinder nicht. Sie mochte es nicht leiden, daß die sich im Garten tummelten und die schönsten Frühbirnen und die Gravensteiner Äpfel vertilgten, obwohl reichlich viel davon vorhanden waren.

Tante Phine – so wurde sie von Werner genannt – hätte auch am liebsten Rudolf und Käthe Raven aus diesem Kindheitsparadiese verwiesen, wie weiland der Cherub mit feurigem Schwert das erste Menschenpaar aus dem wirklichen Paradies, aber das litt der alte Herr Rutland nicht, denn die Geschwister waren die Kinder seines besten Freundes. Und so sehr Tante Phine ihn im Laufe der Jahre sonst unter den Pantoffel gekriegt hatte: in diesem Punkte blieb er der Herr.

So waren die Geschwister Raven Werner Rutlands unzertrennliche Spielgefährten. Werner und Rudolf waren in einem Alter, Käthe vier Jahre jünger. Sie war ein schönes, lustiges und lebensprühendes Geschöpf, sehr übermütig und unerschrocken, dabei doch herzensgut und von erfrischender Offenheit. Mit allen Menschen war sie gut Freund, nur mit Tante Phine nicht. Deren Abneigung erwiderte sie, gleich ihrem Bruder Rudolf, mit ehrlicher Kriegsbereitschaft, und die Schroffheiten und Unliebenswürdigkeiten des ältlichen Fräuleins wurden mit gleicher Münze heimgezahlt.

Als die beiden Knaben herangewachsen waren und ihre Schlußprüfung bestanden hatten, verließen sie Danzig zu gleicher Zeit, um sich ihrem Studium zu widmen. Und als sie nach Beendigung ihrer Studien wieder in der Heimat zusammentrafen – Werner als Dr. phil. und Rudolf als Baumeister, – da war inzwischen Käthe Raven zu einer wunderlieblichen Jungfrau herangewachsen, deren quellfrischer Liebreiz und lachende Lebensfreude allen Menschen wohltat – mit Ausnahme Tante Phines, die fröhliche Menschen im allgemeinen und Käthe Raven im besonderen nicht leiden mochte. In Werner Rutland aber, der das holde Bild seiner früheren Spielgefährtin schon immer im geheimsten Herzensschrein aufbewahrt hatte, erwachte nun ein heißes Verlangen nach ihrem Besitz.

Er vertraute sich Rudolf an und verriet ihm seinen Entschluß, um Käthe zu werben. Da aber mußte Rudolf dem Freunde eine herbe Enttäuschung bereiten: Käthe hatte inzwischen ihr Herz bereits an den Sohn des Geschäftsteilhabers ihres Vaters, Fritz Verhagen, verschenkt – ja in den nächsten Tagen schon sollte die Verlobung stattfinden.

Werner suchte sich zu beherrschen, so gut es ging; doch trieb es ihn nun fort aus der Heimat, wo er Käthe täglich begegnen mußte. Er bat seinen Onkel, auf einige Jahre eine Forschungsreise nach Afrika unternehmen zu dürfen; und Johann Rutland gab ihm gern die Erlaubnis, denn Tante Phine hatte mit ihrem Spürsinn herausgebracht, daß Werner Käthe liebte, und es dem Onkel hinterbracht.

So verließ Werner Rutland wenige Tage nach Käthe Ravens Verlobung die Heimat.

* * *

Südöstlich von Windhuk, etwa zwei Tagereisen von dieser Stadt entfernt, lag an der Nordgrenze des Namalandes die Farm eines Deutschen, Klaus Folkhard mit Namen, der mit zu den ersten deutschen Ansiedlern der Kolonie gehörte. Ein ehemaliger deutscher Offizier, hatte er vor langen Fahren daheim seinen Abschied nehmen müssen, weil er ein armes Mädchen heiratete, das ebensowenig wie er selbst die notwendige Bürgschaftssumme hatte aufbringen können. Beide verwaist und ohne Anhang, verließen sie das deutsche Vaterland, um in den Kolonien eine neue Heimat zu suchen. Sie bauten sich zuerst nur ein winziges Holzhäuschen und lebten da als Farmer ein mehr als schlichtes, entbehrungsreiches Leben. Aber trotz aller Mühen und Plagen waren sie glücklich im gegenseitigen Besitz.

Die erworbene Farm, im Norden durch zerklüftetes Gebirge und zerrissene Schluchten begrenzt, bestand aus steppenartigem Weideland, und Klaus Folkhard verlegte sich auf die Viehzucht. Im Anfang war der Betrieb nur sehr klein und äußerst beschwerlich, da man mit schwierigen Verkehrsverhältnissen und in der regenlosen Zeit mit großem Wassermangel zu rechnen hatte. Und so war es ein schweres, mühevolles Ringen, und Klaus und seine Frau Maria hatten allen Lebensmut nötig, um über die ersten zehn Jahre hinwegzukommen.

Mehr als einmal bereute es damals Klaus, seine junge Frau in diese Wildnis geführt zu haben. Er redete sich gern vor, daß er sich auch in der Heimat hätte eine schlichte Existenz gründen können; und dann mußte ihm Maria immer wieder vorhalten, wieviel vergebliche Mühe er sich daheim gegeben hatte: »Hier sind wir doch wenigstens frei von lächerlichen Standesvorurteilen und Herren des Bodens, auf dem wir leben. Zu hungern brauchen wir auch nicht, und wenn wir nur Ausdauer haben, bringen wir uns vorwärts. Vielleicht haben wir auch ein wenig Glück, und wenn wir dann alt und müde vom Schaffen sind, kehren wir heim und ruhen uns aus.«

Ein Jahr, nachdem sie nach Südwestafrika gekommen, wurde ihnen ein Töchterchen geboren. Sie tauften es auf den Namen Susanna. Ein Missionar vollzog die heilige Handlung, als ihn sein Weg just über die Farm führte. Die eingeborene Dienerin aber rief die Kleine von Anfang an nur Sanna, und da die Eltern die Abkürzung gleichfalls bequem fanden, so behielt das Kind diesen Namen.

Als Sanna zehn Jahre alt war, erkrankte ihre Mutter sehr heftig. Und ehe Folkhard bei den schwierigen Verkehrsverhältnissen und weiten Entfernungen einen Arzt hatte herbeischaffen lassen können, starb die tapfere Frau, bis zuletzt ihrem Manne und ihrem Kinde Mut und Hoffnung zusprechend.

Klaus Volkhard war lange der Verzweiflung nahe, und nur der Gedanke an sein Kind hielt ihn immer wieder ab, seinem geliebten Weibe in die Welt zu folgen, die uns nach dieser erwartet. Nur langsam kamen ihm Mut und Entschlossenheit zurück, dann aber schloß er sich mit inniger Liebe seinem Kinde an: Sanna war nun sein einziges Kleinod.

Das Kind wuchs in Luft und Sonne empor wie eine schöne wilde Blume. Der Vater sah seines ganzen Lebens Ziel und Inhalt jetzt nur noch in dem Kinde. Er selbst unterrichtete Sanna gewissenhaft in allem, nicht nur in allen Fächern der Schulweisheit, sondern auch in den praktischen Dingen des Lebens. Und eigentlich nur Musik und neuere Literatur blieben ihr fast fremde Gebiete. Sie sang zwar deutsche Volkslieder sehr hübsch mit ihrer warmen, kräftigen Stimme, wenn sie über die Steppe streifte oder mit dem Vater des Abends vor dem Blockhause saß, das nun ein ganz hübsches, stattliches Gebäude war mit einer luftigen Holzveranda, aber ein Klavier oder sonstige Musikinstrumente waren ihr so fremd wie die dazugehörigen Noten. Dagegen fehlte es keineswegs an deutschen, französischen und englischen Klassikern, in denen Sanna nach des Vaters Angaben eifrig las.

Weltfremd wuchs das Kind freilich auf. Nur selten war sie, seit sie vierzehn Jahre alt war, mit dem Vater nach Windhuk gefahren – auf ihrem geliebten Fahrrad, das ihr der Vater zu ihrem vierzehnten Geburtstag geschenkt hatte, damit sie ihn zuweilen begleiten konnte. Und was hatte Sanna für erstaunte Augen gemacht, als sie die nach ihrem Begriff große Stadt zum erstenmal gesehen hatte! Scheu hatte sie sich an den Vater geschmiegt, wenn er mit diesem oder jenem Bekannten sprach.

Auf dem Heimwege hatte ihr der Vater dann von den viel, viel größeren Städten seiner alten Heimat erzählt, von dem Leben und Treiben dort. – Wie ein fremdes Wunderland erschien Deutschland dem Kinde. Sie sprachen nun fast täglich davon, und wie schön es sein würde, wenn sie erst heimkehren könnten. Des Vaters Sehnsucht nach der Heimat weckte gleiche Gefühle in Sannas Herzen: »Wenn wir erst in die Heimat zurückkehren« – so begannen fast alle traulichen Gespräche zwischen ihnen.

Langsam hatte in den letzten Jahren die Zivilisation ihre Arme auch nach dieser weltfernen Farm ausgestreckt. Missionare und Reisende aller Art kamen zuweilen in Klaus Folkhards Blockhaus, auch deutsche Offiziere und Soldaten rasteten hier auf ihren Erkundungsritten und Märschen. Dann war Klaus Folkhard tagelang in gehobener Stimmung. Sanna indes behielt eine gewisse Scheu vor fremden Menschen. Die wilde Anmut ihrer durch keine strenge Form beengten Bewegungen, ihre erblühende, unberührte Schönheit machte auf die Gäste ihres Vaters großen Eindruck; in manchem Männerauge spiegelte sich das Wohlgefallen an dieser seltsamen Wunderblume wider; man vergaß zuweilen über dem Liebreiz des seltenen Geschöpfes, daß es noch ein Kind war. Aber wer dann in die kindlich unschuldsvollen Augen blickte, der erkannte bald genug, daß die Seele dieses Kindes noch ein völlig unbeschriebenes Blatt sei. Und wer sie in kindlicher Lust und Wildheit mit ihrem Ponny über die Steppe fliegen sah, der glaubte eher einen Knaben vor sich zu sehen.

Immer ungeduldiger sehnte sich Klaus Folkhard von Jahr zu Jahr nach der Heimat, nicht zuletzt Sannas wegen. Er rechnete und rechnete wieder und wieder, wann es so weit sein würde, daß er seine Farm um einen Preis verkaufen könnte, der es ihm ermöglichen würde, sich in Deutschland eine sorgenlose Existenz zu gründen. Aber immer mußte er sich sagen, daß seine Zeit noch nicht gekommen sei. Dann wurde er oft so ungeduldig, daß nun Sanna, wie früher ihre Mutter, ihm gut zureden mußte. Wurde ihm in solchen Zeiten von den noch immer umherstreifenden räuberischen Stämmen ein Stück Vieh geraubt, dann war er imstande, diese Wilden bis tief in die Felsschluchten zu verfolgen, um ihnen ihre Beute wieder abzujagen, so gefährlich das auch war, da es den Verfolgten nicht darauf ankam, einen Menschen umzubringen.

Als Sanna eben fünfzehn Jahre alt geworden war, fehlten eines Tages wieder zwei der besten Kühe. Folkhard wußte, wo sie hingekommen waren, warf sich auf sein Pferd und jagte den Räubern nach, trotz Sannas abmahnenden Bitten.

Er kannte genau Weg und Steg in der unwirtlichen Wildnis, und auf sein Pferd konnte er sich verlassen. Nachdem er jedoch stundenlang die Spur der Räuber verfolgt hatte, sah er ein, daß es vergeblich sein wurde, weiter vorzudringen. Im Bestreben, den Rückweg zu kürzen, stieg er schließlich ab und führte sein Pferd über einen Felsengrat in eine Nebenschlucht, die mit wildem Gestrüpp bewachsen war.

Klaus Folkhard schüttelte finster den Kopf.

Da drang plötzlich der Schall verworrener Stimmen an sein Ohr. Sollte er hier unvermutet den Viehräubern nahegekommen sein?

Er band sein Pferd an dem knorrigen Gestrüpp fest und schlich sich vorwärts. Noch sah er niemand, aber er hörte deutlich Ausrufe in der Sprache der wild umherstreifenden Stämme. Und dann plötzlich stockte sein Fuß: ganz deutlich vernahm er zwischen diesen Lauten den Ausruf eines Mannes in deutscher Sprache: »So schieß doch endlich, schwarze Bestie!«

Ein wildes Geschrei antwortete auf diesen Ausruf. In Klaus Folkhards Gesicht aber spannte sich jeder Muskel. Erst vor zwei Jahren hatte man hier in der Nähe einen französischen Forschungsreisenden ermordet und ausgeplündert aufgefunden. Sollte er hier, statt seiner geraubten Kühe, einen deutschen Landsmann in Gefahr finden?

Mit dem Gewehr im Anschlag, schlich er, sich im Gestrüpp duckend, noch weiter vorwärts, da sah er, ungefähr zwanzig Schritt vor sich, einen schlanken, hochgewachsenen jungen Mann gefesselt an einem Baumstamm stehen. Auf dem Boden, in dem Reisegepäck des fremden Mannes, wühlten johlend vier oder fünf Schwarze; dicht vor dem Deutschen jedoch stand ebenfalls ein Schwarzer und hielt diesem mit teuflischem Grinsen eine Pistole vor. Klaus konnte so viel verstehen, daß sie sich nicht einig waren, ob sie den Fremden mit seiner eigenen Pistole niederschießen oder einfach hier in der Wildnis allein zurücklassen und dem Hungertode preisgeben wollten. Der mit der Pistole war für das erstere; er wollte anscheinend gern die hübsche Schußwaffe dabei versuchen.

In Klaus Folkhards Augen trat ein stählerner Glanz. Nur einen Blick warf er auf das düstere Gesicht des Fremden. Dann sprang er mit einem lauten drohenden Ruf plötzlich hervor und legte das Gewehr auf den Pistolenschützen an. So unerwartet stand er plötzlich unter der Bande, daß die in feiger Flucht auseinanderstob, in der Meinung, daß Folkhard nicht allein sei.

Dieser benutzte sofort den günstigen Augenblick und schnitt mit dem Dolchmesser die Fesseln des Fremden durch. Schnell reichte er ihm dann seinen eigenen, geladenen Revolver und sagte hastig:

»Folgen Sie mir, so schnell Sie können. Wenn die Kerle merken, daß ich allein gekommen bin, kehren sie zurück.«

Der Befreite streckte erlöst beide Arme empor und folgte seinem Retter durch das Gestrüpp. Noch hatten sie aber das Pferd Folkhards nicht erreicht, als sie merkten, daß die Verscheuchten umkehrten und ihnen folgten.

»Wir feuern nur im Notfall,« gebot Folkhard ruhig. »Sind wir über den Felsen, folgen sie uns kaum, falls wir nicht einen von ihnen über den Haufen geschossen haben. Sind wir jedoch gezwungen, einen oder den anderen zu töten, verfallen wir der Blutrache der anderen und kommen schwerlich mit dem Leben davon. Sie sind in der Überzahl und im Besitz Ihrer und der eigenen Waffen. Also Vorsicht.«

Jetzt hatten sie das Pferd erreicht, und nun ging es in wilder Hast aufwärts über den Felsen. Aber die Verfolger waren hinter ihnen her. Endlich waren sie oben, und freier Weg lag vor ihnen.

»Wir müssen beide aufs Pferd,« sagte Folkhard und ließ den Fremden aufsteigen. In dem Augenblick jedoch, als er selbst aufstieg, sah er eben einen schwarzen Kopf über den Grat emportauchen, und gleich darauf einen schwarzen Arm mit der geraubten Pistole. Folkhard riß dem Fremden den geliehenen Revolver aus der Hand. Ein Blitz, ein Knall – ein Aufschrei, das dumpfe Aufschlagen eines menschlichen Körpers – Folkhard hatte gut getroffen.

Dem Pferd die Zügel straffend, jagten die beiden Männer den Abhang auf der anderen Seite hinunter, hinter ihnen her mit wildem Geschrei die schwarze Bande. Folkhard wußte, daß nur schnelle Flucht jetzt helfen konnte. Das Tier war freilich doppelt belastet, aber es war zäh und die Verfolger zu Fuße.

»Ich glaube, wir sind in Sicherheit," sagte der Fremde.

»Wenn wir keinen von ihnen getötet hätten, wären wir vor ihnen sicher. Ich hatte aber ihr scheinbares Zurückbleiben jetzt nur für eine List.«

Und er sollte recht behalten. Schon waren die beiden Männer glücklich aus den Schluchten heraus und ritten in das freie Steppenland. In der Ferne sah man bereits Folkhards Farm liegen, als plötzlich aus dem Hinterhalt eine Kugel herüberpfiff.

»Ich bin getroffen," murmelte Klaus und wankte im Sattel.

Der Fremde wandte sich erschrocken um und sah in seines Retters erblassendes Gesicht. Mit einem dumpfen Schreckenslaut sprang er vom Pferde, um ihn zu stützen. Folkhard glitt herab zur Erde.

»Es ist nicht schlimm,« sagte er halblaut, die Zähne zusammenbeißend, »ich will bei den Kerlen nur den Anschein erwecken, daß ich tot bin. Dann geben sie sich zufrieden. In die Ebene heraus wagen sie sich nicht. Feuern Sie, bitte, schnell hintereinander dreimal in die Lust – das ist das Zeichen für meine Leute – sie werden es hören und herbeikommen.«

Der Fremde – es war Werner Rutland – tat, wie ihm geheißen, und kaum waren die drei Schüsse verhallt, wurde es auf der Farm lebendig. Folkhards Diener kamen in wildem Lauf herbei, allen voran aber jagte Sanna auf ihrem Ponny. Einen Augenblick scheute sie vor Werner Rutland, aber dann sah sie den Vater am Boden liegen und mit einem herzzerreißenden Schrei sprang sie vom Pferde und warf sich neben ihn auf die Knie. »Vater, lieber Vater – was ist dir?«

Folkhard nahm alle Kraft zusammen und lächelte. »Keine Angst, Sanna – es ist nichts – ein Streifschuß,« sagte er leise, und auf Werner deutend, fuhr er fort: »Unser Gast, Kind – ein Deutscher.«

Dann wurde er ohnmächtig.

In hilflosem Entsetzen sah Sanna zu Werner empor.

»Wir müssen ihn ins Haus bringen, mein Kind, und einen Arzt herbeischaffen,« sagte Werner Rutland erschüttert. Sanna machte ihm in ihren kurzen Kleidern ganz den Eindruck eines Kindes.

Nachdem Sanna den ersten Schreck verwunden hatte, zeigte sie sich tapfer wie eine kleine Heldin. Kein unnützes Wort, kein Klagelaut kam mehr über ihre Lippen. Nur sehr bleich sah sie aus, und in den scheuen Augen, die zuweilen nach Werner Rutlands düsterem Gesicht hinüberstreiften, lag eine heiße Angst um den geliebten Vater.


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