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An die Siegesgöttin

(Unter den Ruinen von Vespasians Tempel in Brescia.)

Göttliche Jungfrau, schwangst du die Fittiche
Gnädig auf der Peltasten geneigten Helm,
Die mit den vorgestreckten Lanzen
Harren, ihr Knie an dem Schilde stützend?

Flogst du voran den Adlern, der marsischen
In wilden Wogen stürmenden Kriegerschar,
Mit deinem wunderbaren Glanze
Scheuchend die wiehernden Partherrosse?

Melde den Namen mir jenes siegreichen
Heerführers, den du auf deinen Schild nun schreibst,
Geneigt das Flügelpaar, den stolzen
Fuß auf den Helm des Besiegten setzend.

Ist's ein Archont, der gegen Despotentum
Ruhmreich der Freien heilig Gesetz geschützt?
Ist es ein Konsul, der des Reiches
Namen und Grenzen und Furcht verbreitet?

Hoch auf den Alpen, herrlich im Sturmgebraus
Möchte ich dich seh'n, verkündend in ferne Zeit:
»Italien fußte hier, ihr Völker,
Namen und Rechte zurückerobernd«!

Unter den Blumen, die der Oktober aus
Dem Römerschutte trauervoll sprießen läßt,
Sucht Lydia fromm, indes, dir einen
Kranz aus und legt ihn dir sanft zu Füßen.

»Was dachtest«, spricht sie, »teuere Jungfrau du
In tiefer, feuchter Erde so lange Jahr'?
Vernahmst auf deinem Griechenhaupte
Du das Getrappel der deutschen Rosse?« –

Und blitzend spricht die Göttin: »Ich hört' es wohl,
Denn ich bin die hellenische Glorie
Und ich bin die Lateinerstärke,
Welche im Erz durch die Zeiten wandelt.

Wie die zwölf Unheilsgeier, die Romulus
Erblickte, floh'n die Zeiten vorüber; da
Erhob ich mich und rief: ›Italien,
Tote und Götter sind dir Geleiter!‹

Froh ihres Schicksals, nahm mich nun Brescia auf,
Brescia die starke, Brescia die eiserne,
Italiens Löwin Brescia, die den
Durst in dem feindlichen Blute löschte«.


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