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Zweiundachtzigstes Kapitel.

»Unter dem Boden also,« sagte Margrave, sich an mich wendend, »der sich um uns her ausbreitet, liegt das Gold, das für uns beide gegenwärtig nur in so fern einen Werth hat, als es uns zu seinem Zwillingsbruder, dem Lebenserneuerer leitet.«

»Sie haben mir noch keine Beschreibung von der Beschaffenheit der Substanz gegeben, die wir suchen sollen, und eben so wenig mir den Prozeß auseinandergesetzt, durch welchen die Kräfte, die Sie ihr zuschreiben, ausgezogen werden können.«

»Wir wollen lieber zuerst das Gold auffinden; dann können Sie statt der Beschreibung den Lebensamber, wie ich ihn nennen möchte, mit eigenen Augen schauen. Was den Prozeß betrifft, so ist Ihre Betheiligung dabei so einfach, daß Sie mich fragen werden, warum ich den Beistand eines Chemikers gesucht habe. Wenn der Lebensamber gefunden ist, so braucht man ihn nur sechs Stunden der Hitze und der Gährung zu unterwerfen; er wird in einen kleinen Kessel, der sich in diesem Koffer befindet, gebracht und das Feuer darunter gehörig mit Brennmaterial genährt. Zu Einleitung des Prozesses sind gewisse Alkalien und andere Stoffe nöthig, die ich jedoch schon vorräthig habe, und es wird meine Aufgabe sein, sie beizumengen. Von Ihrer chemischen Wissenschaft brauche und verlange ich nichts. Als ich Sie aufsuchte, war es mir nur um die Beihülfe des Mannes zu thun.«

»Wenn dies der Fall ist, warum sind Sie gerade an mich gekommen? Warum bedienen Sie sich nicht lieber des Beistandes Ihrer dunkelhäutigen Begleiter, die ohne Zweifel Ihren Befehlen sklavisch gehorchen?«

»Wie sollte ich Sklaven vertrauen, wo der erste Dienst im Auffinden von Gold besteht, das sie für sich sammeln würden? Was könnte ein Mann in meinem schwachen, wehrlosen Zustand gegen sieben solche gewissenlose Schurken, oder auch nur gegen einen einzigen ausrichten? Solche Arbeit überläßt ein weiser Herr nicht trotzigen Sklaven. Doch dies ist nur ein untergeordneter Grund, warum ich sie nicht in mein Vertrauen ziehe und dasselbe Ihnen zugewendet habe. Erinnern Sie sich nicht mehr, was ich von der Gefahr gesagt habe, welcher sich der Derwisch um keinen Preis, den ich ihm bot, zum zweitenmal unterziehen wollte?«

»Ich erinnere mich jetzt; die Sache ist mir entfallen.«

»Und weil sie Ihnen entfiel, sind Sie der rechte Mann für mich. Ich brauche einen Kameraden, der sich nichts aus einer Gefahr macht.«

»Aber bei dem Prozeß, von dem Sie sprechen, kann ich mir keine Gefahr denken, es sei denn, daß die Ingredienzien, welche Sie in den Kessel thun, giftige Dünste verbreiten.«

»Das ist's nicht. Ich wende keine giftigen Stoffe an.«

»Was stünde sonst noch zu besorgen außer dem, was Sie von Ihren eigenen orientalischen Sklaven fürchten? Warum haben Sie dieselben überhaupt mit in diese Einöde gebracht, und warum hießen Sie mich nicht Waffen mitnehmen?«

»Die orientalischen Sklaven werden in Gemäßheit meines Befehls an einem Platz, wo sie nicht sehen können, was wir thun, meines Rufes harren. Die Gefahr ist von der Art, daß der kühnste Sohn des Morgenlandes sich feiger dagegen benehmen würde, als der verzärteltste europäische Sybarit, der entsetzt vor einem Panther flieht und über ein Gespenst lacht. Nach dem Glaubensbekenntniß des Derwisches und aller derer, welche sich in das für die Philosophie unzugängliche, der Magie aber aufgeschlossene Reich der Natur wagen, gibt es in dem unendlichen Raum Wesen, die so unsichtbar sind wie die Thierchen in der Welt des Wassertropfens. Für diese hat die Wissenschaft ihr Microskop; die Schaaren aber, welche jenes grenzenlose Blau bevölkern, erschließen sich nur dem magischen Blick, und durch sie gewinnt man Gewalt über leitende Flüssigkeiten, welche alle Theile der Schöpfung mit einander in Verbindung bringen. Von diesen Schaaren sind einige völlig gleichgültig, andere wohlwollend gegen den Menschen, wieder andere stehen ihm aber in tödtlicher Feindschaft gegenüber. Unter den ordnungs- und regelmäßigen Bedingungen des sterblichen Daseins scheint dieses magische Reich so leer und unbewohnt zu sein, wie dem Auge sich die reine Luft darstellt; doch wenn ein Forscher über die rohen Verrichtungen, unter welchen das menschliche Uhrwerk seine Zeit abläuft, hinausgreift und die Grenzen zu überschreiten strebt, von welchen die Philosophie sagt, ›hier endet das Wissen,‹ so ergeht es ihm wie allen Wanderern in unbekannten Gegenden; er muß die feindlichen Stämme sich geneigt machen oder ihnen keck entgegentreten, muß für sein Leben Schutz suchen bei denen, die ihm gewogen sind. Obgleich Ihre Wissenschaft die Sätze der Alchymisten in Mißkredit gebracht hat, so sagt Ihnen doch Ihre Gelehrsamkeit, daß nicht alle Alchymisten unwissende Betrüger waren; gleichwohl weisen auch Diejenigen, deren Entdeckungen die nächste Verwandtschaft mit den heutigen sogenannten praktischen Wissenschaften haben, in ihren mystischen Werken auf das Vorhandensein eines Reiches hin, das sich dem Magier aufthut, und deuten stets an, daß der Mann, welcher das Elixir finden will, nothwendig zu Mitteln seine Zuflucht nehmen muß, die nicht so alltäglich sind, als die Esse und der Blasbalg. Wer einen Zug thut aus der Schale der Lebensessenz, nimmt in seine Adern das köstliche Fluidum auf, durch welches er die in der Natur schlummernden Kräfte, die unsichtbaren Riesen des Raums seinem Willen dienstbar machen kann. Und da er damit die Grenze überschreitet, welche sein normales sterbliches Wesen von Gebieten und Wesenheiten trennt, die nur dem Magier nahbar sind, so reißt er damit die Scheidewand ein, welche ihn gegen feindlich gesinnte Gewalten schirmt. Ist es nicht der gleiche Fall zwischen Menschen und Menschen? Denken wir uns einen Stamm so sanft, schüchtern und civilisirt als nur möglich, der auf der einen Seite eines Gebirges oder Stromes wohnt, während ein anderer auf der entgegengesetzten seine Heimath hat. Sie vertragen sich friedlich neben einander, so lang keiner die zwischen ihnen liegende Grenze überschreitet; aber steigen ehrgeizige Abenteurer über das Gebirg oder setzen über den Fluß in der Absicht, die Bevölkerung, die sie kühn angreifen, zu unterjochen, so erheben sich die Angegriffenen in trotzigem Grimm, und statt der Nachbarn haben wir Feinde. Deßhalb hat der Prozeß, durch welche ein einfacher, aber seltener Naturstoff die Bedeutung gewinnt, einem Sterblichen das Geschenk des Lebens zu sichern, das abgesehen von der Widerstandsfähigkeit gegen die Zeit auch den Wunsch und die Kraft mit sich bringt, in der Erde, in der Luft, in den Meerestiefen wohnende Wesen zum Dienst zu zwingen, stets dieselbe Gefahr in sich geschlossen, welcher sich der Eindringling aussetzt, dem die Grenzen seines Volkes nicht genügen. Mit diesem Schlüssel allein werden Ihnen die Kunstausdrücke der Alchymisten verständlich, und Sie lernen begreifen, warum an einer Arbeit, die der roheste Apothekerlehrling vollbringen könnte, die riesigen Väter aller eurer zwergenhaften Kinder der Wissenschaft erlagen. Die Natur, welche dieses unschätzbare Gut in sich schließt, scheint dem Menschen ein solches Geschenk nicht freiwillig gewähren zu wollen, und die unsichtbaren Mächte, welche ihn hassen, widersetzen sich einer Erwerbung, die ihn zu ihrem Herrn machen würde. Die blöderen Köpfe unter den Lebensuchern des Alterthums sagen Ihnen freilich, irgend ein geringfügiger, unvorhergesehener Zufall habe noch im Moment des Gelingens ihre großartige Hoffnung zu nichte gemacht; es war vielleicht ein ungeschickter Handgriff, ein Uebersehen, eine Verunreinigung des Schwefels, ein Ueberwallen des Quecksilbers, ein Fehler am Blasbalg oder ein Schüler, der statt nachzuschüren, neben dem Ofen einschlief. Die unsichtbaren Feinde lassen sich selten herab, sichtbar einzuschreiten, wenn sie die Arbeit des Stümpers mit höhnischem Spott aus ihrem Hinterhalt heraus vereiteln können. Aber die kühneren Geister, die trotz ihrer Geduld und Geschicklichkeit nicht zum Ziel kamen, werden Ihnen erklären: ›An uns liegt die Schuld nicht; wir haben keine Vorsicht verabsäumt und nichts übersehen; doch aus dem Kessel stiegen furchtbare Gesichter auf, und die Gespenster oder Dämonen schreckten uns, daß wir nicht mehr fortmachen konnten.‹ Dies ist die Gefahr, die einem Sohn des Orients eben so furchtbar erscheint, wie den Sehern des europäischen Mittelalters. Aber ich und Sie, wir können alle ihre Drohungen verlachen. Was mich betrifft, so gestehe ich offen, daß ich für meine Sicherheit alle Hülfsmittel aufgeboten habe, welche die Magie an die Hand gibt; die Ihrige beruht auf ihrem gebildeten, wohldisciplinirten Verstand, der alle phantastischen Erscheinungen als Nervenüberreizung auffaßt. Ich vertraue dem Muth des Mannes, der furchtlos den leuchtenden Schatten Rede stehen hieß und der Hand des Magiers selbst den Stab entwand, in welchem sich die Wunder seines Willens concentrirten.«

Dieser langen, sonderbaren Rede hörte ich ohne Unterbrechung zu und entgegnete sodann:

»Ich verdiene das Vertrauen nicht, das Sie meinem Muth zu spenden sich den Anschein geben, kann aber jetzt auf der Hut sein vor den Täuschungen der Einbildungskraft und den berückenden Wirkungen von Dämpfen, die in der freien Luft dieses Berglands dem Gehirn nicht viel werden anhaben können. Ich glaube an keine Wesenheiten, die gleich den Gasen unsichtbar im Raume lauern, und eben so wenig an die Magie, deren Hülfe ich nicht wünsche und deren Schrecken ich nicht fürchte. Im übrigen setze ich meine Zuversicht auf einen einzigen traurigen Muth – den Muth, der aus der Verzweiflung quillt. Ich unterwerfe mich ohne Widerrede Ihrer Führung, wie der Kranke, den das Universitätswissen aufgegeben hat, sich dem Quacksalber unterwirft, welcher sagt: ›Nimm mein Specificum und lebe!‹ An sich ist mein Leben werthlos; es lebt nur in einem anderen. Sie und ich, wir beide handeln mit dem Muth der Verzweiflung; Sie wollen den Tod von sich selbst, ich will ihn von einem Wesen abwehren, das mir theurer ist, als mein Ich. Wir beide wissen, wie wenig Hülfe wir von der Universitätsgelehrsamkeit zu erwarten haben, und wenden uns daher dem zu, der uns am meisten verspricht – gleichviel, sei es Derwisch oder Magier, Alchymist oder Phantom. Sie können uns nicht mehr im Stich lassen, als das gelehrte Wissen es bereits gethan hat.«


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