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X.
Herzlich willkommen??

Einem Bedürfnis der Neuzeit entsprechend hatten die Männer an der Türe des Geheimgemachs einen großen Briefkasten anbringen lassen, in dem jedermann schriftlich oder auch gedruckt seine Wünsche und Beschwerden niederlegen konnte. In diesen Briefkasten warfen seit Jahrzehnten Frauenorganisationen aller Art Petitionen um Zulassung ins Geheimkabinett, doch alle Petitionen, Mahnungen, Vorstellungen blieben erfolglos. Genau wie zur Zeit der Französischen Revolution leierten die Männer die alten Redensarten vom »Schmuck des Hauses«, »Stolz auf die Söhne«, »Die Natur selbst hat es nicht gewollt« usw. ab, und gingen über die Forderungen der Frauen hinweg zur Tagesordnung über. Die langmütige Geduld der Deutschen machte auf sie ebensowenig Eindruck wie das wilde Gebaren englischer Suffragettes, und ihr schönster Triumph war es, wenn sie den Frauen mitteilen konnten, daß etwa der Negerstaat Liberia der Frau keine politischen Rechte zugestehen wollte, oder die Fidji-Inseln das Frauenwahlrecht wieder abgeschafft hätten, weil die hohe Kultur besagter Inseln durch das Frauenwahlrecht und die politische Tätigkeit der Frau in größte Gefahr geraten sei. Die Frauen ließen alles über sich ergehen, verschluckten die ältesten Redensarten mit derselben Fassung wie Liberia und die Fidji-Inseln, schrieben Jahr um Jahr ihre Petitionen, gründeten Organisationen und warteten. Warteten je nach Temperament und Rasse ergeben und ungebärdig, – aber sie warteten. Eine Generation nach der anderen kam, warf ihre Bittschrift in den Briefkasten, wartete ein Weilchen und ging davon, ohne das Gelobte Land erreicht zu haben. Eines schönen Tages aber, o Wunder!, wurden sie mit vierter Geschwindigkeit in das Geheimgemach hineingeschubt, wo die Männer sie mit ausgestreckten Händen empfingen, »Frau Kollega« nannten, und einer von ihnen eine kleine Ansprache hielt, in der er ungefähr sagte: »Wie jeder napoleonische Soldat den Marschallsstab im Tornister trug, so trägt heute jede Frau das Ministerportefeuille in ihrer Markttasche!« Da weinten denn eisgraue Häupter, die ein halbes Jahrhundert lang vergebens petitioniert hatten, vor Freude, daß sie das Gelobte Land hatten erreichen dürfen, andere sagten mit öliger Selbstzufriedenheit: »Wir haben es uns durch unsere sozialen Leistungen verdient!«, reizlose Gestalten mit Fanatikeraugen sprachen: »Nun, da wir an den Webstuhl treten, wird die Welt ganz anders gehen, als seit Jahrtausenden!«, und noch andere ließen die Augen verträumt und weltfremd im Gemach umhergehen und sprachen hochmütig: »Wozu sollen wir uns eigentlich mit Politik befassen?! Goethe hat sich doch auch von aller Politik ferngehalten – –« Und dann traten Männer und Frauen gemeinsam zu dem großen Webstuhl, und alles war genau wie vorher, – nur daß im Gemach doppelt so viel Menschen standen …

Eine kleine Gruppe von Frauen aber, die weder von Rührung, noch von Selbstzufriedenheit, noch von Männerhaß, noch von ästhetischem Hochmut erfüllt war, betrachtete die Gesichter der Männer, auf denen ein Lächeln lag. Ein Lächeln, das alles mögliche oder auch gar nichts heißen konnte, denn es waren ja alte Politiker, die es lächelten. Es war zu gleicher Zeit verbindlich und unverbindlich, freundlich und spöttisch, zutraulich und überlegen. Der kleinen Frauengruppe kam dies Lächeln allmählich unheimlich vor, wie alles, was man nicht deuten kann. Sie fragten einander flüsternd, ob die Rede vorhin wohl ernst gemeint gewesen sei, ob wirklich in Zukunft jede Frau das Ministerportefeuille in der Markttasche trage, und nicht am Ende nur den Stimmzettel. Eine heikle Frage! Das Lächeln der Männer gibt keine Antwort darauf und so muß sie wohl oder übel der Zukunft überlassen bleiben.

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