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Nach der Großen Revolution schien die politische Rolle der Frau ausgespielt zu sein. Vorbei die Zeit der strategischen Schönheitspflästerchen und der gezückten Dolche! Frau Biedermeier ging, den Schutenhut auf dem hochfrisierten Haar, das Perlentäschchen am Arm, aus einer Zeit heraus in eine Zeit hinein, die weder glanzvoll noch heroisch war. Genau betrachtet war ja auch die Aventiure der Herzogin von Berry kaum anderes, als eine politische Biedermeierei. Wohl tanzten die Frauen auf dem Wiener Kongreß, liebelten mit dem Fürsten Metternich, hielten politische Salons, aber sie waren eben doch nur Tänzerinnen, Liebchen, Gastgeberinnen, denen weithintragende, persönliche Wirksamkeit versagt blieb. Auch das Jahr 1848 gehörte den Männern, wenngleich Frauen Barrikadenkampf und Exil teilten, Französinnen die alte Amazonenmaskerade hervorholten und Österreicherinnen gefühlvolle Freiheitsgedichte sangen. Die Männer um den großen Webstuhl her kümmerte das bißchen Frauentapferkeit ebensowenig wie der militärische oder lyrische Firlefanz, und sie merkten es zuerst gar nicht, daß die Tür des Geheimkabinetts aufflog und eine Frau hereingehüpft kam. Jawohl, gehüpft! Im Ballettröckchen, Kastagnetten in den Händen, pirouettierte eine wunderschöne, spanische Tänzerin herein, die ein alter, verliebter König mit halsbrecherisch-gereimten und nicht immer anständigen Versen ansang. Auch er hieß Ludwig, war aber nicht der vierzehnte oder fünfzehnte, sondern der erste seines Namens, regierte auch nicht das mächtige Frankreich, sondern das sehr bescheidene Bayern, war aber gegen diese spanische Tänzerin schwach, wie nur ein französischer Ludwig hätte sein können. So setzte er es denn durch, daß sie nicht nur Gräfin wurde, sondern auch ein bißchen Innenpolitik versuchen durfte, ein Versuch, der für den König schnell zur Katastrophe führte, weil die spanische Dame erstens sehr herausfordernd, zweitens antiklerikal und – drittens und hauptsächlich! – weil man inzwischen eben ins Jahr 1848 hineingekommen war, allwo diese verspätete Dubarry des Hauses Wittelsbach doch nur wie eine Groteskpolitikerin wirken konnte. So schnell verschwanden Kastagnettenklang und Pirouetten, daß die Männer um den großen Webstuhl sich die Augen rieben: »War's ein Traum? War's Wirklichkeit? Sind wirklich abermals durch eine Frau und um ihretwillen Minister gekommen und gegangen, Universitäten geschlossen, schwerste Konflikte zwischen Herrscher und Volk heraufbeschworen worden? Hat wirklich um einer kleinen, verwegenen Abenteurerin willen ein König seine Krone niedergelegt? Was war das alles?« So fragten sie durcheinander, bis einer von ihnen, der sich schneller gefaßt hatte, als die anderen, die Antwort gab: »Es war ein Spuk. Es war das Gespenst der großen Politikerin zur linken Hand, das umging, und sein Name ist – – Lola Montez.«