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Duval's Kniffe.

Der Schmied steht vor der Esse, rückt an Eisenstangen und läßt den Blasbalg in die Glut sausen, daß grelle Feuerstreifen zischend nach allen Richtungen sprühen. Sein Hammer bearbeitet glühendes Eisen, Funken spritzen umher und Funken blitzen aus Duval's Augen. Beim Handwerk ist er nur mechanisch. Während seine Hände das Metall schlagen, arbeitet sein Kopf an listigen Plänen. Je weiter die Kopfarbeit gedeiht, desto verschmitzter und boshafter lächelt er. Schließlich verkündet ein boshaftes, unternehmendes Händereiben die Vollendung der Kopfarbeit.

»Zwei Fliegen mit einer Patsche!« murmelt er. »Solch ein Streich wurde den Feudalen noch nicht gespielt. Das Ding sieht aus, wie eine Grube für den Leutschinder Rovere, – wie eine Rechtfertigung für mich, – und wie ein Tugendzeugnis für mein Blitzmädel. Schleppt er Madelon auf gesetzlichem Wege in sein Schloß, so hab' ich guten Grund, den Haß der Leute gegen den Tyrannen zu schüren, – ich, der beleidigte Vater! Hei, – wer noch an Frauenehre glaubt und Menschenrechte hochhält, der mag einen rechten Grimm fassen gegen den Despoten Rovere! Dabei verliert meine Tochter gar nichts an ihrem guten Namen – sie ist ja ein Opfer feudaler Gewalttat. Mir aber fließt ein hübsches Geld in die Tasche. – Ha – ha! Es geht doch nichts über einen Kopf, der philosophisch denken gelernt hat. Nun, – man liest nicht umsonst Rousseau und Voltaire! – Und mein Weib, – mein dummes, frommes Weib, kann nicht einmal keifen gegen den gottlosen Vater und dessen schlechte Tochter. Wir sind ja die reinste Unschuld, – der gesetzlich unterdrückte Teil.«

Er vollendete rasch die Arbeit, verschloß die Schmiede und ging in das Haus.

»Sibylle, lege meinen Sonntagsstaat zurecht! Du hast Dir fast die Beine abgelaufen und nichts ausgerichtet. Es schickt sich, daß auch ich einen Gang mache.«

»Wohin?« frug sie, von der Näharbeit aufsehend.

»Nach dem Schlosse! Hab' mir's näher überlegt und gefunden, es sei doch eine Schande von dem Grafen, so etwas zu verlangen. Das will ich ihm sagen und rundweg erklären, daß ich ihm Madelon nicht schicke. Vorstellen will ich ihm, daß er, bei aller Feudalherrlichkeit, doch kein Recht haben kann, unser Haus durch ein aristokratisches Ansinnen zu beschimpfen.«

Eine halbe Stunde später ging Duval mit großen Schritten nach dem Schlosse.

Ungewöhnlich frühe war Herzog Chatel heute dort eingetroffen. Was ihn trieb, war keimende Eifersucht. Gleich beim ersten Begegnen empfand er Neid und Argwohn gegen den stattlichen Valfort. Und dann bemerkte er bei Tische Isabella's ungewöhnliche Aufmerksamkeit für den Gast. Während seine Galanteriekünste nicht die mindeste Beachtung fanden, lauschte sie auf jedes Wort des Barons, knüpfte sogar, nach aufgehobenem Mahle, mit demselben eine lange Unterhaltung an. Noch weit mehr, Isabella zeigte Lust, den ernsten jungen Mann der Gesellschaft zu entführen und mit ihm durch die Gartenanlagen zu lustwandeln. Ein berechneter Coup des Herzogs verhinderte zwar die Entführung, – was konnte aber alles noch geschehen? Kurz, Chatel hatte, nach seiner Überzeugung, zur Eifersucht die berechtigtsten Gründe.

»Beinahe hättest Du mich aus den Federn getrieben, obwohl ich heute sehr frühe ausschlüpfte,« sagte Graf Henry. »Wir beide sind in gleichem Falle, – wir haben heute frühe ausgeschlafen, weil wir uns gestern frühe niederlegten. Der Baron aus der Vendee ist zwar ein recht hübscher junger Mann, aber furchtbar langweilig und ohne allen Sinn für nächtliche Gelage. In altfränkischen Umgangsformen erzogen, ist er steif, wortkarg und wägt jede Silbe auf der Goldwage strengster Etiquette. Man wird schläfrig und möchte gähnen, – wenn dies in Gesellschaft eines so feinen Herrn erlaubt wäre.«

Auf den »feinen Herrn« legte Graf Henry eine spöttische Betonung und begleitete die Worte mit einer entsprechenden Geberde.

»Deine Schwester scheint ihn keineswegs langweilig zu finden, – im Gegenteil! Der Baron interessiert sie offenbar mehr, als alten Freunden angenehm sein kann.«

»Sehr natürlich, Herzog, – ganz natürlich!«

»Wirklich? Weshalb natürlich, mein Bester?«

»Weil das Fremde, – das Ungewöhnliche, – das Außerordentliche, kurz – das Neue, Frauen anzieht.«

»Das Ungewöhnliche, – das Außerordentliche?«

»Du hättest nicht bemerkt, daß Valfort in Tracht, Verkehrsweise, Benehmen, Denkungsart und in tausend anderen Dingen, gar nicht nach der Mode, mithin außerordentlich ist?«

»Vielleicht sieht Isabella mit Deinen Augen in Valfort auch einen recht hübschen Mann.«

»Vielleicht? Ich möchte darauf schwören, daß sie mein Urteil unterschreibt,« rief Henry lachend.

Chatel fuhr geärgert vom Sitze.

»Das ist rücksichtslos!« sprach er zürnend.

Henry machte große Augen. Aber seine Verwunderung war nur erkünstelt; denn als sich der Herzog nach dem Fenster wandte, lachte er ihm auf den Rücken.

»Rücksichtslos? Was ist rücksichtslos, mein Freund?«

»Deine Worte!« stieß Chatel hervor.

»Meine Worte? – – Ah, – ich begreife! Sei doch vernünftig, Herzog! Findet Isabella den Baron heute und morgen außerordentlich, so wird sie ihn übermorgen gewöhnlich, vielleicht plump, langweilig, krautjunkerlich finden. Du kennst ja die wetterwendischen Frauen. Hält sie den Baron für hübsch, dann wird sie ohne Zweifel den glänzenden Herzog von Chatel noch weit hübscher finden. Mithin gibt es zur Eifersucht nicht den mindesten Grund. – Betrachtest Du endlich die fanatische Bigotterie des frommen Barons aus der streng gläubigen Vendee, dann wäre es geradezu lächerlich, von einer innigen Beziehung zwischen ihm und der philosophisch denkenden Gräfin Rovere zu träumen.«

»Im Grunde hast Du Recht!« sprach aufatmend Chatel. »Dennoch sei Dir meine Antipathie gegen Valfort gestanden.«

»Darin sympathisieren wir, nämlich in der Antipathie gegen den frommen Betbruder aus der Vendee,« rief lachend Rovere. »Der Mensch ist, wie ein Stück Mittelalter. Er riecht nach Kirchenluft und Weihrauch. Als Parfüm trägt er ein Fläschchen mit Weihwasser bei sich und dazu einen meterlangen Rosenkranz. Er lacht niemals, spricht so ernst, wie ein zurückgebliebener Kapuziner und taucht seine Zunge niemals in fleischliche Süßigkeiten.«

»Kommt er nicht dort geritten?« frug Chatel, durch das Fenster nach dem Schloßwege deutend.

»Er ist's!« bestätigte Henry. »Um fünf Uhr begann er seinen Morgenritt, nüchtern, – ein merkwürdiges Vergnügen! Dennoch, – sieh' nur, – eine stattliche Erscheinung, – man kann es leider nicht leugnen! Wie ritterlich stolz er im Sattel sitzt! Betrachte die starken Formen der hohen Gestalt, – die Kraft der Glieder, – das grimme Mordschwert an der Seite, und Du hast einen echten Bayard, das heißt, einen Menschen, der noch drei Jahrhunderte durchlaufen muß, bis er zur Höhe unserer Bildung gelangte.«

»Und sein eleganter Diener, – gleicht er nicht einem Bauernknecht?« schaltete Chatel ein.

»Wie der Herr, so der Knecht, – selbstverständlich!« bestätigte Henry.

Jean trat ein und meldete Schmied Duval aus Nod.

»Ah, – das gibt wieder einen Spaß und Salz zum Frühstück!« rief Henry von Rovere. »In einer Viertelstunde bringst Du ihn nach dem Herkules.«

Der Kammerdiener ging.

»Um was handelt es sich?« frug Chatel.

»Hast Du Madelon vergessen?«

»Richtig, – richtig, das süperbe Kind! Es bleibt bei unserer Abrede. – Was mag der Vater wollen?«

»Werden's bald hören. – Vorläufig zum Frühstück! Madelon kannst Du als Backfisch am nächsten Fasttage verspeisen,« rief lachend Rovere.

Die würdigen Freunde begaben sich nach dem Herkules, wo ihrer ein reiches Frühmahl harrte. Herkules wurde das Zimmer genannt, weil die Arbeiten jenes Gottes an die Wände gemalt waren.

Graf Henry aß Sardinen mit Butterbrot und trank dazu Madeira. Chatel naschte einige Leckerbissen und spülte sie mit Champagner hinab.

»Der Madeira ist köstlich, aber mein Spaß mit dem Seidenweber Thomas Gilbert war noch köstlicher,« plauderte Henry. »Ich nannte den Lumpen »Herr, mein Herr,« – und brachte den Kerl dermaßen in Verwirrung, daß er das albernste Zeug schwatzte. Der Grobschmied soll sich einer gleichen Behandlung erfreuen. Eben kommt er, – wenigstens höre ich den plumpen Tritt eines Ochsen im Vorzimmer.«

Duval trat ein, blieb an der Türe stehen und machte linkische Verbeugungen. Tuchwams, gelbe Weste und gestreifte Zwillichhosen kleideten ihn. Ein geschliffenes Stück rotes Glas, von einem Messingreif umgeben, hing an seidener Schnur aus der Westentasche hervor, – dieser Schlüssel sollte das Dasein einer Taschenuhr verkünden. Die starken Arme des Mannes fielen schwer von den Schultern herab, und die dicken Hände waren in steter Bewegung, als seien sie in Verlegenheit. Die endlosen Bücklinge des Schmiedes und die Unsicherheit seiner Haltung reizten Rovere's Spottsucht.

»Wollen Sie die Güte haben, mein Herr, und näher treten!« rief er ihm zu.

Duval rückte auf den Fußspitzen vor, bemühte sich zu lächeln und verzerrte das Gesicht zur lächerlichen Grimasse.

»Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches, mein Herr?« frug Rovere.

»Ich bin der Grobschmied Duval aus Nod, Eurer Gnaden getreuester Untertan. Hierher führte mich meine Tochter Madelon.«

»Ihre Tochter hätte Sie hierher geführt, mein Herr? Sie leiden an Podagra?«

Ein scharfer Blick aus Duval's kleinen Augen schoß auf den Grafen, und in seinen verschmitzt lächelnden Zügen stand geschrieben: »Guck, der Junge will mich zum Narren haben, wie den Seidenweber Thomas Gilbert!« Henry's Augen waren jedoch viel zu blöde, um die Schrift in Duval's Mienenspiel lesen zu können.

»Wollte nur bemerken, Eure Gnaden,« sagte untertänig der Schmied, »daß mich die Angelegenheit meiner Tochter heraufführt. Nun, – Sie wissen ja, gnädigster Herr Graf!« – und es gelang dem Verschmitzten, die letzten Worte mit vollendet dummdreister Miene zu begleiten.

»Ich weiß, daß Herr Duval von Nod das schönste Mädchen seine Tochter nennt, und daß ich mir erlaubte, dieses hübsche Mädchen für meine Dienste zu wünschen, – das heißt, wenn Herr Vater Duval meinen Wunsch zu genehmigen geruht.«

»Madelon ist die Braut des Seidenwebers Thomas Gilbert aus Limoges,« erwiderte Duval.

»Ich hatte bereits die Ehre, jenen Herrn kennen zu lernen, und ihm bei dieser Gelegenheit meine Glückwünsche für seine geschmackvolle Wahl auszusprechen. Die Gnade und Gewogenheit des Herrn Vaters möge entscheiden, ob Madelon's Schönheit im Schlosse Rovere, oder in Limoges glänzen darf.«

»Dann geht meine Tochter nach Limoges,« sagte kurz der Schmied.

»Wirklich, Herr Duval? Sie handeln sehr ungnädig an Ihrem Grundherrn.«

»Aber väterlich an meiner Tochter und klug an mir.«

»Wollen Sie die Güte haben, die lakonischen Aussprüche Ihrer Weisheit zu erklären?«

»Stets zu Diensten, Eure Gnaden! Hier die Erklärung! Verschaffe ich meiner Tochter einen Mann, der sie ernähren kann, so ist dies väterliche Fürsorge. Verhüte ich, daß meiner Tochter Ehre in üblen Geruch kommt und in der Leute böse Mäuler, so ist dies Klugheit gegen mich; denn vom Kinde bleibt am Vater immer etwas hängen.«

»Höchst weise und verständig, Herr Duval! Demnach glauben Sie, Madelon's Aufenthalt im Schlosse Rovere sei deren Ehre gefährlich?«

»Die böse Welt wird es glauben, und gern glauben, Eure Gnaden! Die Welt wäre ja nicht böse, wenn sie keinen Wohlgefallen hätte am Glauben des Bösen.«

»Ein salomonischer Ausspruch! – Meine Wenigkeit ist jedoch der Ansicht, ein Mann, von Ihrer Weisheit und Bildung, könnte sich über das Urteil der bösen Welt hinwegsetzen,« spöttelte Henry.

»Allerdings, – da haben Eure Gnaden vollkommen Recht! Wer den Rousseau gelesen und den Voltaire, wer sich als Philosoph über die dummen religiösen Bedenken der Fanatiker turmhoch erhebt, den plagen wenig die üblen Nachreden der Bigotten.«

Die Edelleute sahen sich einander verwundert an und betrachteten erstaunt den Grobschmied.

»Sie, – ein Philosoph? Sie ein Gesinnungsgenosse Voltaire's und Rousseau's?« rief Henry, im höchsten Grade überrascht.

»Warum nicht, Eure Gnaden? Rousseau's Emil findet man in jedem Hause durch ganz Frankreich, – die wenigen bigotten Familien natürlich ausgenommen.« Stark, S. 242.

Mit sichtlichem Unbehagen vernahm Rovere die Kunde; denn gefährlich dünkte ihm Freigeisterei im Besitze der Massen.

»Kämen Eure Gnaden mit dem Volke in Berührung, Sie wüßten dies längst,« fuhr Duval fort. »Als Philosoph, der alle religiösen Skrupel verlacht, nehme ich keinen Anstoß daran, wenn Ihnen Madelon gefällt. Meinethalben kann sie in Ihre Dienste treten, – umsonst werden ja die gnädigen Herren keine Dienste verlangen, – natürlich!« fügte er mit einem pfiffigen Augenzwinkern bei. »Allein ich habe ein sehr bigottes Weib, auch einige Feinde, – wer hat sie nicht? Dazu einen alten Frömmler zum Pfarrer. Diese wichtigen Leute werden alle zusammen einen großen Lärm machen. Deshalb möchte ich Eure Gnaden bitten, der Sache einen vernünftigen Anstrich zu geben.«

Des Grafen höhnische Laune war völlig verschwunden. Einen Gesinnungsgenossen des religiösen Unglaubens und philosophischer Bildung in einem Grobschmied zu entdecken, dünkte ihm erniedrigend. Den Herzog quälte diese Empfindlichkeit nicht. Ihn freute Duval's Willfährigkeit.

»Was verstehen Sie unter vernünftigem Anstrich?« frug er.

»Vernünftig kommt her von Vernunft, Eure Gnaden!« antwortete mit gelehrter Miene der Schmied und Philosoph Duval. »Vernunft aber ist das Höchste, das Beste, was es geben kann; denn Vernunft hat ja, wie der große Voltaire sagt, den Thron der Gottheit eingenommen. Vernunft ist der einzige, wirkliche Gott. Anstrich kommt her von anstreichen. Anstreichen heißt aber, irgend einer Sache eine Farbe geben. Und das Färben ist von der größten Wichtigkeit. Häßlich gefärbt, stößt eine Sache ab; angenehm gefärbt, zieht dieselbe an. Darum färbt ein Mädchen seine Wangen nicht mit Leichenfarbe, – das würde abstoßen, sondern mit frischer Lebensfarbe, das zieht an. Ebenso färbt man seine Handlungsweisen. Wer einen schlimmen Streich im Schilde führt, der färbt sich nicht als Spitzbube, das heißt, er tritt nicht auf, wie ein grober, gewalttätiger Lümmel, sondern er färbt sich weiß, nämlich er stellt sich freundlich, liebevoll, zutunlich, – wie etwa ich, den gnädigsten Herren gegenüber. Wenn ich nun sage, man muß der Sache einen vernünftigen Anstrich geben, so meine ich, man solle Madelon in der schicklichsten, anständigsten und gesetzlichsten Form hierher bringen. Gesetzlichkeit deckt ja alles zu. Diebstähle, Betrügereien, Mordtaten, – alles geht an, wenn's nur geschieht auf gesetzlichem Wege. Kommt also Madelon gesetzlich hierher, so kann niemand dem gnädigen Grafen einen Vorwurf machen; denn er hat ja ein gesetzliches Recht über seine Untertanen und hörigen Knechte. Auch mir kann niemand einen Vorwurf machen; denn ich bin schuldig, den Befehlen der Obrigkeit zu gehorchen.«

»Ein Meer von Brühe über einen kleinen Bissen, – das hätten Sie alles mit zwei Worten sagen können!« rief Chatel.

»Um Vergebung, Eure Gnaden! Zu viel Brühe schadet niemals, wenn hierdurch eine dunkle Sache klar und verständlich wird.«

»Der Mann hat Recht!« sagte Henry, dessen Laune bei Duval's Erklärung wiederkehrte. »Der Herr Grobschmied ist augenscheinlich ein geborener Philosoph; denn er geht jedem Ding auf den Grund. Vernünftig ist göttlich und Anstrich ist Gesetzlichkeit, – das mußte doch bewiesen werden. Und Herr Philosoph Duval hat dies in einer Weise getan, um die ihn Voltaire, Rousseau, Helvetius und alle Philosophen beneiden können. – – Wollen Sie nun die Güte haben, die Farbe, den Anstrich des gesetzlichen Weges anzugeben, auf dem Madelon hieher wandelt.«

»Sehr einfach, Eure Gnaden! Sie haben meine Tochter zu Ihren Diensten gefordert. Schmied Duval ist aber widerspenstig, ungehorsam und seine Tochter ebenso. Daher bleibt dem gnädigen Herrn nichts übrig, als einen Gendarm zu schicken, und Madelon durch dieses gesetzliche Mittel an Ort und Stelle zu bringen.«

»Famos!« rief Chatel.

»Mein Herr, Ihnen gebührt das philosophische Doktordiplom!« spöttelte Henry.

»Doktor bin ich längst, Eure Gnaden! Ich lasse Stieren und Ochsen mit bestem Erfolg zur Ader, – hab' dies auch heute wieder getan.«

Die Kavaliere lachten, ohne den versteckten Sinn der Worte zu ahnen.

»Eurer Gnaden Wohlgeneigtheit macht mich dreist genug,« fuhr Duval fort, »zugleich den Weg anzugeben, auf dem Madelon in die richtige Schmiede gelangt. Denn auch dies letzte muß einen vernünftigen Anstrich haben.«

»In die richtige Schmiede? Was ist das?« frug der Herzog.

»Das ist Chatel, Eurer Gnaden stolzes Schloß.«

»Chatel eine – Schmiede? Wie kommen Sie auf einen so tollen Einfall?« rief der Herzog.

»Herr Duval hat wieder Recht,« sagte Graf Henry. »Chatel ist eine Schmiede, der Herzog ein Schmied und Herr Duval befindet sich unter Standesgenossen.«

»So nicht, gnädigster Graf! Die rechte Schmiede nennen wir gemeinen Leute jenen Ort, wohin eine Sache, eine Person gehört. Da ich nun aus Madelon's Erzählung merkte, wem sie eigentlich gefalle, wer sie eigentlich in Dienst nehmen möchte, so ist Schloß Chatel für Madelon die richtige Schmiede.«

»Mein Schloß eine Schmiede, – es mag gelten! Und der vernünftige Anstrich für Madelon's Weg nach Chatel?«

»Wieder sehr einfach, Eure Gnaden! Der gnädigste Graf schickt Madelon mit einer Kleinigkeit nach Chatel, so oft der Herr Herzog Madelon's Dienste wünscht.«

»In der Tat ausgezeichnet unverfänglich!« rühmte Chatel.

»Da wir jedoch zu ihren Dienstleistungen nicht verpflichtet sind, gnädigster Herzog, so werden Sie diesen Mißstand zwischen uns und Ihrer Ehre herzoglich ausgleichen.«

»Was wollen Sie damit sagen?« frug Chatel.

»Allerdings etwas dunkel, – ganz die Ausdrucksweise echter Philosophen!« sagte Rovere. »Der gelehrte Mann meint, Ehrensache sei es für den durchlauchtigen Herzog große Dienste, die man ihm nicht schuldet, blank und fürstlich zu bezahlen.«

Der Schmied nickte beifällig mit dem Kopfe.

»Das versteht sich von selbst!« sagte Chatel. »Ich verlange von der hübschen Madelon keine christlichen Liebesdienste, das heißt, keine Dienste umsonst. Kommen Sie nach Chatel und stellen Sie Ihre Forderungen.«

»Ich werde nicht fehlen, gnädigster Herzog!«

»Eine ganz überflüssige Versicherung! Philosophen sind immer unfehlbar, namentlich in materiellen Forschungen,« spöttelte Rovere.

»Sind wir ganz im Reinen, Eure Gnaden?« frug Duval bescheiden.

»Jawohl, mein Herr!« antwortete Graf Henry. »Die Frage ist zu Ehren der Philosophie gründlich nach allen Seiten gelöst.«

Unter steten Bücklingen begann der Schmied seinen Rückzug nach der Türe. Kaum schloß sich dieselbe hinter ihm, als ein schallendes Gelächter der Edelleute ihn durch den Gang geleitete.

»Lacht nur, dumme Jungen!« brummte der Schmied. »Eine Brühe hab' ich euch angerührt, – verschluckt sie, – Gift ist darin! Ja, Gift und Dolch allen kleinen und großen Tyrannen!«


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