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Elisabeth hatte ihm auf seinen Brief nicht geantwortet. Dies war nicht etwa der Grund von Heinrich Bremers Verstimmung, bewahre! Er hatte ja gar nicht erwartet, daß sie ihm antworten würde – hätte sie einen Briefwechsel mit ihm begonnen, würde er ihn sehr lästig gefunden haben. Er hatte keine Zeit für solche Dinge. Er hatte nicht einmal mehr genug Zeit, mit den andern Herren abends auf der »Hohen Heide« einen Abend zu verbringen; kaum Zeit, einmal ins Pfarrhaus zu gehen. Oder fand er vielleicht die Zeit nur nicht? Er saß des Abends oft noch spät allein im Büro, las die Zeitungen, die da herumlagen. Sah auch wohl die illustrierten Blätter ein. Suchte nach einem Namen, nach einem Gesicht und fand beides nicht. Versuchte auch gelegentlich, sich selbst Elisabeth vorzustellen – fand sie aber auch nicht in seiner Erinnerung. Das halbe Kind, das er während des Krieges gekannt hatte, das war inzwischen vergangen. Die Frau, die er in Hamburg traf – ja, vergebens schloß er die Augen, er sah immer nur Einzelheiten. Sah das lange schwarz-weiße Tuch, das hinter ihr drein durch die Halle schleppte; sah auch die Orchideen, die sie in der Hand gehalten, und an die sich ihm eine leise eifersüchtige Regung knüpfte; sah auch ihren fragenden Blick: was willst du? Sie selbst konnte er nicht wiederfinden.
Dann aber, mitten am Tage, mitten in aller Arbeit, wenn er auch nicht einen halben Gedanken an sie wenden konnte, dann plötzlich war sie da, war ihm so nah, daß er wieder, wie an jenem Tage auf der Spundwand, sich umblickte, ob sie etwa hinter ihm stände. Mitten im Getöse der kreischenden Bagger und jaulenden Spüler, der stoßenden Rammen; mitten im Rauch und Staub, der wie eine schmutzige Wolke jetzt oft auf der blanken Wasserfläche lag – so stille Tage gab es nun; mitten zwischen den wimmelnden Arbeitermassen, wenn er alle Dinge im Kopf haben mußte, die Schachtmeister und Bauführer, Werkführer, Maschinenmeister und Techniker im Augenblick etwa von ihm wissen wollten, dann spürte er plötzlich die leichte Berührung ihrer Hand, fühlte ihren zärtlichen Körper in seinen Armen und küßte ihre Lippen, die er an jenem Abend – nicht geküßt hatte. Dann war ihm der Reiz der Arbeit verflogen, dann war ihm dies, was er hier schaffte, nur ein Ding, wie ohne Leben. So vergingen ihm Frühling und Sommer.
Bis er eines Tages dachte:
»Wenn ich ihr dies doch zeigen könnte!«
Ging heim und schrieb einen zweiten Brief:
»... mich freut mein Werk nicht mehr, wenn ich es Dir nicht zeigen kann. Weshalb antwortest Du nicht auf den Brief, darin ich Dir von Martins Tod berichtete? In Hamburg mußt Du doch gemerkt haben, daß ich Dich jetzt brauche. Wenn meine Arbeit mich nicht festhielte, würde ich zu Dir kommen. Wärest Du nicht jeder ›Kriegstrauung‹ abgeneigt, ich bäte Dich: komm Du zu mir! Ich weiß nicht, worum ich Dich jetzt bitten darf ...«
Doch eine Woche um die andere verging, und auch auf diesen Brief bekam Heinrich Bremer keine Antwort.