Georg Bötticher
Alfanzereien
Georg Bötticher

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Der Überhund.

                Pitscherl galt in Hundekreisen
Allgemein für einen Weisen.
Als ein solcher, der modern,
Lag ihm jeder Skrupel fern.
Ohne Nietzsche je zu lesen,
Stand er jenseits Gut- und Bösen,
Sein Gewissen war sehr weit
Und sein Wahlspruch allezeit:
Seine Eigenart bethät'gen
Respektive: Fleischer schäd'gen.
Einz'ge Pflicht auf dieser Erden
Schien ihm: möglichst satt zu werden. –
Schlimm nur, daß der Metzger Schar
Hierin andrer Ansicht war.
Einst, da er im Schlächterladen
An ein Schinkenbein geraten,
Da vernahm er, schnaufend, plötzlich
Eine Stimme ganz entsetzlich:
»Beinah vierdreiviertel Pfund –
Warte, Himmelhöllenhund!«
Und im Nu war er gepackt
Und – der Schwanz ihm abgehackt!
O mein Gott, wie Pitscherl schrie!
Und verwunden – hat er's nie. –
Als der erste Schmerz vorbei,
Zog er mit Kollegen drei
Hin zu einer feuchten Ecke,
Setzte sich am besten Flecke
Auf die Hinterbeine sachte
(Was sich jetzt so anders machte!),
Strich nach Philosophenart
Mehrmals Schnauz- und Knebelbart
Und begann nach diesem so:
»Ach, was sind die Menschen roh
Und voll Ungerechtigkeit
Und vom Ideal noch weit!
Also um ein Schinkenbein,
Um ein lump'ges Häppchen Schwein
Rauben sie uns unsern Sterz!
Klingt's nicht wie ein schlechter Scherz?
Dort: erbärmliche fünf Pfunde,
Hier: das Edelste vom Hunde!
Dort: ein jämmerlicher Knochen,
Hier: worauf wir Hunde pochen,
Unser Schmuck und unsre Zier!
Dort: ein Stückchen totes Tier,
Hier: ein höchst lebend'ges Glied!
Freunde, welch ein Unterschied!
Wahrlich, teuere Gefährten,
Diese Werte umzuwerten
Ist es Zeit, ist's hohe Zeit!
Und – ich bin dazu bereit.« –
Pitscherl sprach's. Und es geschah
Und der »Überhund« war da!

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