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Markgraf Dietrich in Venedig.

Dieser Markgraf der Lausitz war ein Sohn Konrads von Wettin. Wäre selbst die besungene That nur von Chronisten ersonnen, so muß er doch als heroischer Fürst gelten, wie er ja Herzog Heinrich den Löwen, als dieser ihm sein Land verwüstete, zum Zweikampf heraus forderte.

(1177)

Kaiser Friedrich Barbarossa
Schritt verdüstert auf Venedig's
Marcusplatz, den Bart sich streichend;
Langsam schritt er, leise murmelnd.
Neben ihm in ernstem Schweigen,
Oft das Haupt bedenklich schüttelnd,
Markgraf Dietrich, der erlauchte
Sprößling jenes großen Konrad
Vom Geschlechte der Wettiner.

Dumpf erscholl das Glockenläuten
Von dem Dome zu Sanct Marcus,
Als der Papst im Festornate,
In dem Kreis der Kardinäle
Stolz betrat der Kirche Stufen.

Kaum gewahrt der Kaiser Friedrich,
Der für freies Deutschthum kämpfte,
Priestermacht zu stürzen wagte,
Seinen überlegnen Gegner,
Dessen Bannstrahl ihn getroffen,
Dessen Heerkraft bei Legnano
Jetzt zum Frieden ihn bewogen,
Reuvoll sich ihm auszusöhnen:
Als die Stufen er hinaufeilt,
Niederfällt vor Alexander,
Und den Fuß ihm küßt in Demuth.

Stolzverächtlich, trotzig schweigsam
Sieht's der Papst und läßt gewährend
Den gebeugten Hohenstaufen
In dem Staube vor sich liegen,
Hebt den Fuß mit kalter Ruhe,
Setzt ihn auf des Kaisers Nacken
Und beginnt gemessnen Tones
Mit den Worten des Psalmisten:
»Ja, auf Ottern wirst du gehen,
Treten wirst du auf die Löwen,
Auf die wilde Brut der Drachen!«

Markgraf Dietrich hört die Rede,
Gleich als schnitten grimme Dolche
Durch das Herz bei jedem Laute,
Wüthend rollt sein dunkles Auge,
Starrt wie sinnlos auf den Papst hin –
Seine Rechte zuckt am Schwerte
Und sein Mund schreit ungebändigt:
»Papst! du wagst des Kaisers Hoheit,
Wagst den Stolz des deutschen Adlers
Also schmachvoll zu beflecken« –

Alexander fühlt die Blicke,
Sieht den unerschrocknen Sachsen –
Bleich verstummt der heil'ge Vater,
Hebt den Kaiser auf vom Boden,
Drückt und schließt ihn in die Arme,
Küßt ihn mit geweihtem Mund.



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