Björnstjerne Björnson
Gedichte
Björnstjerne Björnson

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Die reine Norwegische Flagge

I

Dreifarbig reines Panier,
Norwegens schwer errungne Zier!
Tors Eisenhammer hält
Im Bann das christlich weiße Feld.
Und unser Herzensblut
Strömt hin als rote Flut.

Hoch über der Erdenschwere
Du jubelst, in Sehnsucht, zum Meere;
Der Freiheit Lenzkraft gewähre
Dir Kraft, uns zu speisen Seele und Mund
Fahr hin übers Erdenrund!

II

»Die reine Flagge ist Torheit«,
So raunen die »Weisen« allhier.
Nein, Poesie ist die Flagge,
Und die Toren, ihr Guten, seid ihr.
Es schwingt in der Poesie sich
Der Volksgeist himmelan,
Als Führer geht die Fahne
Ihm unsichtbar lenkend voran.
Und was er erkämpft und errungen,
Und was ihn an Sorgen bewegt,
Das tönt jetzt in ewigen Liedern,
Die Flagge den Takt dazu schlägt.
Wir halten sie hoch, umbrauset
Von Sehnsucht, meersturmgleich,
Von vollen Erinnerungschören,
Von Worten, so flüsternd weich.
Sie kann nicht schwedisch plappern,
Wie ein zierlicher Schwadroneur,
Sie kann sich nicht sperren und spreizen,
Drum weg mit der fremden Couleur.

III

Die Sünden, die wir begangen,
Die gab's in der Flagge nicht,
Denn die Flagge das Ideal ist
In ewig harmonischem Licht.
Die besten Taten der Vorzeit,
Der Gegenwart bestes Gebet
Umhüllt sie und trägt sie weiter,
Daß vom Vater zum Sohn es geht.
Trägt es rein und ehrlich
Und nicht mit Versuchers List,
Denn unserem jungen Willen
Sie Führer und Schirmer ist.

IV

»Den Brautring nehmt nicht aus der Flagge«,
So rufen sie allerwärts,
Doch Norge hat nimmer versprochen
Einer andern Braut sein Herz.
Es teilt mit keinem sein Wohnhaus,
Sein Bett, seinen Tisch, seine Ehr',
Sein Bräutigam ist sein Willen,
Selbst herrscht es auf Feld und Meer.

    Es ehrt unser Bruder im Osten
Die Kraft, die nach Freiheit ringt,
Er weiß, daß sie alleine
Uns Ruhmeskränze erzwingt.
Er weiß, warum unsrer Flagge
Der Pomp seiner Farben nicht steht:
Weil unsre eigene Ehre
Uns über die seine geht.
Und niemand, der Ehre im Leib hat,
Nennt andre Freundschaft ein Glück.
Wir opfern ihm gern unser Leben,
Doch von unsrer Flagge kein Stück.

V

An Schweden

        Voll Ehrerbietung ich nahe, –
        Ich weiß, du trägst hohen Sinn, –
        Und lege in schlichten Worten
        Vor dich meine Sache hin.

Wärst du der Kleinere, Schweden,
Und jüngst erst durch Freiheit beglückt,
Und trüg' deine Flagge ein Zeichen,
Das dich tiefer und tiefer drückt,
Und behauptete, du seist der Kleine,
An des Größeren Tisch gesetzt,
(Denn also deuten die Völker
Dies Flaggenzeichen jetzt) –
Und wäre deine Freiheit
Nicht alt, – nein – wie unsre jung,
Und hundertjährige Ohnmacht
In deine Erinnerung
Mit frischen Furchen gegraben
Von altem Unrecht und Blut,
Von ziellosen Sehnsuchtsklagen,
– Ja wüßtest du, wie das tut,
Und solltest dein Volk erziehen
Zu neuer Freiheit Ehr',
Zu neuen Freiheitsgedanken,
Und die Flagge dein Dolmetsch wär',
Ob du dir wohl ließest rauben
Aus der Flagge das eine Feld?
Ob du wohl ertrügst das Zeichen,
Das die Freiheit dir vorenthält?
Ob du dir nicht selber sagtest:
»Je älter des ändern Rang,
Je größer der Ruhm seiner Farben,
Um so lockender ist sein Sang.
Versuche nicht den, der gefallen
Und der jüngst sich erst wieder befreit.
Mit reinen Zeichen deute.
Empor zur Unsterblichkeit.«

So sprächest du, alter Recke,
Wenn du wohntest in unserm Land,
Denn dir sind die Pfade der Ehre
Von altersher wohlbekannt.
Seit achtzehnhundertvierzehn
Und bis auf den heutigen Tag,
So oft unsre Freiheitssehnsucht
Qualvoll in Fesseln lag.
Gab es Männer in deiner Mitte,
Die trotz deiner Halsstarrigkeit
Für unsere Sache sprachen,
Wie Torgny in alter Zeit.

VI

Antwort an den alten Ridderstad

Im Kampf um die reine Flagge
Schwatzt du von »Ritterpflicht«?
Mein Bester, ich achte dich höchlich,
Doch wisse, die schert dich nicht.
Denn grade weil uns Verleumdung
Bewirft mit Ruß und Dreck,
Ist's »Ritterpflicht«, aus unsrer Flagge
Zu wischen den Anfechtungsfleck.
Die Gleichheit, die dieser predigt,
Die lügt er mit frechem Gesicht;
Ein großskandinavisches Schweden,
Das nämlich mögen wir nicht.
Nein, »Ritterpflicht« ist's für den Kleinen,
Zu sagen: »ich bin kein Teil,
Ich will das Selbständigkeitszeichen
Ganz haben zu eignem Heil.«
Und »Ritterpflicht« ist's für den Großen,
Zu sagen: »der falsche Schein
Gereicht mir ja doch nicht zur Ehre,
Der soll meine Waffe nicht sein.«
Und »Ritterpflicht« ist's für beide,
In streitender Völker Gemisch,
Zu sein mit gereinigtem Banner
Ein Beispiel, stolz, wacker und frisch.


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