Richard Arnold Bermann
Die Derwischtrommel
Richard Arnold Bermann

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Die Kanzel

Am letzten Tag des Monats Schabân (es ist ein Freitag, also der Tag der Gebetsversammlung) umlagert sehr früh eine große Menge der Gläubigen den Moscheeplatz von Omdurman. Morgen beginnt der Monat Ramadan, in dem der Koran zur Erde gesandt worden ist: der Fastenmonat des Islams. Man erwartet an diesem Freitag vor dem Beginn der Fasten eine große Predigt des Mahdi. Vielleicht kündigt er die großen Dinge an, auf die man wartet, den neuen Feldzug gegen Ägypten und das Ende der Blattern und aller Nöte, unter denen die Gläubigen leiden. – – Man wird ihn jedenfalls sehen, vielleicht kann man sein Gewand berühren!

*

Die zuerst Gekommenen umdrängen das Tor, das zu dem Gebetplatz führt; man hat dort ein Blatt Papier angeschlagen gefunden, und irgendein Schriftgelehrter, ein Fikih, liest den Aufruf des Mahdi an seine Gemeinde vor. Da steht:

»Im Namen Gottes, des Erbarmers. Der Diener des Herrn, Mohammed der Mahdi, sagt: der kommende Monat ist der Ramadan. Dies ist die Zeit, um nahe zu Gott zu kommen. Weihet Gott diesen ganzen Monat und gewöhnt Euch an Enthaltsamkeit und Beschwerden. Beschwerden und Sorgen kommen zu uns durch den Willen Gottes, so daß unser Glaube und unsere Geduld erprobt werden können. – Gott ist gut ohne Ende, und wenn wir ihm ganz vertrauen, erreicht uns kein Übel! – –

»So klaget nicht, was Euch auch immer geschehen mag. Seid geduldig auch in der strengsten Betrübnis.

»Es gibt keinen Gott als nur Gott, und alle Macht ist bei ihm. Dessen seiet gewiß, meine Brüder. An ihn wendet euch, sprechet zu ihm von Eurer Not, wir alle sind seine Diener.

»Mich aber sollt Ihr in diesem Monat nicht stören, um Eure Sorgen vor mich zu bringen. Laßt mich den Ramadan-Monat völlig dem Ewigen weihen, dem Gebet, der Meditation.

»So einer von Euch der Geduld entbehrt, möge er seinen Fall meinen Khalifen und Dienern melden oder dem Richter. – –«

*

Während vor dem Moscheeplatz die ersten Frommen sich sammeln und ehrfurchtsvoll diesen Aufruf vernehmen, liegt der Mahdi erst halbwach in seinem Hause. Die Wohnhütte, wo er sich meistens aufhält, ist geräumig; sie ist aus Brettern erbaut und mit Teppichen ausgekleidet.

Der Mahdi liegt, fett, verquollen, ungeheuer, auf einem schönen Ruhebett, das aus Yemen stammt; unter dem Kopf hat er ein Kissen aus Goldbrokat. Hier im Innern des Hauses trägt der Mahdi nicht die grobe Derwisch-Dschubba, sondern weiße Gewebe von seidiger Weichheit und auf dem Kopf ein gesticktes, seidenes Käppchen. So liegt er zwischen Wachen und Schlaf, vielleicht war das Frühmahl zu reichlich.

Wie er so daliegt, ein Koloß, ist alles an ihm ganz unbeweglich, nur nicht die Augen, die schon wach sind und sehen können. Der Blick des Mahdi folgt seiner Hauptfrau Aïscha, oder der schwarzen Amina, Tochter des Abu Bekr el-Dscherkûk. Aïscha, die man »die Mutter der Gläubigen« nennt, ist seine Base, die Tochter des Achmed Scharfî; sie hat unter seinen Frauen den obersten Rang und steht vielleicht dem Mahdi wirklich am nächsten. Die andere ist jene Nebenfrau, deren Vater und Gatte bei dem Gemetzel nach Gordons Tode gefallen sind und die jetzt im Harem des Mahdi lebt: ein prachtvolles dunkles Geschöpf. In diesem Augenblick ist sie vom Mahdi begünstigt.

Außer den beiden, die stets um den Mahdi sind, kommen unter dem Vorwand, kleine Dienste zu leisten, noch andere Weiber leise ins Zimmer geschlichen.

Einige haben das Amt, mit Straußfederwedeln hinter dem Lager zu stehen und die Fliegen zu scheuchen, andere wieder sind im Massieren geübt und kneten dem ruhenden Mahdi sachte die Füße.

Diese Weiber des Harems sind weiß oder braun oder schwarz und von vielen Stämmen. Es gibt kupferfarbene abessinische Christenmädchen darunter und Dinkanegerinnen, so dunkel wie Ebenholz. Ihre Gewänder bezeichnen den Grad der Gunst, die diese Frauen genießen, sie sind aus Wolle mit bunten Rändern, oder mit Seide durchwirkt, oder aus ägyptischem Schalstoff. Da das Gesetz der Mahdîjja Goldschmuck und silbernen Zierat verbietet, tragen die Frauen nur Perlmutterknöpfe, Korallen und Onyx als Schmuck. Ihre Haare sind kunstvoll geflochten und riechen seltsam.

Jetzt tritt Aïscha, die »Mutter der Gläubigen«, an das Ruhelager des Mahdi. Aïscha (sie trägt den gleichen Namen wie die Lieblingsfrau des Propheten Mohammed!) ist nicht mehr jung und fast so fett wie der Mahdi selber, den sie mit Zärtlichkeit liebt. Sie beugt sich über sein Lager, küßt ihn auf Stirn und Nacken.

Er lächelt; und seine Augen suchen Amina.

*

Während der Mahdi noch daliegt und ausruht, hört man von außen her schon das Gemurmel des Volkes. Die Menge auf dem Moscheeplatz ist nun schon dichter geworden, und Hunderte von den Ansar von höherem Range, die Kampfgefährten von Abba und Gadîr, umringen die Dornenhecke, die das Hüttengehöft des Mahdi umgibt: es ist ihre Gewohnheit und eine Art Vorrecht, an solchen Tagen sich einen besonderen Segen zu holen. – Mehrmals kommen schwarze Eunuchen von draußen herein und flüstern mit Frau Aïscha: die Menge werde schon ungeduldig.

Aber die dicke »Mutter der Gläubigen« sagt, nach einem Blick auf den ruhenden Herrn: Der Mahdi ist noch tief in seiner Meditation und kann noch nicht kommen. Aber er sendet den Ansar seinen heiligen Segen!

Die Eunuchen gehen mit einem tiefen Salaam hinaus. Vielleicht grinsen sie innerlich. Wie die Menge die Boten des Mahdi sieht, wird sie ganz stumm vor Verehrung, und der Obereunuch spricht feierlich eine Formel des Segensgrußes. Die vor der Dornenhecke Versammelten kehren nun, tief beglückt, auf den Moscheeplatz zurück. Aus der dort wartenden Menge strecken sich ihnen gierige Hände entgegen: es ist gut, zu berühren, wen der Mahdi gesegnet hat, heilige Kräfte gehen von ihm aus. – –

*

Nun ist es bald Zeit für das Mittagsgebet; aber die seltsame Trägheit des Mahdi ist noch nicht überwunden. Er ist wieder eingeschlafen; Aïscha muß ihn erst wecken. Nun strömen von allen Seiten die Weiber des Harems herein, um ihm beim Waschen und Anziehen zu helfen. Vier Frauen bringen die Wassergefäße und tragen sie dann wieder fort; mit der größten Sorgfalt geben sie acht, daß nach dem Waschen von dem schmutzigen Wasser auch kein Tropfen verlorengehe. Dieses Waschwasser ist sehr heilig und heilsam; es wird aus dem Harem an Kranke verkauft, die gesund werden können, wenn sie es trinken.

Ebenso verkaufen die Haremseunuchen Säckchen voll Erde: man gräbt an Stellen, auf die der Mahdi getreten ist, nachher den Boden auf. – Auch wenn der Mahdi im Zimmer geht, er geht etwas schwer in den letzten Wochen, – stürzen die Weiber hinter ihm her und küssen den Fleck, den er eben berührt hat.

Man bringt die Kleider des Mahdi: die roten Schuhe, die mit Flicken besetzte Dschubba aus rauhem Fries und das schneeweiße Turbantuch. Während der Turban kunstreich gewickelt wird, plaudert der Mahdi mit dem kleinen Buschra, demjenigen seiner Kinder, das ihm am liebsten ist. Der Knabe, sehr lebhaft und etwas stolz, hat die großen Augen des Vaters. Er erhält einen kleinen Verweis wegen eines goldenen Ringes, den ihm jemand geschenkt hat und den er am Finger trägt. – »O mein Sohn«, sagt der Mahdi, »nur der Turk trägt goldenen Schmuck, denn sie lieben das Irdische.« – Aber der Mahdi lächelt, wie er das sagt. Der Knabe, er mag zehn Jahre alt sein, läuft mit dem Ring davon.

Vor der Seriba tritt unterdessen die bewaffnete Garde des Mahdi an, um ihn zur Moschee zu begleiten und vor der Verzückung des wartenden Volkes zu schützen.

*

Die Mahdîjja verschmäht die prunkvollen Bauten, in denen die Türken zu Allah beten. Die Moschee des Mahdi in Omdurman ist nichts als ein riesiger offener Platz, ihn umgibt eine Mauer aus Lehm, und auf kunstlosen hölzernen Pfeilern ruht eine Art Schattendach aus getrocknetem Palmlaub. Die Gebetnische, in der Richtung auf Mekka, ist aus Eisenplatten errichtet, die man im Arsenal von Khartum gefunden hat. In dieser Nische spricht der Mahdi, als der Imâm der Versammlung der Gläubigen, die Gebete vor; er ist hier von allen Seiten zu sehen. Wenn er predigen will, verläßt er die Gebetnische (Mihrab genannt) und besteigt den Mimbar, das ist die Kanzel, genau in der Mitte des großen Platzes. Die Kanzel ist nur eine einfache hölzerne Plattform, zu der man auf wenigen Stufen hinauf gelangt. Aber von hier aus blickt der Mahdi auf die ganze Gemeinde nieder, und abermals können ihn alle sehen.

*

Der Mahdi, von seiner bewaffneten Garde umgeben, gelangt an das Westtor des großen Platzes. Er tritt ein und betritt die heilige Nische. Draußen haben die Lanzenträger Mühe gehabt, den Zudrang der Menge mit Gewalt zu verhindern. Aber wie der Mahdi den Gebetsplatz betreten hat, entsteht ganz von selbst die Ruhe, die strenge Ordnung des Gottesdienstes. Der Platz eines jeden ist vorher bestimmt, seinem Range entsprechend. Die Khalifen, Emire, die Aschraf sitzen hinter dem Mahdi. Die große Menge, zu Tausenden, hockt in zehn endlosen Reihen auf dem mit Matten belegten Boden, jeder hat seine Schuhe und seine Waffen vor sich, so bezeichnen sie seinen genauen Platz, den zu beachten sehr wichtig ist. An dieser Stelle wird das Haupt des Beters den Boden berühren.

An diesem Freitag ist der Moscheeplatz noch voller als sonst. Das große Geviert ist ganz hell von weißen Gewändern. Auf einem besonderen Platz, so daß man sie zählen kann, stehen die »Mussalamieh«, das sind die Neubekehrten, die früher Christen gewesen sind. Rudolf Slatin ist nicht in dieser Gruppe; er liegt zwar jetzt nicht mehr in Kettenhaft, aber als Leibwächter des Khalifen Abdullahi hat er seinen Platz neben seinem Herrn.

Jetzt ist es ganz stille. Jetzt geht es durch die weißgekleidete schweigende Masse wie ein Wind durch ein weißes Mohnfeld. Ein jeder hat die vorgeschriebene Bewegung vollführt, hat an sein Ohr gegriffen, um es symbolisch vor der Welt zu verschließen, hat hörbar gemurmelt:

»Diesem Imâm will ich es nachtun und sagen, was er da sagt!«

Sie sitzen, streng aufgerichtet, auf ihren gekreuzten Schenkeln, das Gesicht zu der Nische gewendet, die nach Mekka weist. Jetzt ist es wieder ganz still; und auf einmal hört man die Stimme des Mahdi, die die Gebete zu sprechen beginnt. Es ist eine berauschende Stimme, es ist ganz die Flammenstimme von einst, die in dem verfetteten Leib dieses Mannes nicht verquollen, erloschen ist.

*

Der Mahdi spricht die Korankapitel, die Lobpreisungen Allahs. An den üblichen Stellen wirft er sich auf den Boden der Nische nieder, und mit einem Rauschen wie Sturm folgen die Tausende, jeder auf seinem Platz. Dort, wo die Zehen erst standen, dort müssen sie immer bleiben. Die Lage der Hände ist vorher bestimmt, und wenn man aufzustehen, sich tief zu verbeugen, wieder aufs Antlitz zu fallen hat. – – Der Mahdi macht es der Menge vor; mit einer Stimme sprechen sie nach, was er sagt:

»Preis sei Gott, eine Fülle des Preises, wie ER geboten hat. Ich bekenne, daß keine Gottheit ist als nur Gott; ER hat keinen Gefährten. Ich bekräftige, daß ER über alles erhaben ist, und verdamme den, der nicht glaubt und leugnet. Und ich bezeuge, daß Mohammed, unser Herr und Prophet, SEIN Diener ist und Apostel, der Herr der Menschheit, der anerkannte Vermittler am Tag der Versammlung. – –«

Und:

»O Gott, hilf dem Islam und seine Pfeiler befestige. Und den Unglauben laß erzittern und zerstreue seine Macht! O Gott, hilf den Kräften der Muselmanen und den Heeren der Einheitsstreiter. O Gott, vereitle das Tun der Ungläubigen und derer, die an mehrere Götter glauben, DEINER Feinde, der Feinde der Religion. O Gott, kehre ihre Banner zur Erde und zerstöre ihre Behausungen und gib sie und all ihren Reichtum zur Beute der Muselmanen. – –«

*

Ein Wogen, ein Rauschen, ein jeder wendet sich um: der Mahdi hat die Mihrab-Nische verlassen. Er geht quer durch den Gebetsplatz bis zu den Stufen der Kanzel. Dort bleibt er stehen, aller Augen ruhen auf ihm. Ein »Murrakki« tritt vor, ein Diener des Gotteshauses, und überreicht dem Mahdi sein Schwert.

In Ländern, die der Islam erobert hat, wird beim Freitagsgebet in jeder Moschee ein hölzernes Schwert als ein Sinnbild des Sieges dem Volke gezeigt. Aber das Schwert, das der Mahdi nun hält, mit der Spitze zur Erde, ist nicht aus Holz. Eine riesige stählerne Klinge mit goldenem Kreuzgriff. Ein Funkeln geht davon aus. Das Schwert des Mahdi, das wunderbare, das sagenumsponnene, das den Sudan erobert hat und nächstens die Welt erobert. – –

Unwillkürlich berühren die dunklen Krieger des Derwischheeres ihre eigenen Waffen. Sie werden nun bald wieder kämpfen, sie werden siegen!

*

Mit dem Schwert, das er in beiden Händen erhoben hält, steigt der Mahdi die Stufen zur hölzernen Plattform empor. Auf der Kanzel setzt er sich nieder. Zwei gekreuzte Banner, mit heiligen Texten benäht, erheben sich über dem Haupt des Predigers. Sein Schwert hält er vor sich hin. Eine fromme Formel wird abgesungen. Nun erhebt sich der Mahdi. Man hört seine herrliche Stimme durch ein tiefes Schweigen der lauschenden Tausende.

*

Die Predigt beginnt mit einer Ermahnung zur Buße, zur Einkehr im kommenden Ramadan. Er klagt über die Laster, an denen das muselmanische Volk noch hänge; selbst meine Verwandten, die Aschraf (sagt er mit Schärfe), sind nicht frei davon. An Leichtfertigkeit wetteifern sie miteinander, sie glauben, die Mahdîjja sei für sie allein da. – –

Der Mahdi hebt sein Derwischgewand auf und klopft es aus. Er sagt, indem er diese Geste des Abstreifens tut, mit erhobener Stimme:

»O ihr Muselmanen! Ich bin unschuldig an ihrem Treiben. Seid ihr Zeugen für mich vor Allah dem Erbarmer!«

Der Mahdi blickt zu der Stelle, wo seine Verwandten sitzen. Sie lassen die Köpfe hängen, regen sich nicht. Vielleicht wirft einer einen zornigen Blick zum Khalifa hinüber. Abdullahi zeigt ein kaltes Lächeln. Die Baggara, die sich rings um ihn drängen, wilde Gestalten, beginnen freudig zu murmeln. Aber die Stimme des Mahdi, stärker schwellend, verschafft sich von neuem Gehör:

»Dies ist ein Wort des Propheten: Zwei Tugenden übe, solange du in der Welt bist. Wer mich liebt, muß diese Tugenden lieben, und wer mich haßt, der muß diese Tugenden hassen. Wer diesen Tugenden folgt, der ist an sich glücklich und das Licht Gottes strömt auf ihn nieder. Doch wer diese Tugenden nicht beachtet, der ist niemals zufrieden. Es ist gesagt: ›Wenn ein Mann zwei goldene Täler hat, so wird er ein drittes wünschen.‹ Deswegen, o Freunde, achtet auf diese Tugenden, sie sind:

Armut und der heilige Krieg!«

*

Wie ein Windstoß wühlt das Wort in der Versammlung.

»Krieg!« hat der Mahdi gesagt; und wie er es sagt, erhebt er mit beiden Händen sein Schwert; und das Gold der Scheide funkelt nicht stärker als seine Stimme.

Das ist nicht mehr der träge, gealterte Mensch von vorhin, der schläfrig auf seinem Bett lag. Da ist er wieder, der Derwisch von Abba, da ist sie wieder, die Flammenstimme, deren Hauch einen ganzen Erdteil versengt hat. Unter den Hörern zu den Füßen des Mahdi sind auch Menschen, die ihn von Herzen hassen: Rudolf Slatin, der noch vor kurzem so elend in Ketten lag, und der halb verhungerte Mustafa Klootz, der ein Jammerdasein zu Ende fristet, und die griechischen, koptischen Kaufleute, zitternde Renegaten; mit gesenktem Blick stehen sie in dieser verhaßten Moschee. Und doch, sie alle fühlen sich seltsam bewegt und ergriffen, da sie diese Stimme vernehmen, da diese Augen auf ihnen ruhen. Ihre widerstrebenden Herzen beginnen stärker zu schlagen, da der Mahdi spricht; man kann diesem Zauber nicht widerstehen.

*

Der Mahdi redet von diesem Schwert, von den großen Taten, die es noch zu vollbringen hat, in den vier Jahrzehnten, die ihm noch auf Erden beschieden sind. Große Gesichte, oft wiederholte, haben es immer wieder verkündet. Engelszungen haben gesprochen, erst vorige Nacht. – –

In die große, andächtige Stille der atemlosen Versammlung hinein sagt die Stimme des Mahdi:

»Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen!

»Eine große Vision ward geschaut, o ihr Gläubigen. Man sah den Propheten und um ihn die Großen, die vier ersten Khalifen des Islams: Abu Bekr, Omar, Othman, den Imâm Alî. Sehet, sie traten neben den Erwarteten Mahdi.

»Und ein strahlender Engel kam aus den Himmeln, und in Händen hielt er einen grünen Kranz. Und der Engel grüßte Mohammed den Propheten und sprach zu ihm:

»Dein HERR entbietet dir Gruß und Segen; und ER läßt dich wissen, daß dies der Kranz des Sieges ist, SEIN Geschenk für den Imâm, den Erwarteten Mahdi. Das Zeichen des Sieges ist es, und ER befiehlt dir, mit deinen Händen es dem Mahdi zu geben.

»Da reichte der Prophet den Kranz dem Erwarteten Mahdi, sprechend: ›Keinen Sieg gibt es, er sei denn von Gott.‹ Und er sprach zum Mahdi: ›Gott hat dich behütet durch seine Propheten und Engel. Keine Nation wird imstande sein, im Kampf gegen dich zu bestehen, nicht die Nation der Sterblichen und auch nicht die Völker der Geisterwelt. Die Krieger aber, die vorwärts schreiten für Gottes Glauben, sind willkommen bei Gott in der künftigen Welt. Ins Paradies sollen sie kommen dürfen, wo hohe Paläste sind, keusche Frauen und alles Glück und die Güter alle. Strahlend im Licht sind diese Paläste; doch einige bleiben in trauriger Dunkelheit. Dies ist die Stätte jener, die ihre Beute verbergen, für sich behalten, ohne dem Mahdi und seinem Khalifa davon zu melden‹ –«

*

Der Mahdi spricht lange weiter, bald mahnend und strenge, bald milde und schwärmerisch. Er spricht, mit seinem Schwert in der Hand, von den Siegen des Glaubens, die Allah gegeben hat, und von jenen, die er noch geben wird: nach Khartum wird der Mahdi Kairo erobern, und Mekka, ganz am Ende Jerusalem. – –

Er steht auf der hohen Kanzel und spricht mit dieser himmlischen Stimme; und seinen Ansar schwinden die Zweifel der letzten Tage. Was geht sie die Seuche an, oder die Unbill der Aschraf, die Härte, mit der der Khalifa regiert? – Schwebt über dem Haupte des Mahdi nicht sichtbar der Siegeskranz? Steht hinter ihm nicht ein Formloser, Ungeheurer, nicht Azraïl, der wie in allen den Schlachten ein leuchtendes Banner hält? –

*

Fast alle erblicken ihn. Doch einige Tage später wird der und jener flüsternd erzählen: anders sei Azraïl am Freitag in der Moschee erschienen, als in den siegreichen Schlachten des Glaubenskrieges. Der Todesengel, sonst der unbezwingliche Kampfgenosse des Mahdi, habe sich plötzlich über ihn hingeneigt, sein strahlendes Antlitz beschattend. – –


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