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Der Mahdi; der Erwartete Mahdi? Auf der Insel Abba ist ein Wunder geschehen, und der Sterbende, der vom Totenbett auferstanden ist, geht umher und verkündet: »Der Erwartete Mahdi ist endlich erschienen! Er hat mich geheilt!«
Der Mahdi selbst? Ist Mohammed Achmed nicht der Kutb, ist er nicht der Khidr, sondern ist er der Allergrößte? Der da kommen muß? Der Mahdi Allahs? – Ist es wahr? Ist es denkbar? Man hat es bisher nicht zu glauben vermocht, obwohl schon lange ein Flüstern ging – –
Vor der Hütte des heiligen Scheichs drängen sich die Muselmanen von Abba. Er soll herauskommen, soll zu ihnen sprechen, soll sagen, daß er der Erwartete Mahdi ist!
Aber Mohammed Achmed ist nicht in seinem neuen geräumigen Haus. Er hat sich in seiner Höhle am Ufer verborgen; hier fastet er lange, bitterlich lange; seine Gebete enden nicht mehr, er schläft kaum, Tag und Nacht sind nicht mehr unterschieden, nicht mehr Wachen und Träumen, nicht mehr Denken, Glauben, Hören und Sehen.– –
Immer wieder und immer wieder sagt er die hundert magischen Namen auf, die hundert mächtigen Eigenschaften Allahs: »Er Rachmân, Er Rahîm – –«
Und am öftesten wieder und wieder: »El Quejjûm.«– »Der Unwandelbare.« Das ist ein besonders starker Name, in ihm liegt eine geheime und zwingende Kraft. – –
Viele Tage lang kommt Mohammed Achmed nicht ans Licht, er, den man schon den Erwarteten Mahdi genannt hat.
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Seit zwölf Jahrhunderten hat das Volk des Islams von El Mahdi el-Muntáser geträumt, dem Erwarteten Führer. Zwar, der Koran spricht nicht vom Mahdi. Vom Tage des Gerichtes kündend, sagt das Heilige Buch nur, Isa, Sohn der Maryam (er, den die Ungläubigen Jesus nennen und den auch der Islam hoch verehrt), werde noch vor der Wiederkunft des Propheten Mohammed wieder erscheinen.
Die Hadiths, das sind die mündlichen Überlieferungen aus der Zeit des Propheten, seither gesammelt und aufgeschrieben, – erwähnen in dunkler Hindeutung bereits einen anderen Vorläufer des Gerichts, den Geheimnisvollen, »den Allah leiten wird«, also: den Führer der Menschen.
»Mahdi« bedeutet »Der Geleitete«.
Er wird erscheinen, ehe noch zu Jerusalem auf den heiligen Felsblock des Tempelberges Jesus niederfährt, und ehe das Gericht sich vollzieht.
Vor dem Gericht noch muß der Mahdi das Weltreich des Islams vollenden. Wo auf der Erde noch Ungläubige sind, besiegt sie der Mahdi und tilgt sie aus.
Der Erwartete Mahdi wird aus dem Geschlecht des Propheten stammen. Man erkennt ihn an vielen geheimen Zeichen. Gewisse Male wird er am Leibe tragen; gewisse Dinge wird er tun, an gewissen Orten. Zwölf Jahrhunderte lang dichtet die Sage. Vieldeutig sind die Stellen der heiligen Bücher, verschieden die Glaubensmeinungen verschiedener Sekten. Ist der Mahdi derselbe wie Jesus? Oder ist er der Elias der Juden? Oder ist er der verborgene Zwölfte Imâm?
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Die Lehre der Schia, der die Perser folgen, kennt zwölf heilige Imâme, Leiter des Gebetes der Gläubigen. Der erste ist Ali, Sohn Abu Tâlibs, der Mohammeds Lieblingstochter Fatima zur Gattin hatte. Aus seinem Blut und Mohammeds Blut sind noch elf Imâme. Der elfte Imâm heißt: Hassan el-Askarî; der zwölfte Imâm heißt wie der Prophet: Mohammed. Man nennt ihn Mohammed el-Mahdi.
Der persische Islam weiß seit einem Jahrtausend, daß dieser zwölfte Imâm, der Mahdi, schon lebt. Er hält sich in einer Höhle verborgen, seit tausend Jahren. Und er wird wiederkommen. Wie der Elias der Juden.
Immer wieder sind in den Landen des Islams Männer aufgestanden, in allen Jahrhunderten, und haben verkündet: Ich bin dieser Zwölfte Imâm. Ich bin der Erwartete Mahdi.
Die Dynastie der Fathimiden-Khalifen in Nordafrika hat ein Mahdi begründet.
Immer wieder kommt einer und nennt sich den Mahdi. Aber noch ist die Welt dem Islam nicht gewonnen, noch gibt es Ungläubige. Immer noch warten die Muselmanen auf Ibn, der das Werk des Propheten vollenden soll.
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Quejjûm! Quejjûm! »Der Unwandelbare.« Von hundert Namen Allahs derjenige, den der Mahdi auf sein schwarzes Banner schreiben soll – –
Der Beter in seiner finsteren Höhle wiederholt den Namen, schneller und immer noch schneller, mit tausend Beugungen, Rucken, krampfhaften Verdrehungen, bis der Körper des Beters todmüde ist und der Geist ganz sonderbar wach; bis Schaum aus dem betenden Munde quillt und die Augen ganz glasig und starr sind und Dinge sehen – –
Traum des Schlafenden oder Erscheinung dem Wachen? Ob er schläft oder wach ist, auf den Lippen des Derwischs Mohammed Achmeds ist stets das gebetete Wort, ein Sturm, ein Krampf des Gebets:
»Quejjûm!«
In den Ohren des Derwischs dröhnt ein Wort, das jemand gesprochen hat:
»Du bist der Erwartete Mahdi!«
Und an einem Tag, in einer Nacht, im Wachen, im Schlafen sieht er, wie Mohammed, Gottes Prophet, zu ihm kommt, in einem grünen Mantel, der leuchtet.
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Um den Propheten ist ein großer Glanz von Engeln und heiligen Toten. Die verklärten Scheichs der Sammanîjja sind alle da, die heiligen Stifter und Hüter des Ordens. Liebevoll streckt El Koreïschi die Arme nach Mohammed Achmed aus. Hinter ihnen sind zahllos und schattenhaft die gottesfürchtigen Seligen, Männer aus allen Zeiten. Die Wände der Höhle verschwinden, man sieht den unendlichen Raum voll leuchtender Schatten.
Eine wartende Stille herrscht. Der Prophet kommt näher. Jetzt ist Einer bei ihm; sie schreiten gleichzeitig, Hand in Hand.
»Das ist mein Bruder, der Derwisch Isa!« weiß der Träumende. »Isa, Sohn der Maryam. Warum kommt er? Vor ihm wird der Mahdi erscheinen!«
Da ertönt, voll und wunderbar, die Stimme des Propheten, der zu Isa spricht:
»Siehe, dieser ist der Erwartete Mahdi, dem du gehorchen mußt.«
Da sagt Isa, der Sohn der Maryam: »Ich glaube an ihn.«
Und die Stimme Mohammeds des Propheten erfüllt den Raum:
»Wer nicht an ihn glaubt, der glaubt nicht an Gott und an mich!«
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Der Beter erblickt einen strahlenden Thron, der Prophet Mohammed sitzt darauf. Ihn umgeben vier Leuchtende, die ersten Khalifen des Islams.
Der Derwisch Mohammed Achmed steht vor dem Thron. Da streckt der Prophet seine Hand aus, und leicht und schmerzlos greift sie durch seinen Körper hindurch bis zu seinem Herzen. Da sieht Mohammed Achmed das Herz in seiner eigenen Brust. Es ist ganz dunkel, ein Menschenherz. Doch wie es die Hand des Propheten berührt, ist das Herz Mohammed Achmeds auf einmal gereinigt und weiß und ein Licht geht davon aus – –
Da steigt der Prophet von seinem Thron; und er umgürtet Mohammed Achmed mit seinem eigenen Schwert und spricht:
»Mohammeds Glaube ist das Schwert!«
Da recken alle die leuchtenden Schatten, alle die Heiligen des Islams, alle Verklärten des Paradieses ihre Hände dem Derwisch Mohammed Achmed entgegen, der nun der Erwartete Mahdi ist und das Schwert des Propheten über die Erde zu tragen hat; und das gereinigte Herz des Mahdi strahlt wie ein großes Feuer, und die Stimme des Propheten Mohammed, ganz allein im schweigenden Weltraum, redet:
»Siehe, aus dem Lichte der Wolke meines Herzens bist du geschaffen!
»Siehe, Allah gab dir das Zeichen des Mahdismus, es ist das Muttermal auf deiner Wange!
»Siehe, ein Banner aus Licht ist bei dir; und der Todesengel Azraïl trägt es, wo immer du bist!«
Der Derwisch Mohammed Achmed, der der Erwartete Mahdi ist, weiß, ohne sich umzuwenden, daß hinter ihm, hochragend hinter dem Thron, Einer steht, ein Formloser, Maßloser, Unbestimmter. Der hält über ihn ein riesiges Banner aus lauter Licht, und ein Wort steht darauf:
»Quejjûm!«
Da weiß der Mahdi des Islams, daß er mit dem Schwerte Mohammeds in die Welt hinausgehen muß, und daß ihm der Engel des Todes folgt, wo immer er schreiten wird.
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Auf dieser Insel Abba im Nil gibt es außer der arabischen Ansiedlung auch schon ein Dorf von Negern; es sind Fischerleute aus dem Stamme der Schilluk. Sie sind riesenhaft groß und schlank und ganz nackt und sind unbekehrbare Heiden. Das Haar tragen sie auf dem Hinterkopf in einer seltsam verfilzten Platte, die wie ein Spaten geformt ist; eine Straußenfeder ist eingeflochten. Sie ölen ihre tiefschwarzen Leiber und tragen Armschmuck und Beinschmuck aus Kupfer und Elfenbein. Sie sind sehr geschickte Fischer und spießen, auf kleinen Flößen den Nil befahrend, die großen Welse mit ihren langen, mit Widerhaken versehenen Speeren.
An einem Tag, der ein Freitag ist, herrscht in den spitz zulaufenden Hütten des Negerdorfs Erstaunen und Angst. Die Insel ist voll von Fremden, die plötzlich gelandet sind. Bereiten diese arabischen Männer vielleicht eine Razzia vor? Gedenken sie bei Nacht das Schillukdorf zu umstellen, mit ihren Feuergewehren die wehrhaften Krieger zu töten? Wollen sie die jungen Knaben des Dorfes mit Fußeisen fesseln, die Frauen und Kinder mit Nilpferdpeitschen aus der brennenden Siedlung treiben?
Nichts anderes kann es bedeuten, daß sich so viele Beduinen auf Abba versammeln. So beginnt eine Razzia!
Eine Anzahl der Schilluk, mit Schilden und langen Speeren, stehen als Späher am Waldessaum im tiefen Schatten. Sie stehen wie immer nur auf dem linken Bein, wie Störche, und stemmen das rechte seltsam darauf. Sie blicken aufmerksam und ohne Verständnis auf das, was sich auf dem Gebetsplatz begibt.
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Der Gebetsplatz der arabischen Siedlung ist eine Lichtung nicht weit von den Hütten. Die Bäume des Waldes blicken in diese Freiluftmoschee; wenn es still wird, hört man die Vögel kreischen, die Affen einander jagen. Es ist ein Tag in der Regenzeit; es regnet gerade nicht, doch die dampfende Luft ist voll Nässe.
Auf dem Moscheeplatz sitzt, in geraden Reihen, ein jeder auf einem Stück Teppich oder einem Fell, eine Menge, die schon nach Hunderten zählt. Man sieht die weißen Roben der Danagla, die bunten Seidengewänder mehrerer Scheichs aus Dar-Fur; auch aus Kordofan sind Männer hier und Krieger der Baggara aus dem Süden, Abdullahis Stammgenossen. Wandernde Schüler aus dem fernen Bornu, in Ziegenfelle gekleidet, sind bis hierher gelangt; sogar aus den Wüsten am Roten Meere sind einige Hadéndoa gekommen, Beduinen in grob gesponnenen Mänteln und ohne Turban, deren Haare in vielen Flechten an den Kopf geklebt sind. Viele Dialekte sprechen all diese Menschen, und zwischen ihnen ist Stammeshaß und Verachtung.
Aber alle haben den gleichen Glauben, und der Turk ist ihnen der gemeinsame Feind.
Die Krieger der Schilluk sehen sie sitzen; sie sind ganz still. Jeder hat seine Füße entblößt und seine Waffen vor sich gelegt. Manchmal, während ein Mann zu ihnen spricht, nähern die Hockenden ihre Stirnen der Erde. Dann ist es, als ob ein Wind ein geordnetes Beet von hellen und dunklen Blumen zerwühlte.
Die Späher der Schilluk erkennen mit ihren scharfen Augen den Prediger, der zu den Fremden spricht.
Das ist ja der lächelnde Mann aus der Höhle. Der ist doch gut! Der will vielleicht keine Kinder rauben!
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Der Derwisch Mohammed Achmed, umringt von denen, die gekommen sind, eine große Botschaft zu hören, beginnt erst ruhig, im üblichen Vorbeterton des Imâms, der die Freitagspredigt gehörig vorträgt. Er sagt, so leise, daß das Vogelgeschrei seine Stimme kaum aufkommen läßt:
»Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Erbarmers!
»Gepriesen sei Gott, der Schöpfer, der den Menschen aus Erde geschaffen hat und ihm eine so treffliche Form gegeben, der ihn zu Gehorsam rief, Wissen und Anbetung, und überquellenden Lohn verheißt denen, die fromm und geduldig sind. – –«
Lauter wird die Stimme des Predigers:
»Preis, viel Preis sei Allah, der das Licht Seiner Wahrheit Seinen Getreuen enthüllt hat. – –
»Segen und Frieden auf unseren Herrn Mohammed, von dem die Strahlen des Lichts sich verbreiten unter denen, die auserkoren werden zum Glauben!«
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Neben dem Prediger erhebt sich ein Mann, den manche kennen, Abdullahi, ein Taaischi von den Baggara. Er hält ein schwarzes Banner hoch, das mit arabischen Lettern benäht ist. Die lesen können, lesen:
»O du Lebender, du Unwandelbarer, du glorreicher Quell des Erbarmens!«
Und:
»Es ist keine Gottheit denn Gott, und Mohammed ist Allahs Prophet.«
Die schwarzen Männer der Schilluk drücken sich ängstlicher an die Bäume, die sie verbergen. Dieser Mensch mit der Fahne hat plötzlich etwas geschrien, etwas Unverständliches. – – Da springt die Menge auf, die Männer ergreifen die Waffen; alle schreien sie – –
Aber der Mann in der Mitte streckt den Arm aus. Es wird ganz still. Die Stimme sagt etwas. Wie Vogelschwingen zerschneiden die wehenden Ärmel die Luft.
Die Späher der Schilluk sehen mit großen runden Negeraugen, wie diese arabischen Fremden springen, jauchzen, weinen, sich winden, die Erde küssen, den Staub vor den Füßen des Mannes. Welche Zauberei ist am Werk? Was geschieht hier Bedrohliches?
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Der Derwisch Mohammed Achmed hat zu der Versammlung gesagt:
»Ich bin der Erwartete Mahdi. Wer nicht an mich glaubt, der glaubt nicht an Allah und seinen Propheten.«
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Die Krieger der Schilluk in ihrem Versteck verstehen die Worte nicht, doch sie erbeben. Sicherlich, dieser Tumult auf dem Platz, dieses Schreien, diese geschwungenen Waffen bedeuten den Tod für schwarze Männer, brennende Kegelhütten und fortgeschleppte Weiber.
Die Menschen auf dem Moscheeplatz schreien, taumeln. Da tritt in die Mitte dieser Begeisterten einer, der einen Willen hat, der ein Banner zu tragen vermag. Der Baggara Abdullahi, groß aufgereckt, mit seiner Fahne in Händen, beherrscht die verwirrte Menge. Mit Gesten gebietend schafft er Stille.
Dann ruft er, weithin vernehmlich, als erster das Bekenntnis eines neugeborenen Glaubens. Die Hunderte sprechen es laut und feierlich nach:
»Keine Gottheit denn Allah, – und Mohammed ist Allahs Prophet. Mohammed, der Mahdi, ist der Nachfolger des Propheten Gottes!«
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Später werden diese unsäglich Erregten im ganzen Sudan erzählen, sie hätten hinter dem Mahdi ein zweites Banner erhoben gesehen, ein Banner aus lauter Licht, das ein Formloser, Maßloser, Ungeheurer hoch; hielt.