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Khartum, den 7. Februar 1929.
Mein nubischer Dragoman Mohammed Scherkaui, in seinem besten Kaftan mit eingewirkten seidenen Streifen, steht in einer betonten, etwas öligen Demut neben meinem Sessel. Seine schwarzbraunen Hände hat er über dem Bauch verschränkt, was zur Demut gehört, aber auch Scherkauis Goldring zur Geltung bringen soll, in dem ein Diamantsplitter sitzt. Langsam und mit hörbarer Salbung übersetzt er mir, was der würdevolle und schwere Mann auf dem Sofa mir sagen will.
Ich bin in Omdurman, in dem weitläufigen arabischen Hause, das dem Sajjid Sir Abderrahman el-Mahdi gehört, dem nachgeborenen Sohne Mohammed Achmeds. Der Sohn des Mahdi hat mich in einem Raum empfangen, der, offenbar für europäische Besucher, mit etwas steifen, englischen Möbeln ausgestattet ist: es ist eine Veranda, nach vorne offen, von der man einige Stufen in einen Hof hinabsteigt. In diesem Hof haben sich, still und feierlich, die Diener des Hauses aufgestellt, viele Männer in weiten, weißen Gewändern und Turbanen, tiefdunkle Araber und große, schwere Negermenschen. Die ältesten unter ihnen haben sicher schon dem Mahdi selber gedient. Jetzt hören sie mit einer tiefen und frommen Aufmerksamkeit zu, wie mir der Sohn des Mahdi aus dem Leben seines Vaters erzählt.
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Sir Abderrahman hat mich in sein Haus geladen, weil er gehört hat, ich sei mit einer Biographie seines Vaters beschäftigt. Er will mir selbst vom Mahdi erzählen. Er hat seinen Vater freilich niemals gesehen, denn er ist erst zweiundzwanzig Tage nach dem frühen Tod Mohammed Achmeds zur Welt gekommen. Seine Mutter Maqbûla war (und ist, denn sie lebt noch) aus dem uralten afrikanischen Königsgeschlecht der Sultane von Da-Fur.
Zehn Söhne und zehn Töchter hatte der Mahdi von den hundert Haupt- und Nebenfrauen in seinem Harem. – Von den Söhnen leben heute nur die beiden Nachgeborenen, Abderrahman und sein Halbbruder Ali. –
Der Sajjid Abderrahman el-Mahdi ist nach der Vernichtung der Derwischherrschaft unter englischem Schutze erzogen worden. Er hat die englische Regierung des Sudans mit dem großen Einfluß seines Namens stets unterstützt, und der König von England hat dem Sohn des Mahdi einen Orden und den Titel eines britischen Ritters verliehen. Er ist jetzt also Sir Abderrahman. Er ist auch ein sehr reicher Mann. Die Insel Abba im Weißen Nil, wo der Mahdi in einer Höhle gelebt hat, gehört jetzt seinem Sohn, und er betreibt dort eine große Baumwollplantage mit den Methoden der modernen Technik.. Auch die Höhle gehört ihm noch, und er betet oft in ihr. – –
Der Sohn des Mahdi gilt im heutigen Sudan selbst als ein heiliger Mann, und großer Glanz umstrahlt ihn, um seines Vaters willen, den das sudanesische Volk nicht vergessen hat.
Wie ich ihn da sehe, in seinem vierundvierzigsten Lebensjahr, sieht er ganz so aus, wie die Zeitgenossen den Mahdi geschildert haben: groß, massiv, mit einem tiefschwarzen Bart um das Kinn, mit männlichen Zügen und großen, verträumten Augen. Die Gesichtsfarbe ist etwas dunkler als die des Mahdi gewesen sein dürfte und nähert sich dem tiefsten Ton alten Mahagonis. Obwohl die Lippen recht voll sind, ist keine Spur von Negertum in dem schönen Araberantlitz zu finden. Neugierig sehe ich mir die weißen, starken Zähne Sir Abderrahmans an, ob er wohl jene Zahnlücke hat, die den Sudanesen an ihrem Mahdi so auffiel, als ein besonderes und sehr bedeutsames Zeichen. Aber ich sehe sie nicht.
Sir Abderrahman ist in lange Gewänder aus einem kostbaren weißen, seidigen Stoff gekleidet und trägt als Turban einen weißen Schal von fast unglaublicher Feinheit. Bis auf den Turban scheint mir sein Kostüm der Alltagskleidung des Papstes im Vatikan ähnlich zu sein. An den Füßen trägt er europäische Lackschuhe.
Außer diesem Haus in Omdurman hat der Sohn des Mahdi noch ein anderes, ein gänzlich europäisch-modernes, in der Gordonstraße drüben in Khartum. Ja, in der Gordon Avenue, solche Scherze macht die Geschichte. – Dieses Haus hier in Omdurman hat offenbar nur diesen einen europäisch stilisierten Empfangsraum. Aber schon in dem Zimmer daneben, in das ich durch eine offene Tür blicken kann, ahne ich den konservativen Orient. Die Wand, die ich sehe, bedeckt ein berückender Teppich; darauf hängt, ganz golden, ein krummer Säbel.
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Nachdem mich der Sajjid auf eine zeremonielle Art bewirtet hat (mit Limonade und Plumcake und starkem Tee, sehr europäisch) – sagt mir mein Dragoman, der Sohn des Mahdi sei nun bereit, mir über seinen Vater Auskunft zu geben: ich soll mir Notizen machen. So schreibe ich denn, unter den aufmerksamen Augen Sir Abderrahmans. Von Zeit zu Zeit bittet er mich mit großer Würde, ihm vorzulesen, was von seinen Angaben ich niedergeschrieben habe. Er legt großen Wert darauf, daß ich alles genau und richtig notiere. »Denn«, sagt er, »man weiß in Europa nicht, daß mein Vater ein guter Mann war. Wäre der Khalifa ebensogut gewesen, dann wäre der Sudan heute noch frei! –«
»Übersetzen Sie genau!« sage ich scharf zu dem Dragoman. »Frei!«, wiederholt Scherkaui, der bisher englisch gesprochen hat, auf deutsch. Dieser beste Dragoman des Niltals kann sogar etwas Deutsch.
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Frei? Wie meint das der Sohn des Mahdi? Ich blicke in sein Gesicht und finde es lächelnd und undurchdringlich, so wie das Gesicht seines Vaters, in das ich auch nicht eindringen kann, ich komme dem Derwisch nicht hinter die lächelnde Maske!
Zwischen Sir Abderrahman und mir steht störend die Sprachverschiedenheit. Ich merke sehr wohl, wie er gerne direkt verstünde, was ich zu ihm sage. Wer bin ich denn? Meine ich es ehrlich? Will ich auch wirklich gerecht sein gegen seinen Vater, den Mahdi? Daß ich ein Landsmann Slatins bin, ist nicht durchaus beruhigend. Slatin hat so viel durch den Mahdi gelitten – –
»Lesen Sie vor!« bittet der Sajjid jedesmal, wenn ich einige Seiten geschrieben habe. Er möchte genau kontrollieren, ob ich richtig notiere. – Ich nehme eine formelle Haltung an und wiederhole, was er diktiert hat, mein deutsches Stenogramm ins Englische übertragend. Der Dragoman spricht es auf arabisch nach.
Erst kommen die Namen von neunundzwanzig Ahnen des Mahdi, bis hinauf zum Propheten. Der Sajjid Abderrahman legt großen Wert darauf, mir diese seine erhabene Abstammung recht klar zu beweisen. – Dann folgen Einzelheiten aus dem Leben Mohammed Achmeds, manche darunter, die in den Büchern nicht stehen. Gierig notiere ich, daß der Mahdi von Jugend auf ein Sûfi gewesen ist. Das gibt mir einen lange gesuchten Schlüssel, Aus seinem Sûfismus ist viel zu erklären, was sonst in seinem Charakter rätselhaft wäre.
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Wenn ich eine Seite vorgelesen habe und der Dragoman sie übersetzen muß, gewinne ich etwas Zeit zum Denken und Schauen, Immer öfter wandert mein Blick in das Nachbarzimmer, in dem dieser krumme, goldene Säbel hängt. Endlich bemerkt der Sohn des Mahdi den Blick.
»Nein«, sagt er, »das ist nicht das Schwert, mit dem mein Vater den Sudan erobert hat. – – «
Er erklärt, daß der krumme Säbel im Nebenzimmer zu seiner, Sir Abderrahmans, Galatracht gehört. Er hat ihn in London getragen. – Ja, er war einmal in London, um dem König von England zu huldigen. Ein Orientale, der seinem Oberherrn huldigt, reicht ihm den Griff seiner Waffe dar. Der König hat den Griff dieses goldenen Säbels berührt und ihn dann dem Vasallen zurückgegeben.
»Aber das Schwert meines Vaters ist das nicht!«
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Ich beschließe sogleich, daß ich das wirkliche Schwert Mohammed Achmeds zu sehen bekommen muß. Dieses wunderbare, halb mystische Schwert. Ich erinnere mich nun an etwas, was ich gelesen habe: als der Mahdi starb, suchte der Khalifa lange und vergeblich nach diesem Schwert. Aïscha, die »Mutter der Gläubigen«, die erste Hauptfrau des Mahdi, hatte es versteckt, damit es den Kindern des Mahdi erhalten bliebe.
Um etwas von diesem Schwert zu erfahren, gebrauche ich eine List. Ich sage leichthin:
»Ach so, ich weiß ja, das Schwert des Mahdi ist im Haus des Khalifa ausgestellt – – «
Ich weiß sehr gut, daß die Waffe, die ich dort gesehen habe, nicht das berühmte Schwert ist, daß in jener Vitrine im Khalifahause irgendein Säbel liegt, den der Mahdi in einem der ersten Gefechte gegen ägyptische Truppen einmal verloren haben soll. Aber ich tue so, als wäre dem wirklichen berühmten Schwert diese Schmach widerfahren.
Meine List hat Erfolg: Um mir zu beweisen, daß das nicht wahr ist, klatscht jetzt, Triumph, der Sajjid in seine Hände. Ein alter Diener kommt, küßt dem Sajjid innig die Hand. Der gibt den Befehl, und der Diener holt, mein Herz steht fast still, ein funkelndes Etwas, jenes ungeheure Schwert, an das Rudolf Slatin gedacht hat, als er schrieb: »Feuer und Schwert im Sudan.« Das Schwert, das halb Afrika erobert hat und Gordon besiegt. Mit einer großen Bewegung in meinem Herzen betrachte ich es.
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Dieses Schwert Mohammed Achmeds sieht, obwohl es nicht gekrümmt ist, wie ein orientalischer Säbel, von außen sehr fremd und barbarisch aus. Es ist enorm lang, hat einen mit Sternen und Halbmonden verzierten goldenen Griff, eine ebenso geschmückte Scheide ganz aus gehämmertem Gold. Wie jenes Derwischschwert, das mir im Hotel der Händler verkaufen wollte, erweitert auch dieses sich scheinbar gegen die Spitze hin zu einem breiten Rhomboid. Aber da der Sajjid das Schwert nun aus der Scheide zieht, ist die Form nicht mehr fremdartig. Es sieht aus wie – – –
Ich springe vor Erregung auf. Ich muß diese Waffe aus größerer Nähe sehen. Ich frage nicht, beuge mich darüber. Sie sieht aus wie der Zweihänder eines deutschen Landsknechts!
Aber ich sehe eine Inschrift in arabischen Zeichen auf der Klinge. »Ein Koranspruch?« frage ich. »Nein«, sagt der Sajjid, »das sind die Namen der Vorfahren meiner Mutter; der Sultane von Dar-Fur. Sultan Zakkaria, Sultan Alî, Sultan Mohammed el-Fadl. – – Das Schwert hat meine Mutter meinem Vater mitgebracht, es war aus dem Kronschatz der Könige von Dar-Fur – – «
Ich höre schon nicht mehr. »Und das?« Ich schreie beinahe.
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Ich habe unter dem arabischen Text auf dieser Klinge ein sauber graviertes Relief gesehen, ein altvertrautes Zeichen. Den Doppeladler des alten Römischen Reichs Deutscher Nation! Und jetzt lese ich mit starrenden Augen auf diesem Schwert des Mahdi Mohammed Achmed Buchstaben in der deutschen Frakturschrift der Renaissance.
Unter dem Doppeladler steht kunstvoll graviert:
Vivat Carolus V.
Und darunter auf deutsch:
» Roemische Kaiser.«
Mir ist im Augenblick klar, was für eine phantastische, was für eine wunderbare Bedeutung das haben kann, nein muß. Es kann gar nicht anders sein, empfinde ich, ich halte da das Schwert eines deutschen Kriegers in Händen, irgendeines Kreuzfahrers, der Karl den Fünften auf seinem unglücklichen Feldzug gegen die Korsaren von Algier begleitet hat und der auf dem Schlachtfeld gefallen ist. Oder der deutsche Junker (denn dies hier war das Schwert eines Edelmanns) wurde gefangen und hat elendiglich als Sklave irgendeines Muselmans sein Leben beendet. Was ist dann mit dem Schwert geschehen? Welche Schicksale mag es gehabt haben, welche epischen Abenteuer, während es von Algier aus dann langsam, langsam, im Verlauf von dreihundert Jahren, durch die Sahara gewandert ist, vom Zelt eines halbwilden Scheichs in das Zelt eines andern, bis zu den schwarzen Sultanen im Lande der Fur – –?
Allah! lobpreise ich. Was für ein berauschender Abenteuerroman ist deine Weltgeschichte!
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Gleich darauf beobachte ich mich dabei, wie ich, es ist eine phantastische Situation, dem Sohn des mohammedanischen Messias von Afrika ein Privatissimum aus der deutschen Geschichte lese. Denn der Sajjid Abderrahman will ganz genau wissen, was diese Inschrift bedeutet. Sollte ich der erste Deutsche sein, der sie nach all den Jahrhunderten wieder gesehen hat? – Den Doppeladler kennt man im ganzen Sudan, von dem Gepräge der österreichischen Maria-Theresien-Taler, die in diesem Teil Afrikas noch immer im Umlauf sind. Aber »Römische Kaiser«?
Warum römisch? Ich kann es schwer erklären, dann sage ich der Kürze halber, der Papst in Rom hätte eben dem Sultan der Deutschen diesen Ehrentitel verliehen. Da nickt der Sajjid. Das versteht er. Vom Papst in Rom hat er natürlich gehört.
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Ich wieder frage begierig nach Dingen der afrikanischen Geschichte, die der Sohn des Mahdi besser kennen muß als ich.
Seine Mutter Maqbûla also ist aus diesem Haus der schwarzen Könige, das ein halbes Jahrhundert lang über Dar-Fur geherrscht hat, das Land am Rand der Sahara. Ihr Vater, Sultan Nurên, ist der Bruder des großen Königs Mohammed el-Hassîn gewesen. Nach ihm regierten noch die Sultane Ibrahim und Hâssib-Allah, bevor der Sklavenhändler Sibêr Ende der siebziger Jahre plötzlich mitten im Frieden über das Reich der Fur hergefallen ist und es für Ägypten erobert hat. – –
Ich mache mir Notizen.
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Während ich so dem Sohn des Mahdi gegenübersitze und in mein Notizbuch schreibe, male ich mir im Grunde eine Szene aus, die es einmal gegeben haben muß:
Ein gravitätischer Mann, der vielleicht genau so ausgesehen hat wie sein Sohn hier (es gibt kein Porträt des Mahdi) – sitzt in einem Zelt oder eher in einer runden Hütte mit spitz zulaufendem Dach. Saubere Matten bedecken den Boden. Der lächelnde Mahdi sitzt auf einem Angareb, solch einem Bettgestell aus Holz, mit verflochtenem, elastischem Riemenwerk, bespannt. – Nein, der Mahdi kann damals nicht ganz genau so ausgesehen haben, wie jetzt sein Sohn. Er war noch jünger. Er war damals noch ganz hager vom Fasten, und er trug noch die ärmliche Derwischkleidung. Draußen (stelle ich mir vor) ist das Lager des rebellischen Haufens, der eben die Stadt El Obeïd belagert. Noch ist dem Mahdi nicht mehr geglückt, als eine erste Revolte. Er besitzt noch keine von den größeren Städten des Sudans, weite Gebiete des Landes haben sich noch nicht für ihn erklärt. Vielleicht bleibt die ganze Bewegung ein bloßer Tumult gegen die Steuereinnehmer, ein fanatischer Ausbruch religiöser Schwärmerei – –
Da kommt diese Gesandtschaft aus Dar-Fur. Welches Aufsehen im Lager! Das ist nicht das Alltägliche: daß irgendein Beduinenscheich oder ein arabischer Sklavenhändler zum Mahdi kommt, um sich ihm anzuschließen. Das Königshaus von Dar-Fur, obgleich unlängst gestürzt, genießt ein gewaltiges Ansehen. Wenn jetzt ein Mädchen aus diesem Hause ins Lager des Mahdi gebracht wird, bedeutet das mehr als bloß eine Haremsangelegenheit; es ist ein großer Akt orientalischer Diplomatie, kein Zweifel; Dar-Fur wird sich mit dem Mahdi gegen die Ägypter empören, der ägyptische Statthalter Slatin wird sich vorsehen müssen. – –
Ich kann die Szene in der Lagerhütte sehen: der stets lächelnde Mahdi hockt auf dem Angareb, und die Gesandten aus Dar-Fur werden ihm vorgestellt, große, dunkle Männer, in der Tracht der Vornehmen im Osten der Sahara, also in blauen und weißen Seidenhemden und mit Turbantüchern aus Kaschmirstoff, die lose um ihre Köpfe gewunden sind; – sie kommen herein, viele Geschenke tragen sie, und ein Negereunuch, enorm in seinem quellenden Fett, steht neben einem völlig verschleierten jungen Weib, das weithin nach Sandelholz riecht und nach der flüssigen Butter, mit der ganz gewiß ihre tief verborgenen Haare getränkt sind .– –
Ich sehe die Szene: diese Männer, sehr gemessen und würdevoll, küssen alle dem Mahdi die Hand (während die Sultanstochter still dasteht, ein bißchen zitternd unter ihren Schleiern; aber sicherlich gefällt ihr der Herr, dem sie dienen wird). – Jetzt tauscht man die frommen Redensarten, die Koranzitate, die Berufungen auf Allah und seinen Propheten. Nun werden die Geschenke überreicht. Das alte Königsschwert von Dar-Fur wird mit Ehrfurcht aus seiner Hülle gewickelt. Ein Glanz von Gold erfüllt die ganze Hütte.
Küßt vielleicht der Mahdi das Schwert? Muß er nicht darin ein Zeichen des kommenden Sieges erkennen?
Einer der Männer aus Dar-Fur, zweifellos, erzählt dem Mahdi, was für ein Schwert dies ist. Von dem deutschen Ritter, der es einst geführt hat, weiß er nichts, aber daß die Klinge fränkischen Ursprungs ist, mag er rühmen: alle guten Waffen kommen aus den Ländern der Franken. – Aber dieses Schwert, das von nun ab der Mahdi gegen die Ungläubigen führen soll, war nun schon seit Jahrhunderten die Waffe mächtiger muselmanischer Fürsten: solange das Reich der Fur besteht, hat es zu den sorgsam bewahrten, fast heiligen Waffen des Königs gehört, von denen jedes ein eigener Würdenträger des Reichs zu verwahren pflegte: den Schild des Sultans Suleiman Solon (dieser sehr verehrte Schild war mit Glöckchen besetzt), dann die sieben Speere aus uralter Vorzeit, ferner das seltsame Wurfeisen und das erste Feuergewehr, das einst ins Land gelangt war.– –
Der alte Mann, der jetzt dem Mahdi das Königsschwert von Dar-Fur überbringt, als die Mitgift der Königstochter, mag der erbliche Hüter des Schwertes gewesen sein. Er hat es stets dem Sultan gebracht, sooft er sich öffentlich zeigen sollte. Jährlich einmal, am Tag der Paukenfeier, ritt der schwarze König, ganz in Seide gekleidet, mit einem silbernen Kegelhelm auf dem Kopf das Antlitz mit einem seidenen Litham verschleiert, auf seinem mit Schmuck überladenen Roß durch die Reihen des Heeres, unter dem wilden Getöse der heiligen Pauken. Unter der scharlachstrotzenden Satteldecke ragte, auf eine sonderbare Weise befestigt, das lange gerade Schwert hervor, und der linke Fuß des Sultans stemmte sich dagegen.
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Ich sehe den Sohn des Mahdi an, um mir seinen Vater vorstellen zu können, wie er ausgesehen haben mag, als ihm die Gesandten von Dar-Fur das Kreuzfahrerschwert überbrachten, als ein Omen des nahenden Sieges, – und dann suche ich wieder im Antlitz Abderrahmans die Züge seiner Mutter. Es ist für mich schmerzlich, daß ich so wenig von den Frauen des Mahdi weiß. Das heißt, ihre Namen kenne ich –fast siebzig Namen von Haupt- und Nebenfrauen. (Hundert Weiber waren im Harem des Mahdi, als er starb.) Unter den fünf Hauptfrauen (eine ist in Gadîr gestorben, vier ließ der Mahdi als Witwen zurück) haben drei Fatima geheißen und zwei Aïscha; Fatima, Aïscha, Amina, Zeinab heißen die Nebenfrauen immer und immer wieder, Töchter arabischer Scheichs, die sich dem Mahdi enger verbinden wollten, und Töchter erschlagener Paschas, im Kriege erbeutet. – Frauen aus Khartum, aus der Dschesireh, aus Dongola, aus Abessinien. – Wie aber sahen sie aus? Wie waren sie? Liebten sie den Mahdi? – Es ist unmöglich, von den Frauen der Muselmanen etwas zu wissen! Es geht nicht an, nach ihnen zu fragen, ich weiß, ich darf keine Frage nach Sir Abderrahmans Mutter stellen, ich kann sie nicht sehen, obwohl sie am Leben ist, vielleicht im Zimmer nebenan. – –
Und doch könnte ich, das ist mir klar, das wirkliche innere Leben des Mahdi ja doch nur verstehen, wenn ich mehr von diesem riesigen Harem wüßte, in dem er so gänzlich anders geworden ist, aus einem hageren Revolutionär ein verfetteter Potentat.
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Mein Notizbuch ist voll. Und der Hausherr hat jene Tasse Kaffee kommen lassen, die nach arabischer Sitte die höfliche Entlassung des Gastes bedeutet.
Wie ich zum Abschied seine Hand in der meinen halte, eine schwarze, sehr starke Hand mit gepflegten Nägeln, fühle ich wirkliche Sympathie mit dem Sohne des Mahdi. Er hat es sicher nicht leicht als der Sohn eines desavouierten Propheten. Obwohl die englischen Sieger in ihrer Weisheit den Sohn des Mahdi mit viel Güte behandelt haben, obwohl er Sir Abderrahman heißt und Baumwollplantagen besitzt, – fühle ich denn nicht, daß er in seinem Herzen ganz an seinem Vater hängt, den er nie gesehen hat, an den er aber sicherlich noch heute glaubt?
Und ich verlasse den englischen Knight Sir Abderahman el-Mahdi, wie er das große, goldfunkelnde Schwert seines Vaters in Händen hält, das deutsche Kreuzfahrerschwert, mit dem der Erwartete Mahdi den Erdball erobern wollte.