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In jenem Winter, da der Religionskrieg anhub und Amboise seinen Aufruhr versuchte, stellte ein Advokat namens Avenelles sein Haus in der Fratzengasse den Hugenotten für ihre Zusammenkünfte zur Verfügung. Das war ein widerwärtiger Rotbart, dem es ein Fest war, Leute baumeln zu sehen, geschmeidig wie ein Aal, bleich wie der Tod und ein gewissenloser Verräter obendrein. Die Chronisten, die ihm in diesem Aufstande eine zweideutige Rolle vorwarfen, hatten, wie sich gleich zeigen wird, damit vollkommen recht. Dieser Kerl hatte ein wunderschönes Weiblein aus Paris geheiratet, auf das er dermaßen eifersüchtig war, daß er es für eine bedenkliche Falte im Bettlaken hätte ermorden können – als ob es nicht hochehrenwerte Falten dort geben könnte. Sie erkannte seine blutdürstige Bosheit sehr wohl und hielt das Bettuch wohlgeglättet, lebte in gutbürgerlicher Treue und war ihm allezeit zur Hand wie ein Leuchter, dienstbereit wie ein Schrank, den man nach Belieben benutzen kann. Trotzdem ließ er sie von einer alten Magd unablässig strengstens bewachen, einer häßlichen alten Vogelscheuche, die bei ihm aufgewachsen und ihm mit Leib und Seele ergeben war. Die einzige Zerstreuung für die arme junge Frau inmitten dieser eisigen Ehe war der Kirchgang: in der Johanneskirche traf sich bekanntlich die hochgestellte Gesellschast, und so konnte sie während ihrer Gebete gierigen Auges alle die geschniegelten Herrlein eingehendst bestaunen. In einen bildschönen italienischen Edelmann aber, einen Freund der Königin-Mutter, vernarrte sie sich am Ende so, daß ihr rechtschaffenes Bürgerherz sich wider die Bande der Ehe aufbäumte und diese Fesseln gern gesprengt hätte. Und ihm erging's nicht besser, denn, der Teufel weiß selbst nicht wie – er merkte ihre stumme Bewunderung, und bald waren sie einverstanden. Sie putzte sich für den Kirchgang mit erwähltesten Schmuckstücken, und er trat stets zu ihrem Betschemel und umgaukelte sie mit beredten Blicken. Guckte die Magd nicht hin, dann drückten sie sich verstohlen und liebkosten und schleckten sich mit lohenden Augen, die eine Lunte entzündet hätten. Und solche Liebe mußte natürlich zum Ziele führen.
Der Edelmann verkleidete sich als Student, freundete sich mit des Advokaten Schreibern an und zechte mit ihnen, um sie über des Ehemannes Treiben und seine Lebensgewohnheiten auszuholen. Und eine Gelegenheit, selbigen zu hörnen, hatte er bald erlauscht. Der Advokat blieb über die Verschwörung immer auf dem laufenden, um seine Glaubensbrüder gegebenen Falles zu verkaufen. Als nun der Hof in Gefahr schwebte, zu Blois entführt zu werden, beschloß er, dorthin zu reisen. Sobald der Edelmann das hörte, eilte er ihm voraus und tiftelte eine Falle aus, in die auch der gerissene Advokat fallen mußte. Der liebestolle Italiener ließ nämlich sein gesamtes Gefolge kommen und verteilte es so in der Stadt, daß der Advokat alle Gasthöfe besetzt finden mußte. Dem Wirt zur ›goldenen Sonne‹ aber mietete er seinen Gasthof ab, schickte ihn mit seinen Leuten sicherheitshalber aufs Land, verteilte seine Freunde in alle Zimmer bis auf dasjenige, so der Advokat mit Weib und Magd beziehen sollte, und das darüber, so er für sich nahm. In dem Fußboden seines Zimmers ließ er eine Falltür aussägen, sein Schaffner mußte den Wirt, seine Pagen die Dienerschaft spielen, und so erwartete man die Hauptpersonen der Posse, die auch alsbald eintrafen. Ob der Anwesenheit des jungen Königs und des Hofes war die Stadt mit Gefolge und Soldaten so überfüllt, daß kein Mensch auf die Vorgänge in der ›goldenen Sonne‹ achtete. Und aus gleichem Grunde war der Advokat seelenfroh, als er dorten unterkam. Kaum war er eingezogen, so schlenderte schon der Edelmann über den Hof, um einen Blick seiner Herzliebsten zu ergattern, und da die Frauen immer neugierig Umschau halten, brauchte er nicht lange zu warten. Als sie ihr Schätzlein erschaute, da bubberte ihr Herz und sie seufzte: »o, du holder Sonnenstrahl!« als ob sie mit dem blinkenden Tagesgestirn redete. Der Advokat aber sprang herzu, sah drunten den Edelmann und schrie: »Aha! Dem da gilt das!«
Und er packte sie beim Arm und warf sie wie einen Sack aufs Bett: »Du meinst wohl, mein Taschenmesser taugt nicht als Degen?! Bis zum Herzen reicht es, wenn's not tut. Das merke dir!«
Angewidert von seiner Bosheit sprang sie auf und rief: »Jawohl, tötet mich nur. Bis heute hätte ich mich geschämt, Euch zu hintergehen, aber nun sollt Ihr mich nimmermehr berühren, und ich werde nur noch streben, Euch mit einem Liebsten zu betrügen, der nicht so abstoßend ist wie Ihr.«
»Nun, nun!« meinte der Advokat verdutzt, »ich bin zu weit gegangen Liebchen. Komm, einen Kuß und verzeih!«
»Weder Kuß noch Verzeihung. Ihr ekelt mich!« Wutschnaubend wollte er beides erzwingen. Aber in dem Kampfe wurde er übel zugerichtet und dann mußte er zur Beratung der Verschworenen, also daß ihm nichts übrig blieb, als sein Weib unter der Wacht der Magd zurückzulassen. Kaum war der Stänker aus dem Hause, so stellte der Edelmann einen Späher an die Straßenecke, eilte dann in sein Zimmer, hob lautlos die Falltür und machte: »Pst, pst!«; kaum vernehmlich – aber was hört nicht ein liebend Herz! Das Weiblein schaute empor und sah ihn, vier Flohsprünge über sich. Zwei Seidenstricke mit Metallringen glitten nieder, sie hing sich in die Ringe und im Nu hob sie eine Winde in das Zimmer oben. Flugs die Klappe zu, so leise wie zuvor, und die alte Magd war drunten allein. Als sie sich umschaute, und von ihrer Herrin auch nicht ein Zipfelchen erblickte, ward ihr schlecht vor Schreck. Entführt! aber wie, von wem, wohin?!! Zerschmettert wartete sie auf ihren Herrn, harrte sie ihres Todes: denn bei dessen Wut mußte alles daran glauben, und entweichen konnte sie nicht, maßen er die Stube abgeschlossen hatte. – Inzwischen fand die Schöne droben ein treffliches Mahl, und ihres Liebsten Herz lohte heißer, denn die Flammen im Kamin. Mit Freudentränen umhalste und küßte er sie, erst auf die Augen, dann auf das Schnäbelchen, und sie ließ sich gern von ihm herzen und liebkosen, streicheln und drücken, wie seine lechzende Liebe es ihm eingab. Beide beschlossen, die Nacht zusammenzuverbringen, mochte kommen was da wollte, und ohne viel an das Essen zu rühren, schlüpften sie flugs ins Bett, allwo wir sie ruhig lassen wollen, sintemalen kaum Engelszungen ihre holden Wonnen und Seligkeiten beschreiben konnten. Indeß die zwei das Hörnen übten, war's dem Ehemanne auch sonsten quer gegangen: die Hugenotten hatten unter Condé die Entführung des Hofes fest beschlossen, worob dem Advokaten um seinen Kragen bange ward. Ohne seinen keimenden Stirnschmuck zu merken, lief er zum Kardinal von Lothringen und verriet die Sache. Der nahm ihn zu seinem Bruder, dem Herzoge; alle drei berieten, und erst um Mitternacht konnte der Advokat, mit Verheißungen wohl bedacht, aus dem Schlosse schleichen. Um diese Zeit feierten die Pagen des Edelmannes just dessen Liebesglück mit einem Festgelage, wo es hoch herging. Als Avenelles in dies Konzert von trunkenem Geschrei und Rülpsen hineinschneite, hagelte es anzügliche Bosheiten also daß er bereits zornesbleich auf sein Zimmer kam. Dorten fand er nur die Magd, die gar nicht erst zum Reden kam, maßen ihr ein Faustschlag den Mund stopfte. Während er einen Dolch herauskramte, vernahm er hold-verliebtes Kichern und gar unzweideutiges Geflüster. Der pfiffige Kerl blus flink die Kerze aus, und sah nun droben einen Lichtschein durch die Ritzen der Falltür schimmern, was ihm das Rätsel löste, zumal er seines Weibes Stimme erkannte. So packte er die Magd beim Arm, glitt mit Katzentritten die Stiege hinauf, erspähte die verdächtige Stube, sprengte mit einem wilden Anprall die Tür und stürzte auf das Bett zu, wo er sein Weib halbnackten den Armen ihres Liebsten erblickte.
Sie kreischte auf, der Edelmann packte die Faust des Rechtsverdrehers und suchte vergeblich, ihm den Dolch zu entreißen, und der Ehemann hatte in diesem Kampf um Tod und Leben nicht so sehr unter seines Stellvertreters Eisengriffen, denn unter den grimmigen Bissen seines Weibes zu leiden, das an ihm hing, wie ein Hund am Knochen. Um seiner Rache zu frönen, hieß der neugehörnte Teufel daher der Magd im Bauernplatt, die zwei mit jenen Seidenstricken einzuschnüren, warf seinen Dolch von sich, und im Handumdrehen war das Pärchen überwältigt, gebunden und geknebelt. Just griff er wieder nach seinem Dolche, als mehrere Offiziere des Herzogs von Guise in das Zimmer drangen, die bereits das ganze Haus nach dem Advokaten durchsucht hatten. Ein Page des Edelmannes, der seinen Herrn in diesem Zustande sah, rief ihnen zu, den Tobenden zu entwaffnen; die Soldaten warfen sich auf Avenelles, und da sie den Auftrag hatten, ihn zu verhaften, so schleppten sie ihn nebst Weib und Magd in das Schloßgefängnis. Den Edelmann aber, mit dem die Königin dringend Rats zu pflegen wünschte, baten sie, mitzukommen. Schnell wurde er losgebunden und angekleidet, worauf er den Anführer der Truppe zur Seite nahm und bat, ihm zu Gefallen und auf seine Verantwortung den Advokaten und sein Weib getrennt unterzubringen. Ja, er versprach ihm hohe Auszeichnungen, wenn er die Frau zu ebener Erde nach dem Garten hin unterbrächte, den Mann aber in einem Kerkerloche in Ketten legte, und erklärte ihm die Sachlage und die Mordlust des Ehemanns. Der Offizier versprach ihm das alles und der Edelmann durfte seine Liebste sogar bis zur Tür des Gefängnisses begleiten. Dort wurde Avenelles in ein unterirdisches Verließ geworfen, sein Weib aber über ihm in einer kleinen Zelle untergebracht. War doch ihr Liebster der schwerreiche Scipio Sardini aus Lucca, der Freund der allmächtigen Katharina von Medici. Zu dieser eilte selbiger alsbald, erfuhr in geheimer Beratung, um was es sich handelte, und riet den Verzagten, den König einfach ins Schloß Amboise zu überführen und die Ketzer wie Füchse im Bau zu stellen und zu töten. Bekanntlich wurde solchermaßen der Aufstand erstickt, aber das gehört nicht hierher. Als dieRatgeber gen Morgen die Königin verließen, vergaß Sardini seine Liebste keineswegs obwohl er scharf hinter der schönen Limeuil her war. Er fragte den Kardinal von Lothringen warum der Advokat eingelocht sei, worob jener erwiderte: ›Nur zur Vorsicht, bis die Sache erledigt ist. Nachher wolle er ihn freilassen.‹
»Freilassen!« rief Sardini. »Um Gottes Willen! In einen Sack und in die Loire mit ihm! Der wird Euch seine Gefangenschaft nie verzeihen, und solches Ketzers Tod kann Gott nur wohlgefällig sein. Für die Frau werde ich dann sorgen.«
»Ganz recht,« meinte der Kardinal. »Ein guter Rat! Ich werde gleich das Nötige anordnen.« Flugs befahl er dem Profoß, die beiden strengstens zu überwachen und besonders den Advokaten als wichtige Persönlichkeit zu behandeln. – Aus gleichem Grunde war selbiger auch nicht ausgeraubt worden, und da er so über dreißig Gülden verfügte, beschloß er, selbige seiner Rache zu opfern und mit ihrer Hilfe die Gefängniswärter zu überzeugen, daß er sein Eheweib sehen müsse. Sardini fürchtete für seine Liebste diese blutdürstige Nachbarschaft, und um allem Unheil vorzubeugen beschloß er, sie über Nacht zu entführen. Er mietete also Schiffer mit ihrem Boote, die sich an der Brücke bereit halten mußten, ließ durch drei seiner gewandtesten Leute die Gitterstäbe durchfeilen und befahl ihnen, die Frau herauszuholen und zur Gartenmauer zu bringen. Er selbst eilte zur Königin-Mutter und bat sie für all seine Anordnungen um gnädige Zustimmung, die er auch erhielt. Auf ihr Geheiß wurden die Wächter vom Turme entfernt. die Leute des Edelmannes nahmen das Gitter heraus, und die Frau kam alsbald heraus und wurde zu dem harrenden Edelmanne geleitet.
Als aber die Mauerpforte zufiel und der Italiener mit seiner Liebsten draußen war, da warf selbige ihren Mantel ab und siehe da – es war der Advokat, der jach dem andern an die Kehle sprang ihn würgte und zum Ufer zerrte, um ihn zu ersäufen. Sardini kämpfte, schrie, zog den Dolch, aber mit diesem Satan konnte er nicht fertig werden. Überwältigt sank er in den Morast, und während ihm die Sinne schwanden, sah er noch im Mondschein daß seines Gegners wutentstellte Fratze von dem Blute der armen Frau troff. Der Advokat hielt den Italiener für tot; schon eilten Gewaffnete mit Fackeln herbei, doch fand er noch Zeit, in den Kahn zu springen, und floh eiligst davon.
Aber sein Weib war die Einzige, die ihr Leben ließ, denn Sardini überstand den Mordanfall und gesundete mählig von dessen Folgen. Später führte er bekanntlich die schöne Limeuil heim, nachdem selbige heimlich in dem Zimmer der Königin eines Kindleins genesen war. Die Ehe mit Sardini mußte das bemänteln und zum Lohne kriegte er noch obendrein das Schloß und die Herrschaft Chaumont. Aber lange hielt er nicht vor, denn der Advokat hatte ihm doch zu arg mitgespielt und so ward die schöne Limeuil in ihrer Ehe Maienzeit Witwe. – Dem Advokaten aber hatte man nicht weiter nachgesetzt, vielmehr gelang es ihm gar, später mit in die Amnestie aufgenommen zu werden, worob er zu den Hugenotten zurückkehrte und für sie in Deutschland wirkte.