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Buckelchen

Die schöne Wäscherin von Portillon hatte soviel spitzbüsche Pfiffigkeit mit auf den Weg bekommen, daß sie es wohl zum mindesten mit sechs Pfaffen oder drei Frauen aufnehmen konnte. So mangelte es ihr denn auch nie an Herzliebsten, die sie umschwärmten wie Immen den Bienenstock. Ritt da einst ein alter Seidenweber, ein stinkisch-reicher Kerl, der in der Misthaufenstraße sein Haus hatte, von seinem Gartenhofe heim, und wie ihm just der warme Sommerabend wohlig in den Gliedern lag, erblickte er die schöne Maid vor ihrer Tür. Längst schon hatte er ein Auge auf sie geworfen aber diesmal gings ihm durch und durch, also daß er kurzerhand um sie anhielt; und wenig später war aus dem Wäschermädel eine Färberin geworden die in Reichtum prunkte und sich trotz ihres Gatten recht glücklich fühlte, sintemalen sie selbigen sachgemäß zu betrügen wußte. Der Färber nun hatte zum Gevatter einen Mechanikus, ein verwachsenes, boshaftes Kerlchen, das schon am Hochzeitstage zu ihm sagte: »Wir werden da ein leckeres Weibchen haben« und was der üblichen Zweideutigkeiten mehr sind. Buckelchen also machte der Schönen den Hof, aber sie hatte für schlecht gewachsene Männer nichts übrig und deshalb lachte sie ihn einfach aus. Aber er ließ sich nicht abschrecken und setzte ihr weiter so zu, daß sie sich entschloß, ihm durch einige Streiche den Appetit zu verderben. Als er ihr daher wieder einmal in den Ohren lag, da hieß sie ihn, sich bei der Hintertüre einzustellen: um Mitternacht werde er alle Pförtlein offen finden. Nun war das, wohlvermerkt, im dicksten Winter, und die Misthaufenstraße ist besonders zugig. Trotzdem fand sich Buckelchen pünktlich ein und lief, in einen dicken Mantel gehüllt, auf und ab, um nicht derweile einzufrieren. Schon fluchte er wie eine Herde Teufel beim Kirchensegen und wollte die Sache aufgeben, da sah er Licht durch die Ritzen schimmern und neu belebt lauschte er durchs Schlüsselloch.

»Seid Ihr da?« fragte die Färbersfrau.

»Freilich!«

»Hustet, damit ich's höre« (er hustet), »nein Ihr seid's nicht!« Worob Buckelchen schrie:

»Wieso bin ich's nicht? Kennt Ihr meine Stimme nicht mehr? Macht auf!«

»Wer ist da?« rief der Färber zum Fenster hinaus.

»So, nun habt Ihr meinen Mann geweckt, der heut Abend unversehens zurückgekommen ist.« Derweile hatte der Färber im Mondschein eine Gestalt vor der Tür erblickt, einen Kübel eisiges Wasser hinuntergeschüttet, und schrie nun: »Ein Dieb, zu Hilfe!' also daß Buckelchen die Beine in die Hand nahm und fortrannte.

Aber in seiner Angst sprang er schlecht über die Kette hinten bei der Straße und fiel in eine Senkgrube. Und während er in diesem duftigen Bade schier verreckte, verfluchte er die schöne Tascherette (so hatte mau sie nach ihres Mannes Namen gar zierlich getauft) schwur ihr höllische Rache. Denn Carandas, so lautet sein richtiger Name, war nicht so liebeverblendet, um an ihre Schuldlosigkeit zu glauben. Als er jedoch einige Tage später, kaum noch von jenem Bade erholt, bei dem Färber zu Nacht aß, da war das Weiblein so gar zutunlich und honigsüß zu ihm, daß ihm jeder Verdacht schwand und er sie neuerlich bestürmte. Und sie entgegnete mit einem Gesichte, als stünde ihr Sinn nur einzig nach ihm: »Kommt morgen abend. Mein Mann geht für drei Tage nach Chenonceaux, um mit der Königin deren neue Aufträge durchzusprechen. Da hat er eine gute Weile zu tun.«

Carandas also erschien zur angegebenen Zeit prunkhaft ausstaffiert und siehe: auf dem Tische lächelte ihm ein leckeres Mahl entgegen; aber was waren diese Köstlichkeiten gegen die bezaubernde Tascherette, die so einladend und wonnig ausschaute wie eine v ollreife, sonnensüße Frucht. Dem Mechanikus lief das Wasser im Munde zusammen, und eben wollte er sie im Sturme nehmen, als just Herr Tascherau laut wider dieStraßentüre pochte. »Himmel, was geschieht!'' ruft sie. »Flink in den Schrank! Schon einmal ist er mir Euretwegen aufs Dach gekommen; trifft er Euch jetzt, dann zählt Eure Knochen, denn in der Wut kennt er sich nicht mehr.«

Also hinein in den Schrank, Schlüssel in die Tasche und die Haustür aufgemacht! Natürlich wußte sie genau, daß ihr Mann zum Essen zurücksein würde. Sie begrüßte den Färber mit einigen schallenden Küssen, die er nicht minder klangvoll erwiderte; dann speisten sie und schäkerten, und schließlich gings ins Bett. Der Mechanikus mußte alles mitanhören ohne sich zu regen; wie ein Hering in der Tonne stand er dort zwischen Wäsche geklemmt und schnappte nach Luft wie ein Ertrinkender. Dazu erklang ihm gar tröstlich die Liebesmusik des Pärchens, seine Seufzer und ihr Gezirp. – Endlich glaubt Buckelchen, der Alte schliefe, und versucht den Schrank zu öffnen. Aber stracks ruft der Färber: »Wer ist da?«

»Was ist dir, Schatz?« fragt die Frau und guckt über die Bettdecke.

»Irgend etwas hat geraschelt, dünkte mir.«

»So wirds morgen regnen, das war die Katze,« meinte die Frau. Und während der Mann sich wieder niedergelegt hatte, spottete sie: »Nein, hast du aber einen leichten Schlaf. Weiß Gott, bei dir dürfte man's nicht wagen, sich einen Liebsten zuzulegen.« Am ändern Morgen kam dann die Schöne zum Schranke und ließ den Mechanikus hinaus, der totenbleich ausschaute. »Lust,« ächzte er, »Lust!« und dann machte er sich schleunigst davon. Von seiner Liebe war er ja nun geheilt, aber dafür barst er schier vor Haß. Er wandte Tours den Rücken und zog nach Brügge, wohin er von einigen Kaufleuten geladen war, um Maschinen zur Herstellung von Panzerhemden zu bauen. Und während seiner Abwesenheit dachte Carandas, der maurisches Blut in den Adern hatte, vom Morgen bis zum Abend, vom Abend bis zum Morgen nur an seine Rache, und oft genug sagte er: »Ihr Fleisch werde ich essen, ihre Brüste werde ich mir braten, nein, selbst roh werde ich sie verschlingen!« Und so kam der Tag, wo er wieder heimkehrte, reich beladen mit dem Gelde, das ihm seine mechanischen Geheimnisse eingebracht hatten. Davon kaufte er in der Misthaufenstraße ein schönes Haus, das heut noch ob seiner possigen Steinfiguren eine Sehenswürdigkeit ist. Bei seinem Gevatter hatte sich inzwischen mancherlei geändert insofern als der Färber nunmehr zwei Kindlein sein Eigen nannte, die weder dem Vater noch der Mutter glichen (in welchem Falle man dann sagt: ›ganz die Großeltern!‹, dafern die Goldchen hübsch sind; denn irgendwem müssen sie doch gleichen). Der Färber meinte, die Göhren sähen einem seiner Oheime ähnlich, aber böse Zungen schoben sie einem hübschen Pfaffen der Nachbarsgegend in die Schuh, dem sie wie aus dem Gesichte geschnitten waren. Und als Carandas gleich beim ersten gemeinsamen Essen die glückliche Familie und den geistlichen Gast beaugenscheinigen und zudem zu seiner Enttäuschung konstatieren konnte, daß die saftigsten Bissen dank Tascherettens Fürsorge auf des Pfaffen Teller glitten, da sagte er sich: »Mein Gevatter wird von seinem Weibe gehörnt und die Kindlein wurden mit Weihwasser gezeugt. Aber jetzt sollen sie eines Buckligen Gaben kennen lernen!« Natürlich tat er, als hätte er seine alte Liebe längst abgestreift, war zu allem gleichmäßig liebenswürdig, und nur als er zufällig mit Tascheretten allein war, wies er auf den bewußten Schrank und sagte: »Weiß Gott, damals habt Ihr mich aber fein an der Nase herumgeführt.«

»Daran wäret Ihr selbst schuld,« lachte sie, »denn hättet Ihr Euch damals aus Liebe weiter von mir narren und hineinlegen lassen, vielleicht wäre es Euch dann genau so gelungen mich herumzukriegen, wie allen den ändern.«

Darob lachte auch Carandas, aber innerlich platzte er vor Wut, zumal da Tascherette noch hübscher geworden war, wie alle Frauen, die im Jungbronnen der Liebe zu baden pflegen. Sorglich studierte er voll Rachedurst die näheren Umstände in seines Gevatters Hahnreischaft: denn solche wechseln von Fall zu Fall, wie nie ein Mensch dem ändern völlig gleicht. Und so bekam er bald herauf daß die geistliche Hornung doch bei weitem am schlauesten zustande kommt. Die Färberin zum Beispiel richtete sich folgendermaßen ein: jeden Samstagabend begab sie sich auf den Gutshof draußen, derweile der Gevatter noch Wochenabschluß machte und darum erst Sonntag früh mit dem Pfaffen die Stadt verließ und zu ihr eilte. Der verdammte Pfaff aber hatte dann schon am Abend vorher auf einer Fähre die Loire durchquert, der Färberin das Bett vorgewärmt und ihre Nachtruhe mit holden Träumen beglückt. Am Morgen eilte der Galgenstrick heim und ließ sich von Tascherau alldorten aus dem Bette holen. Und da er den Fährmann gut bezahlte und immer vom Dunkel der Nacht geschützt war, so blieb natürlich alles wohl verborgen.

Als nun Carandas das Programm genau kannte, erwartete er einen Tag, wo die beiden nach unfreiwilligem Fasten besonders ausgehungert wieder zusammenkamen und versicherte sich zunächst, daß der Pfaff auch richtig die Fähre bestieg. Darauf stürmte Buckelchen zu dem alten Färbersmann, der in seiner Liebe immer noch vermeinte der einzige zu sein, der seinen Finger in seines Weibes schönen Weihwasserkessel stecke. »Guten Abend, Gevatter!« rief der Mechanikus, und da platzt er auch schon mit seinem Geheimnis heraus und peitscht des Färbers Eifersucht, bis der den beiden blutigste Rache schwört. Darob sagt Buckelchen befriedigt: »Ich habe aus Flandern einen Degen mitgebracht der ist vergiftet und schon die geringste Schramme wird dadurch tötlich.''

»Komm, wir wollen ihn holen,« brüllt der Färber und stracks eilen beide zu des Buckligen Hause, nehmen den Degen und machen sich dann nach dem Gutshofe auf. »Werden wir sie auch im Bette abfassen?« grollt Tascherau.

»Nur Geduld!« höhnt Buckelchen.

Richtig war das Pärchen just dabei, den Vogel zu haschen, der allemal wieder entschlüpft und kichernd wiederholten sie immer und immer von neuem das gleiche Spielchen. »Ach, Schätzelein,« rief Tascherette und preßte den Pfaffen wider sich, als wolle sie sich von ihm zermalmen lassen, »ich hab dich zum Fressen lieb – nein, ich möchte dich so wohl in meiner Haut geborgen wissen, daß du nimmermehr hinaus könntest.«

»Mir wär's recht,« neckte er zurück, »aber da es im Ganzen nicht geht, mußt du schon mit einem Stücklein von mir vorlieb nehmen.«

In diesem holden Augenblicke betrat der Ehemann mit gezücktem Degen die Stube. Die Schöne kannte sein Gesicht zu gut, um nicht auf den ersten Blick zu verstehen, daß es um sie und ihren Liebsten geschehen war. Aber jählings warf sie sich halbnackt, mit aufgelöstem Haar, schön vor Scham, schöner noch vor Liebe, dem Färber in den Weg und rief: »Halt ein, Unseliger, du willst ja den Vater deiner Kinder töten!« Und war's nun die majestätische Würde seiner Hahnreischaft die ihn so unvermittelt blendete, war's seines Weibes Flammenblick, kurz, der Färber ließ den Degen seiner Hand entgleiten und der fiel dem Bucklichen der nachdrängte, auf den Fuß und tötete so den Verräter.

Buckelchens Ende

Buckelchens Ende


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