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In jener Zeit, da die Rittersleute einander auf der Jagd nach dem Glück bereitwilligst beistanden, begab es sich in Sizilien (ihr wißt hoffentlich, daß selbiges im Mittelländischen Meere liegt und einstmalen sehr berühmt war), daß ein Ritter im Walde einem anderen begegnete, der seinem Aussehen nach Franzose war. Offenbar aber befand sich dieser Franzose zur Zeit in recht kläglichen Verhältnissen; denn er besaß weder ein Pferd noch einen Knappen oder Gefolge und war derart jämmerlich ausstaffiert, daß man ihn ohne seine fürstliche Haltung und sein edelgeschnittenes Gesicht für einen Strolch hätte halten können. Natürlich war es ja möglich, daß sein Gaul durch Hunger oder Überanstrengung vielleicht infolge der Seefahrt auf dem Wege hierher verendet war; auf alle Fälle war aber der Rittersmann durch die Erfolge, die eine ganze Reihe seiner Landsleute in Sizilien errungen hatten, ebenfalls hierhergelockt worden. Der andere Ritter, namens Pezara, war Venetianer von Geburt, hatte der Republik aber schon vor langer Zeit den Rücken gekehrt. und da er am Hofe des Königs von Sizilien festen Fuß gefaßt hatte, so lag es auch gar nicht in seiner Absicht, seine Heimatsstadt wieder aufzusuchen. Als jüngerer Sohn hatte er dort keinerlei Erbteil zu erwarten, Handel zu treiben lag ihm nicht, und so hatte er seine Familie, so wie sie ihn, im Stich gelassen. Doch war seine Abstammung gar vornehm und an dem Hofe, wo er jetzt lebte, genoß er im weitesten Maße die Gunst des Königs. Dieser Venetianer also ritt auf einem schönen spanischen Hengst und war just in Gedanken darüber versunken, wie einsam er eigentlich bei Hofe dastand, wo er inmitten lauter Freunde keinen zuverlässigen Freund besaß, und wie wenig das Glück solchen Leuten ohne Anhang hold zu sein pflege. Gerade in diesem Augenblick erblickte er nun den Franzosen, dem es augenscheinlich noch viel kümmerlicher ging, maßen der Venetianer doch immerhin noch ein schönes Gewaffen, ein prächtiges Pferd, zahlreiche Dienerschaft und ein Haus besaß, darin er es sich nach Lust und Laune wohl sein lassen konnte. So rief er jenen zu:
»Ihr scheint mir weither zu kommen, da Ihr so eingestaubt seid!«
»Oh, das ist schon nicht mehr der Staub all der Wege, die ich zurückgelegt habe,« entgegnete der Franzose.
»Wenn Ihr so weit gereist seid, so dürftet Ihr ein welterfahrener Mann sein.«
»Freilich! Ich habe gelernt, daß man sich nicht um Dinge kümmern soll, die einen nichts angehen; daß jeder, mag er seinen Kopf auch noch so hoch tragen, doch immer nur auf dem gleichen Boden steht wie ich; daß man weder auf warmes Wetter im Winter, noch auf den Schlaf seiner Feinde oder gar auf die Versprechungen seiner Freunde bauen darf!«
»So seid Ihr weiter als ich!« rief der Venetianer voll bassen Staunens. »Denn Ihr sagt mir da Dinge, an die ich nie gedacht hätte.«
»Jeder muß für sich selber denken,« entgegnete der Franzose. »Und da Ihr mir soviel Fragen vorgelegt habt, darf ich Euch nun wohl auch um den guten Dienst bitten, mir den Weg nach Palermo oder doch wenigstens nach einem Gasthause zu weisen, da die Nacht schon nahe ist.«
»Kennt Ihr denn irgendeinen Franzosen oder einen sizilianischen Edelmann in Palermo?«
»Nein.«
»So könnt Ihr also nicht einmal darauf rechnen, daß man Euch dort gastlich aufnimmt?«
»Ich bin bereit, allen zu verzeihen, die mich vor die Tür setzen. Also, Herr, den Weg, bitte?«
»Ich habe mich genau so verirrt wie Ihr. So wollen wir zusammen suchen.«
»Dazu müßten wir beisammen bleiben; aber Ihr seid zu Pferd und ich zu Fuß.«
Darob ließ ihn der Venetianer mit aufsteigen und fragte ihn dann:
»Ahnet Ihr, wer ich bin?«
»Offenbar ein Mann.«
»Fühlt Ihr Euch denn sicher?«
»Oh, wenn Ihr ein Strolch wäret, so müßte man freilich für Euer Leben besorgt sein,« meinte der Franzose fürsorglich und setzte dem anderen einen Dolch auf die Brust. »Gut, gut, Freund Franzose, Ihr scheint mir ein gar kluger und vernünftiger Herr zu sein. So wißt, daß ich ein Edelmann am Hofe des Königs von Sizilien bin, daß ich mich aber einsam fühle und einen Freund suche. Euch scheint es ebenso zu gehen, sintemalen Ihr offenbar nicht mit Glücksgütern gesegnet und auf die Hilfe aller Welt angewiesen seid.«
»Wäre ich glücklicher, wenn alle Welt mit mir zu tun hätte?«
»Ihr seid ja ein ganz verteufelter Kerl, der mir mit jedem Wort eins auf den Mund gibt! Beim heiligen Markus, Herr Ritter, darf man in Euch Vertrauen haben?«
»Mehr wie in Euch, der Ihr unsere ritterliche Freundschaft damit beginnt, mir blauen Dunst vorzumachen. Denn Ihr behauptet, Ihr wäret verirrt und lenkt doch Euern Gaul wie einer, der den Weg recht gut kennt!«
»Habt Ihr mir etwa keinen blauen Dunst vorgemacht, da Ihr bei all Eurer weisen Erfahrung zu Fuß geht und Eure Ritterschaft unter der Maske eines Strolches verbergt? Dort ist das Gasthaus: mein Gefolge hält uns schon unser Nachtessen bereit.«
Der Franzose sprang vom Pferde und schritt mit dem Venetianer, dessen Einladung er annahm, in das Gasthaus. Dort setzten sich die beiden zu Tische. Der Franzose hieb alsbald so mordsmäßig ein, setzte seine Kauwerkzeuge mit soviel Eifer in Bewegung, daß er derart auch im Essen, so wie zuvor im Reden, eine bemerkenswerte Tüchtigkeit bewies. Und obgleich er gar manchen Humpen mit viel Schwung in sich hineingoß, blieb doch sein Auge lichterklar und sein Verstand wurde nicht einen Augenblick getrübt. Solchermaßen ward der Venetianer inne, daß er da einen gar stolzen Sproß des guten Adam kennen gelernt hatte, einen, der entschieden nicht aus einer falschen Rippe gedrechselt war. Während sie becherten, bemühte er sich seines neuen Freundes geheime Absichten allmählich aus ihm herauszukitzeln. Aber der ließ eher sein Hemd fahren, denn seine vorsichtige Zurückhaltung, und so entschloß sich der Venetianer, zunächst sein eigenes Wams aufzuknöpfen und solchermaßen des anderen Vertrauen zu erwerben. Darum schilderte er ihm denn die Zustände in Sizilien, wo damals Leufried zur Seite seines holden Weibes herrschte; beschrieb ihm das lockere und ritterliche Leben am Hofe, allwo Spanier , Franzosen, Italiener und sonstige hochgeborene Edelleute aus der verschiedensten Herren Länder sich‹s wohl sein ließen, allwo auch gar manche Prinzessin lebe, die gleichermaßen reich wie schön sei; enthüllte ihm des Herrschers hochfliegende Pläne, Morea, Konstantinopel, Jerusalem, den Sudan und andere Gebiete in Afrika zu erobern; wie diesem hochbegabte Männer zur Seite ständen, die immer neue Scharen aus der Blüte der christlichen Ritterschaft au den Hof zogen und gestützt auf diesen Glanz die Absicht verfolgte, einstens am Mittelländischen Meer die antike Größe Siziliens wiedererstehen zu lassen und Venedig, diesen gebietsarmen Staat, zu zermalmen. Alle diese Pläne habe er, Pezara, dem König eingegeben. Aber wenn er auch noch bei seinem Könige in Gunst stände, so fühle er sich doch schwach, da ihm die Hofleute allen Beistand verweigerten; und deshalb sei er auf der Suche nach einem Freunde, deshalb habe er sich am Ende entschlossen, sich unterwegs dem Schicksal auf gut Glück anzuvertrauen, und just während dieses Gedankenganges habe er nun ihn getroffen, der sich sofort als ein hochbefähigter Rittersmann entpuppt habe. So böte er ihm Waffenbrüderschaft an und stelle ihm seine Habe, sein Haus, alles zur Verfügung: Hand in Hand würden ihnen beiden die höchsten Ehren wie die herrlichsten Freuden offen stehen, wenn sie nur einander beiständen wie die Waffenbrüder zur Zeit der Kreuzzüge und keinerlei Geheimnisse voreinander hätten; da er, der Franzose, ja auch Erfolg und Beistand suche, so würde er doch wohl seinen Vorschlag bereitwilligst annehmen. Worauf der Franzose erwiderte:
»Beistand brauche ich nicht, denn ich kann auf etwas volles Vertrauen setzen, das mir jeden Wunsch erfüllen wird. Immerhin will ich auf Euren ritterlichen Vorschlag gern eingehen, mein teurer Pezara. Bald werdet Ihr sehen, daß Ihr dem Ritter Gauttier von Montsoreau, diesem Edelmann aus dem holden Tourer Lande, gar sehr zu Danke verpflichtet seid.«
»Besitzet Ihr denn eine Reliquie, auf die Ihr so stolz vertrauen dürft?«
»Ja! Meine gute Mutter hat mir einen Talisman mit auf den Weg gegeben, mit dem man Schlösser bauen wie vernichten kann; einen Hammer, der Gold prägt, mittel für alle Krankheiten, einen Reisestab, der unersetzlich ist und sich für teures Geld verpfänden läßt, ein Wunderwerkzeug, das ohne Lärm in jeder Schmiede Meisterleistungen ermöglicht.«
»Beim heiligen Markus! Da tragt Ihr ja ein wahres Weltwunder unter Eurem Panzerhemde!«
»Gar kein Wunder,« meinte der Franzose: »Eigentlich ein ganz natürlich Ding. Schaut her!«
Indessen erhob er sich, um zu Bett zu gehen, und ließ dabei ein Werkzeug der Freude sehen, wie der Venetianer ein gleiches noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Und als sie dann beide im Bette lagen (in dem gleichen, wie es damals so üblich war), da fuhr der Franzose fort:
»Mit diesem Hilfsmittel kann man alle Widerstände überwinden, indem man sich die Frauenherzen erobert, und sintemalen ja die Frauen am Hofe die Herrschaft führen, so wird Euer Freund Gauttier dort bald die Zügel in der Hand haben.«
Der Venetianer kam aus dem Staunen über Gauttiers geheime Schönheiten, damit diesen seine Mutter und wohl auch sein Vater beschenkt hatten gar nicht heraus. Wahrhaftig, damit mußte er überall Sieger bleiben, um so mehr, als sich zu dieser körperlichen Vollkommenheit die geistige Regsamkeit eines jugendfrischen Pagen, die Erfahrung eines alten Teufels gesellte. So schwuren sie sich denn treue Waffenbrüderschaft, dazwischen keines Weibes Herz sich drängen durfte, schwuren, ein Herz und eine Seele zu sein und immer gleichsam unter einer Decke zu stecken, und dann schliefen sie voll Zufriedenheit über ihre Brüderschaft auf dem gleichen Kopfkissen ein. So gings eben damals zu.
Tags darauf gab der Venetianer seinem Freunde Gauttier einen prächtigen Hengst, item eine volle Börse und feine seidene, golddurchwirkte Gewänder, und diese Ausrüstung hob dessen edles Aussehen noch gewaltig und setzte seine Schönheit erst ins rechte Licht, worob der Venetianer sicher war, daß jener alle Damenherzen knicken müsse. Seinem Gefolge befahl er, Gauttier so pünktlich zu gehorchen wie ihm selbst, und so bildeten sich selbige ein, ihr Herr habe auf einem Fischzuge diesen Franzosen erbeutet. Alsbald hielten die beiden Freunde ihren Einzug in Palermo, und zwar erwählten sie die Stunde, da der König und seine Gemahlin lustwandelten. Pezara stellte seinen Freund mit viel rühmenden Worten vor, pries seine edlen Vorzüge und verschafft ihm einen so huldreichen Empfang, daß Leufried ihn sogleich zum Abendessen einlud. Der Franzose beobachtete das Treiben am Hofe mit wachsamem Auge, und so hatte er bald zahllose Seltsamkeiten festgestellt. Der König war ein hochgemuter, schöner Fürst, seine Gemahlin eine riesig heißblütige Spanierin, vielleicht die schönste, edelste Frau am ganzen Hofe, aber offenbar schwermütiger Stimmung. Daraus schloß der Franzose gar scharfsinnig daß sie wohl vom König vernachlässigt würde. Denn eine alte Regel im Tourer Lande besagt, daß ein wahrhaft fröhlich Gesicht nur durch eheliche Freuden erzielt werden kann. Pezara zeigte denn auch seinem Freunde Gauttier etliche Damen, denen allen der König seine Gunst schenkte und die sich voller Eifersucht in den wundersamsten, mit glühendster Lüsternheit erklügelten Erfindungen liebevoller Zärtlichkeiten stürmisch überboten. Woraus Gauttier sehr richtig schloß, daß der König am Hofe seiner Geilheit freien Lauf ließ, obgleich er daheim die schönste Frau des Erdenrundes besaß, daß er alle Damen Siziliens mit Beschlag belegte, um seinen königlichen Zoll einzutreiben und seinen Gaul in fremde Ställe zu stellen, ihm die nötige Abwechselung im Futter zu verschaffen und ihn alle Gangarten der hohen Schule erlernen zu lassen. Da nun aber der Herr von Montsoreau sicher war, daß niemand, so wie die Dinge lagen, den Mut haben würde, der Königin ein Licht aufzustecken so beschloß er, selbst durch einen meisterlichen Handstreich seinen Lanzenschaft im Lager der schönen Spanierin aufzupflanzen. Und dabei ging er folgendermaßen zu Werke: Bei der Abendmahlzeit hatte der König dem fremden Rittersmann als Ausdruck besonderer Ehrung den Platz neben der Königin zugewiesen. So reichte Gauttier ihr die Hand, um sie in den Saal zu geleiten; doch er beschleunigte den Schritt, um die andern weiter hinter sich zu lassen, denn er wollte ihr gleich als Vorspeise eine der Unannehmlichkeiten sagen, die den Damen immer Freude machen. Aber es war doch kaum glaublich, wie er rücksichtslos alle Vorsichtsmaßregeln zur Seite ließ und stracks in den feurigen Busch der Liebe hineinstürmte. Er sagte nämlich gleich so frei heraus:
»Ich weiß, Frau Königin, warum Euer Antlitz so blaß erscheint.«
»Weshalb denn?« fragte sie.
»Ihr seid zu verführerisch, als daß der König tags oder nachts von Euch lassen könnte. So wird er am Ende von Kräften kommen und an Euern Reizen, an der Liebe zu Euch sterben.«
»Was kann ich tun, um ihn am Leben zu erhalten?« fragte die Königin ängstlich.
»Verbietet ihm vor dem Altar Eurer Schönheit mehr als drei ›oremus‹ täglich zu beten.«
»Ihr wollt meiner spotten, wie die Herren Franzosen das so in der Art haben, Herr Ritter! Wisset denn, daß mir der König immer gesagt hat, mehr als ein ›Pater‹ in der Woche habe einen jähen Tod zur Folge.«
»So hat er Euch angeschwindelt,« sagte Gauttier, während sie am Tische Platz nahmen. »Ich kann Euch beweisen, daß der Liebesgottesdienst das Hochamt, die Vesper, die Kompleten und hier und da noch ein Ave umfaßt, und das für Königinnen wie für schlichte Bürgersfrauen; diese Regeln müssen Tag für Tag ebenso streng eingehalten werden wie die Klosterregeln. Für Euch aber sollten die Litaneien überhaupt kein Ende nehmen.«
Die Königin warf dem schönen Rittersmann einen Blick zu, der keinen Zorn verriet; vielmehr lächelte sie und meinte dann kopfschüttelnd:
»In diesem Punkt nehmen es die Männer alle mit der Wahrheit nicht sehr genau.«
»Ich besitze genugsam Beweisstücke und wenn Ihr wollt, werde ich Sie Euch unterbreiten. Ich mache mich anheischig, Euch an eine königlich gedeckte Tafel zu setzen und Euch Leckerbissen darzubringen, soviel Ihr deren nur begehrt. So könnt Ihr leicht das Vorlorene nachholen, und während sich der König bereits genügend bei anderen Frauen zugrunde gerichtet hat, könnt Ihr über meine Schätze nach Herzenslust verfügen.«
»Wenn der König etwas davon erführe, wäret Ihr bald einen Kopf kürzer.«
»Selbst wenn mir dies Unheil nach der ersten Freudennacht widerführe, würden die erlebten Wonnen mir ein ganzes Jahrhundert aufwiegen; denn an keinem Hofe der Welt habe ich je eine Fürstin gesehen, die Euch an Schönheit auch nur nahe kam. Kurz und gut: wenn ich nicht mit dem Schwert gerichtet werde, so will ich durch Euch sterben, denn ich bin entschlossen, mein Leben dieser Liebe zum Opfer zu bringen.«
Niemals hatte die Königin solche Worte vernommen und ihr ward so wohl, als vernähme sie den himmlischsten Kirchengesang. Das erwies schon ihr Antlitz, das sich rötete, maßen seine Worte ihr Blut in Wallung brachten; die zarten Saiten ihrer Liebesharfe begannen in Schwingungen zu geraten und umschmeichelten sie mit vollen, sanften Akkorden, die ihr ganzes Ich zum Erbeben brachten. Denn die Frau ist ja eben ein wundersam-holdes Instrument, das gar empfindsam an jeder zartesten Schwingung teilnimmt. Und nun der Grimm, eine junge schöne Königin und Spanierin obendrein zu sein und betrogen zu werden! Gegen alle, die über diesen Verrat des Königs aus Angst vor ihm nicht gewagt hatten, den Mund zu öffnen, empfand sie alsbald einen tötlichen Haß und sie beschloß, sich mit Hilfe des kecken Franzosen zu rächen, der tollkühn gleich im ersten Gespräch gewagt hatte Worte an sie zu richten, die ihm den Kopf kosten konnten, wenn sie ihre Pflicht strengstens erfüllen würde. Aber das tat sie nicht. Vielmehr setzte sie in keineswegs zweideutiger Weise den Fuß recht nachdrücklich auf den seinen und sagte laut:
»Herr Ritter, reden wir lieber von etwas anderem, denn es ist nicht recht von Euch, daß Ihr eine arme Königin an ihrem schwächsten Punkt angreift. Erzählt uns lieber etwas von den Sitten der Damen am französischen Hofe.«
Solchermaßen also erhielt der Rittersmann einen zarten Wink, daß sein Wagnis von Erfolg gekrönt war. Fröhlich begann er die tollsten und gewagtesten Späßlein auszukramen und während des ganzen Essens kamen die Königin, der König, der ganze Hof, Damen wie Herren, nicht aus dem Lachen heraus. Und als Leufried die Tafel aufhob, erklärte er denn auch, niemals habe er so von Herzen gelacht. Dann eilten alle in den Garten, der wohl seinesgleichen nicht hatte, und wo alle sich fröhlich
ergingen. Die Königin aber nahm ein Wort des fremden Ritters zum Vorwand und entführte ihn in einen Hain blühender Orangenbäume, die gar wunderfam dufteten. Sofort hüb Gauttier an:
»Schöne und edle Königin, in allen Landen der Welt konnte ich beobachten, wie jede Liebe an dem zu Grunde geht, was man ›geziemlich den Hof machen‹ nennt. Habet Ihr Vertrauen zu uns, so laßt uns als verständige Leute die Affereien bei Seite lassen und uns dafür um so mehr lieben. Solchermaßen werden wir uns nicht verdächtig machen und lange Zeit ohne alle Gefahr unser Glück genießen. So sollten es alle Königinnen machen, wenn sie auf dies Vergnügen nicht überhaupt verzichten wollen.«
»Ganz recht«, meint sie. »Aber da ich auf diesem Gebiet noch gar keine Erfahrung habe, so weiß ich nicht, wie ich mich verhalten soll.«
»Habt Ihr unter Euren Hofdamen eine, auf die Ihr unbedingtes Vertrauen setzen könnt?«
»Ja, eine von ihnen ist mit mir aus Spanien hieher gekommen und die würde für mich durchs Feuer gehen. Leider ist sie immer kränklich.«
»Gut,« überlegte der wackere Gesell. »Besucht Ihr sie denn öfters?«
»O ja, und bisweilen sogar nachts.«
»Hah!« rief Gauttier, »dafür stifte ich der heiligen Rosalia, der Schutzpatronin Siziliens, zum Danke einen güldenen Altar.«
»So bin ich doppelt froh, daß mein holder Liebster obendrein auch noch gar fromm ist!«
»Ja, teure Frau, ich besitze jetzt zwei Königinnen, eine im Himmel und die andere auf Erden. Und beide kann ich von Herzen lieben, ohne daß darum eine oder die andere zu kurz kommt.«
Dies zarte Wort rührte die Königin dermaßen daß sie um ein Haar mit dem schlagfertigen Franzosen einfach über alle Berge gegangen wäre. Und sie sprach: »Die Heilige Jungfrau lebt in himmlischer Seligkeit. Mag mir durch die Liebe gleiches Glück zu Teil werden!«
»Bah! Sie reden von der Jungfrau Maria,« lächelte der König , der durch eine boshafte Bemerkung eines Höflings eifersüchtig gemacht worden und ihnen nachgeschlichen war. Denn des verflixten Franzosen schneller Erfolg hatte diesem schon Neider geschafft. Die Königin und der Rittermann besprachen nun die nötigen Maßnahmen und klügelten sie so fein aus, daß am Ende alle Vorbereitungen fix und fertig getroffen waren, um des Könige Helm mit dem bekannten unsichtbaren Schmucke zu zieren. Der Franzose mischte sich wieder unter die Hofgesellschaft, nahm alle für sich ein und kehrte dann in den Palast von Pezara zurück, dem er berichtete: ihr Glück sei nun gemacht, denn schon in der kommenden Nacht würde er die Konigin in Liebe umfangen. Dieser rasend-schnelle Erfolg blendete den Venetianer geradezu. Er sorgte eifrig dafür, daß sein Freund mit köstlichen Duftwässern, feinstem Linnen und sonstigen prächtigen Gewändern wohl versehen war, wie sich das für den Umgang mit Königinnen schickt. Und als er ihn damit in würdigster Weise ausgestattet hatte, da sagte er:
»Liebster Freund, bist du auch ganz sicher, ohne Straucheln festen Schrittes dein Ziel zu erreichen, der Königin sowohl zu dienen und ihr so herrliche Feste zu bieten , daß sie sich für immer an deinen Stab klammert wie ein Schiffbrüchiger an eine Planke?«
»Darob sei nur ohne Sorge, teuerer Pezara. Durch meine Reise bin ich schon seit langem im Rückstande, ich werde sein wie ein Hund, der lange an der Kette gelegen hat und endlich losgelassen wurde; ich werde sie wie eine schlichte Magd behandeln, werde ihr die Bräuche unserer Tourer Damen lehren, die mehr von Liebe verstehen als irgend eine Frau dieser Erde, weil sie nur dies eine Spiel kennen und daher immer wieder von vorn anfangen müssen, wenn sie damit fertig find. Also verabreden wir jetzt alles nötige. Von heute an haben wir die Zügel des Landes in der Hand: ich halte die Königin, du den König. Wir werden vor den Leuten die Komödie spielen, als seien wir miteinander in den Tod verfeindet, damit alle Parteispaltungen in unsern Händen wieder zusammenlaufen. Im Geheimen bleiben wir die Freunde, die wir waren, und so werden wir immer wissen, was die feindlichen Parteien widereinander vorhaben; können alles vereiteln, indem du erlauschst, was meine Feinde für Pläne wälzen, und ich deine Gegner aushorche. Darum werden wir also in einigen Tagen einen Streit vom Zaune brechen, der unser Zerwürfnis herbeiführt. Als Grund mag des Königs Gunst dienen, die ich dir durch die Königin sichern werde, und ich will mich als der Zurückgesetzte aufspielen, wenn du eine mächtige Stellung verliehen bekommst.«
Am nächsten Tage also schlich Gauttier zu jener spanischen Hofdame, nachdem er bereits den Höflingen erzählt hatte, daß er sie von Spanien her genau kenne. Doch blieb er sieben volle Tage, und man kann überzeugt sein, daß er der Königin alle nur erdenkliche Liebe und Güte erwies und ihr einen hinreichenden Einblick in das unbekannte Liebesland verschaffte, in die französischen Sitten und ihre Art höflich, ermunternd und liebenswürdig zu sein. Die Königin war am Ende ganz aus dem Häuschen und schwur hoch und heilig, nur die Franzosen wüßten wirklich zu lieben. So fand der König seine Strafe dafür, daß er in diesen hübschen Liebesspeicher nur Spreu abgeladen hatte, um sein Weib in den Bahnen der Tugend zu erhalten. Die Königin war von diesen himmlischen Seligkeiten so bis ins Innerste ergriffen, daß sie dem guten Montsoreau Treue bis in den Tod zuschwor, denn seine Leckerbissen hatten sie zu neuem Leben erweckt. Sie vereinbarten dann, daß die spanische Hofdame immer weiter die Kranke spielen müsse, und daß man nur noch den Hofmedikus, der seiner Königin tief ergeben war, mit ins Vertrauen ziehen dürfe. Dieser Mann befaß dank einer Fügung ganz die gleichen Stimmbänder wie Gauttier, so daß die Stimmen der beiden zur großen Verwunderung der Königin kaum voneinander zu unterscheiden waren. Der Leibmedikus also schwur bei seinem Leben, immerdar diesem schmucken Paar treu ergeben zu sein; denn auch ihn dauerte die Verlassenheit des armen Weibes, und er war tief beglückt, als er sie jetzt wirklich wie eine Königin bedient wußte. Das ist nämlich ein recht rarer Fall.
So verlief derMonat zur vollsten Zufriedenheit der zwei Freunde. Durch Vermittlung der Königin, die ihre Pläne durch geschicktes Lavieren verwirklichte, wurde die Regierung über Sizilien Pezara in die Hand gespielt und Montsoreau, der beim König ob feiner Klugheit in großem Ansehen stand, wurde zurückgesetzt. Denn die Königin erklärte, er wäre ein unhöflicher Kerl, den sie nicht ausstehen könne. Der König setzte seinen ersten Minister Cataneo ab, und Pezara bekam seinen Posten. Der Venetianer ließ seinen Freund links liegen. Darob geriet der in große Wut, schrie in allen Ecken, er sei von seinem Freunde verraten worden, und hatte so mit einem Schlage Cataneo mit dessen Anhang hinter sich, mit denen er allerlei Pläne schmiedete, wie man Pezara stürzen könne. Der Venetianer hingegen war ein staatskluger, hochbegabter Mann, wie das soviele seiner Landsleute sind, und schuf auf seinem Posten wahre Wunder in Sizilien: baute die Häfen aus, erdachte allerlei Handelserleichterungen, die den Verkehr nach dorthin zogen, schaffte der armen Bevölkerung ertragreiche Arbeit, berief Künstler aller Art, veranstaltete prächtige Feste und lockte so die reichen Nichtstuer zumal aus östlichen Ländern herbei. So wurden denn die reichen Ernten teuer abgesetzt, Land und Handelsgüter stiegen im Wert, die Galeeren und Kauffahrteischiffe vermittelten einen riesigen Verkehr mit Asien, und der König war bald allenthalben beneidet und galt inmitten seines prunkhaften Hofes für den glücklichsten Herrscher Europas. Das alles aber verdankte er nur dem schattenlosen Einvernehmen der beiden Männer, die sich so wohl verstanden: der eine sorgte ja auch persönlich für die Zufriedenheit und das wirkliche Glück der Königin, die fortan immer fröhlich dreinschaute, da ein Touraner nach seines Landes Weise ihr diente und sie mit der ganzen Glut seiner Seele liebte: er sorgte auch unter der Hand dafür, daß der König gleichfalls nicht zu kurz kam, indem er ihm neue Liebhaberinnen in die Arme warf und ihn aus einer Zerstreuung in die andere schleppte. Der König hinwiederum war über seiner Gemahlin unerschütterlich gute Laune sehr angenehm verwundert, denn seit der Herre von Montsoreau in sein Land gekommen war, hatte er sie so wenig angerührt, wie ein Jude den Schweinespeck. Somit war also das Königspaar beschäftigt und überließ seine Sorgen dem anderen Freunde, der die Regierungsgeschäfte führte, alle Anordnungen traf, die Finanzen regelte, und gleichermaßen auch die Kriegsmannschaften in der Faust behielt denn er wußte recht gut, wo er Geld eintreiben konnte, ließ sich keinen Heller entgehen und entwickelte damit wieder die großzügigen Unternehmungen, von denen zuvor die Rede war.
Dies herrliche Zusammenwirken dauerte drei, nach anderen Quellen vier Jahre, denn die Benediktinermönche konnten die genaue Zeit nicht feststellen, und so muß dieser Punkt ebenso dunkel bleiben wie die Gründe, weshalb die zwei Freunde hintereinander kamen. Wahrscheinlich packte den Venetianer der Ehrgeiz, ohne Mitwirkung und Kritik eines anderen die Zügel der Regierung in der Hand zu behalten, und er vergaß darüber die Dienste, welche der Franzose ihm leistete. So geht's ja immer bei den Höflingen, wie auch Herr Aristoteles ganz richtig irgendwo sagt: nichts auf der Welt verblaßt so schnell wie eine Wohltat, obgleich allerdings auch die Liebe bisweilen schnell ranzig wird. Kurz, Pezara baute so fest auf König Leufrieds Gunst (der ihn bereits Gevatter nannte und ihn selbst, wenn er's gewollt hätte, in sein eigenes Hemd gesteckt haben würde), daß er beschloß seinen Freund kurzerhand abzutun, indem er den König in das Geheimnis seiner Hahnreischaft einweihte und ihm den Grund zeigte, weshalb die Königin immer so guter Laune war. Denn er zweifelte nicht einen Augenblick, daß Leufried mit dem Herrn von Montsoreau den in Sizilien üblichen kurzen Prozeß machen und ihn ohne große Umstände einfach um seinen Kopf kürzen würde. So hätte Pezara zugleich auch das ganze Geld in die Hand bekommen , das er mit Gauttier gemeinsam in einem Bankhaus zu Genua aufspeicherte und dessen Zinsen sie als Waffenbrüder gemeinsam verzehrten. Dieser Schatz war, zumal durch die prächtigen Geschenke der Königin für Montsoreau, ganz riesenhaft angewachsen. Denn diese besaß große Güter in Spanien und auch in Italien waren ihr einige durch Erbschaft zugefallen. Andererseits wurde der Minister vom Könige reichlichst bedacht und durfte von den Kaufleuten und bei allerlei Untersuchungen bestimmte Abgaben für sich einziehen. Aber der Verräter mußte immerhin seine Treulosigkeit derart ins Werk setzen, daß sie den Freund sofort tödlich traf, und das war nicht leicht, denn Gauttier war nicht der Mann, den man so einfach in einen Sack stecken konnte. So erwartete denn Pezara eine Nacht, wo er ganz sicher wußte, daß die Königin in ihres Liebsten Armen lag (der sie übrigens noch mit der gleichen Glut liebte als wäre es die Hochzeitsnacht, denn auch sie hatte Vorzüge, daran man nie genug bekommen konnte). Er erklärte dann dem König, er wolle ihm Gelegenheit geben, sich mit eigenen Augen von dem Betruge durch ein Loch zu überzeugen, daß er in der Tür zur Kleiderkammer der spanischen Hofdame, die noch immer die Todkranke fpielte, hatte anbringen lassen. Damit es besser zu sehen war, wartete Pezara bis zum Sonnenaufgang. Die spanische Hofdame war aber nicht nur in Wirklichkeit recht wohl zu Fuß, sondern sie hatte auch Ohren, die das Gras wachsen hörten. Und so vernahm sie leise Schritte, schnupperte, äugte und gewahrte so den König und den Venetianer durch eine Ritze der Kammer, darin sie in den Nächten zu schlafen pflegte, wo die Königin ihren Freund zwischen zwei Bettlaken gefangen hielt, was im allgemeinen die beste Art ist, einen Freund an sich zu fesseln. Sofort lief sie hin, um das Pärchen zu warnen. Aber der König lugte schon durch das verdammte Loch. Und was sah er? Diese göttlich schöne Lampe, die so viel Öl verbrennt und die ganze Welt erleuchtet, die Lampe, die mit so prächtigem Schmuckwerk geziert ist, die immer hell leuchtet, und die ihm nun viel schöner schien als alle anderen, maßen er sie solange nicht mehr gesehen hatte, daß ihn bedünkte, er habe sie überhaupt noch nicht gesehen. Allerdings war das Loch zu klein, als daß er noch mehr sehen konnte, aber er merkte doch, wie eine Männerhand sich schamhaft über besagte Lampe deckte, und dann hörte er die Stimme von Montsoreau sagen: »Nun, wie geht es Kleinchen heute morgen?« Das war so ein Kosewort, wie es Liebhaber in zärtlich-fröhlicher Laune erfinden, denn selbige Lampe ist ja in Wahrheit in aller Herren Länder die Liebessonne, und darum wird sie so gern mit den köstlichsten Dingen dieser Welt verglichen, wie: mein Granatäpfelchen, mein Röslein, mein Muschelchen, mein Igelchen, mein Liebesgolf, mein Schätzelein, mein Kleinchen. Und so gibts noch eine Menge Namen: wenn ihr's nicht glaubt, braucht ihr euch nur zu erkundigen. In diesem Augenblick kam die Hofdame angeschlichen und gab der Königin durch Zeichen zu verstehen , daß der König da sei.
»Lauscht er?« flüsterte die Königin.
»Ja.«
»Sieht er?«
»Ja.«
»Wer hat ihn hergebracht?«
»Pezara.«
»Hole schnell den Leibarzt und laß Gauttier in sein Zimmer schlüpfen.«
In weniger Zeit, als ein Bettler sein Klagelied gesungen hätte, hüllte die Königin die Lampe in blutrot benetzte Linnen, so daß sie aussah, als wäre dort eine schreckliche, schwärende Entzündung. Und als der König in rasender Wut ob der Worte, die er gehört hatte, die Tür sprengte, fand er die Königin auf dem Bett an der gleichen Stelle liegen, wo er sie durch das Loch erblickt hatte, aber vor ihr den Leibmedikus, der die Lampe eingehend mit seiner Hand inspizierte und mit dem gleichen Tonfall, wie ihn der König eben gehört hatte, wieder fragte: »Nun sagt doch, wie geht es Kleinchen heute morgen?« Das ist so eine Art, wie die Herren Physici zu scherzen lieben, wenn sie mit Damen zu tun haben und gewisse Worte in anmutiger Weise umschreiben wollen. – Ob dieses Anblickes war dem König zu Mute wie einem Fuchs in der Falle. Die Königin aber fuhr purpurrot vor Scham in die Höhe, schrie auf, wer zu dieser Stunde bei ihr einzudringen wage, und wie sie dann den König vor sich sah, da schmetterte sie ihm entgegen: »Ah, teurer Herr, jetzt bekommt Ihr doch zu sehen, was ich vor Euch so sorglich verbarg. Das kommt davon, daß Ihr Euch um mich nicht mehr kümmern wolltet: nun habe ich davon ein arges Leiden davongetragen, das ich Euch aus Stolz bisher verborgen hielt! So mußte ich mich heimlich verbinden lassen, mußte um Eurer Ehre und der meinen willen in den Gemächern meiner teuren Freundin Miraflor Zuflucht suchen, die mein Leiden bergen hilft.« Daran anschließend hielt der Leibarzt dem Könige einen Vortrag, der nur so von lateinischen Worten, köstlichen Zitaten aus Hippokrates, Galenus, der Salerner Schule und ähnlichen Werken wimmelte und haarscharf nachwies, wie gefährlich es für eine Frau sei, wenn ihr Venusgärtlein jeder Fürsorge entbehre, und daß Königinnen mit spanisch-heißem Blute hierbei sogar den Tod davontragen könnten. Alles das brachte er über die Maßen feierlich vor, zupfte an seinem Barte und türmte Satz auf Satz, damit der Herre von Montsoreau Zeit genug fände, in sein Bett zu schlüpfen. Dann ergriff die Königin das Wort und hielt ihm eine Rede, die mindestens eine Meile lang war, um im wesentlichen allerdings nur das gleiche zu sagen. Dann aber nahm sie seinen Arm und erklärte: sonst zwar ließe sie sich zum Schutz vor Lästerzungen von ihrer armen kranken Freundin zurückgeleiten, aber diese sei so schonungsbedürftig, daß er ihr dies Amt heute abnehmen solle. Als sie in den Gang kamen, wo der Herre von Montsoreau wohnte, da sagte die Königin scherzend: »Eigentlich solltet Ihr diesem Franzosen einen Streich spielen, denn ich wette, er steckt bei irgendeiner Dame und ist gar nicht daheim. Sämtliche Hofdamen sind wie vernarrt in ihn, und es wird noch Schererei mit ihm absetzen. Hättet Ihr meinen Rat befolgt, dann wäre er längst nicht mehr in Sizilien.«
Der König trat jählings bei Gauttier ein: aber der lag in tiefem Schlaf und schnarchte wie ein Geistlicher beim Kirchengesang. Die Königin ging dann mit dem König in ihre Gemächer, ließ ihn aber nicht fort, sondern benutzte nur einen Augenblick, um Cataneo, den Pezara aus seinem Amte verdrängt hatte, zu sich entbieten zu lassen. Als sie plaudernd und scherzend mit dem König beim Frühstück saß, wurde ihr dann Cataneo gemeldet. Sie ließ ihn in ein Nebenzimmer führen, ging zu ihm und sagte: »Laßt einen Galgen auf dem Wall errichten, laßt Pezara ergreifen und sorgt dafür, daß er auf der Stelle aufgeknüpft wird, ohne zuvor auch nur Gelegenheit zu finden, ein Wort zu schreiben oder mit jemandem zu sprechen. So ist unser allerhöchster Wunsch und königlicher Befehl.« Cataneo wartete gar keine Erklärungen ab. Während noch Pezara glaubte, daß sein Freund Gauttier jetzt einen Kopf weniger besäße, verhaftete ihn bereits Cataneo und führte ihn geradeswegs zum Schloßwall. Von dort erblickte er im Fenster bei der Königin den Herrn von Montsoreau, der mit dem Könige und den Höflingen plauderte. Und so ward er inne, daß ein Posten bei der Königin doch zuverlässiger war als einer beim König. »Lieber Freund,« sprach just die Königin zu ihrem Gemahl und führte ihn an das Fenster, »seht dort den Verräter, der Euch das teuerste Kleinod. so Ihr auf besitzt, entreißen wollte. Wollt Ihr Beweise dafür, so will ich sie Euch gern liefern, und Ihr möget Euch dann eindringlichst davon überzeugen.«
Als Montsoreau die Vorbereitungen zu dieser hochnotpeinlichen Exekution erblickte, warf er sich dem Könige zu Füßen und bat ihn um Gnade für Pezara. Und da der Venetianer ja für seinen Todfeind galt, so war der König bis ins Innerste gerührt. Die Königin aber rief mit zornbebendem Antlitz:
»Herr von Montsoreau, solltet Ihr die Keckheit besitzen, unsern königlichen Befehlen in den Weg treten zu wollen?!«
»Ihr seid ein wahrer Edelmann!« sprach der König und hob Gauttier auf. »Ihr scheint nicht zu wissen, in welchem Maße der Venetianer Eure Vernichtung betrieb.«
Pezara wurde also fein säuberlich zwischen Kopf und Schultern aufgeknüpft, derweile die Königin ihrem Gemahl seinen Verrat durch die Aussagen eines Bankhalters nachwies, der da berichtete, welch riesige Summen Pezara auf der Bank von Genua besaß. Dies Geld wurde alles dem Herrn von Montsoreau zum Geschenk gemacht.
Die Geschichte Siziliens berichtet uns, daß die schöne, edle Königin an den Folgen einer schweren Entbindung starb. Ihr Sohn, den sie damals gebar, war zwar ein großer Mann, aber er war in seinen Unternehmungen vom Unglück verfolgt. Die Angaben des Leibmedicus überzeugten natürlich den König, daß die schwere Blutung nach der Geburt nur eine Folge der Enthaltsamkeit war, die der König seinem Weibe auferlegt hatte. So maß er sich selbst die Schuld an dem Tode seiner tugendsamen Gemahlin bei und stiftete voller Reuen der Madonna eine Kirche, die wohl die schönste in ganz Palermo ist. Als der Herre von Montsoreau seinen Schmerz sah, da sagte er ihm: wenn ein König sich seine Gemahlin aus Spanien holt, dann müsse er auch wissen, daß er für diese noch mehr sorgen müsse als für jede andere, maßen die Hispanierinnen so gar heißblütig seien, daß sie wohl zehn Frauen gleichkämen. Wollte er eine Frau zu Dekorationszwecken, dann hätte er sie aus Norddeutschland holen müssen, wo es ihnen an der nötigen Kühle ja nicht fehle. Der wackere Rittersmann kehrte über und über mit Schätzen beladen in sein Heimatland zurück und lebte dort noch viele, viele Jahre; aber über seine glücklichen Erfolge in Sizilien hielt er fein den Mund. Allerdings kehrte er noch einmal dorthin zurück, um den Feldzug des jungen Königs (des Sohnes) wider Neapel mitzumachen. Als der schöne Prinz aber dabei sein Leben ließ, so wie man in der Chronik nachlesen kann, da verließ er Italien für immer.
Diese höchst belehrsame Geschichte erweist also endgültig, daß Fortuna ein Weib ist, das es natürlich auch wieder mit den Frauen hält, weshalb also die Männer sehr klug daran tun, diesen hübsch fein zu Diensten zu sein. Des ferneren erweist sie auch, daß Schweigen neun Zehntel aller Weisheit ausmacht. Aber noch eine gar moralische Betrachtung leitet der Mönch, der diese Geschichte niederschrieb, aus ihr ab: daß nämlich eine Freundschaft, die um eines Vorteils willen abgeschlossen wird, gerade daran zu Grunde geht. Daraus könnt ihr nun auswählen, was euch am besten gefällt.