Aristoteles
Nikomachische Ethik
Aristoteles

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Vierzehntes Kapitel.

Da es im Leben auch eine Erholung gibt und bei dieser eine mit heiterem Scherze verbundene Unterhaltung, so (1128a) scheint es auch hier eine angemessene Art des Verkehrs zu geben, eine Art zu sprechen was und wie man soll, und ebenso zu hören, obschon es auch wieder einen Unterschied macht, ob man bei solchen Gesprächen das Wort führt oder blos zuhört. Offenbar findet sich aber auch hier der Mitte gegenüber ein Zuviel und ein Zuwenig.

Die nun im Scherzen zuviel tun, erweisen sich als Possenreißer und lästige Menschen, indem sie schlechterdings darauf aus sind, Spaß zu machen, und sich mehr Mühe geben, Lachen hervorzurufen, als etwas Anständiges zu sagen und die aufgezogene Person nicht zu verletzen. Die aber selbst niemals scherzen und denen, die einen Scherz machen, böse sind, erscheinen als steif und trocken. Die aber angemessen zu scherzen wissen, heißen artig und gewandt, als wüßten sie sich wohl zu wenden. Denn solche Scherze sind gleichsam Bewegungen des Charakters, des inneren Menschen, und wie man die Körper nach ihren Bewegungen beurteilt, so auch des Menschen sittliche EigenartHiernach hat also Aristoteles ευτράπελος von τρέπειν wenden, drehen abgeleitet. – Man beurteilt die Körper nach ihren Bewegungen. Schwer sind die Körper, die sich nach unten, wie Erde und Wasser, leicht die, die sich nach oben, wie Feuer und Luft bewegen; weder schwer noch leicht endlich die Körper, die sich im Kreise bewegen, nach Aristoteles die ätherischen Himmelskörper; vgl. den Anfang der Schrift de coelo. Man könnte also ευτράπελος mit gewandt übersetzen. Weil nun aber das η̃θος, die sittliche Art des Menschen, im Verkehr, besonders im Scherz, zum Vorschein kommen soll, so könnte man es doch auch wieder mit artig übersetzen. Vgl. auch II. Buch, 7. Kapitel, Anm. 51. . Da aber das Komische ungemein beliebt ist und die Meisten für Scherz und Spott mehr als gebührlich eingenommen sind, so werden auch wohl die Possenreißer als angenehme Leute artig genannt. Daß sie sich aber von ihnen unterscheiden, und zwar nicht wenig, erhellt aus dem Gesagten.

Dem mittleren Habitus in dieser Beziehung ist auch die WohlanständigkeitGr. επιδεξιότης, lat. dexteritas. eigentümlich. Es verrät den anständigen Menschen, nur solches zu sagen und anzuhören, was sich für einen gesitteten und vornehmen Mann paßt. Gewisse Scherze nämlich geziemt es sich wohl für einen solchen Mann zu machen und anzuhören: es ist ein Unterschied zwischen dem Scherz vornehmer und roher, dem Scherz gebildeter und ungebildeter Personen. Man kann das auch an den Lustspielen der Alten und der Neueren sehen : jenen lag das Komische in der Zotenreißerei, diesen liegt es vielmehr in der Doppelsinnigkeit, was beides in Bezug auf Schicklichkeit nicht wenig verschieden istυπόνοια, Doppelsinnigkeit, eine Rede oder ein Wort, wo sich unter dem nächsten oder Litteralsinn ein anderer Sinn versteckt, der eigentlich in betracht kommt. .

Wie ist nun der, der auf die rechte Weise spottet, zu bestimmen? Etwa dahin, daß er sage was für einen humanen Mann paßt, oder dahin, daß er den Hörer nicht kränke oder ihn gar ergötze? Oder sollte auch das zu unbestimmt sein? Ist doch dem dies, dem jenes unangenehm und angenehm, wonach sich dann auch die Aufnahme richtet, die das Gehörte findet. So wird denn gelten müssen, daß unser Mann sich nur solches zu sagen erlaubt, was er selbst gern mit anhört. Er wird sich also nicht alles erlauben. Der Spott ist eine Art Schmähung, und die Gesetzgeber verbieten gewisse Schmähungen; vielleicht sollten sie auch gewisse Spöttereien verbieten. Der freie und gebildete Mann wird sich nun von selbst so verhalten, indem er sich selbst gleichsam Gesetz ist.

So also ist der Mann der Mitte beschaffen, mag man ihn nun wohlanständig oder artig nennen.

Der Possenreißer hat eine Schwäche fürs Lächerliche. Er schont weder sich noch andere, wenn er nur die Leute zum Lachen bringen kann, und sagt Dinge, dergleichen ein feiner (1128b) Mann nicht sagen, zum Teil nicht einmal anhören würde.

Der steife und griesgrämige Mann ist für solchen Verkehr unbrauchbar. Zur Unterhaltung trägt er nichts bei und nimmt Anstoß an allem. Und doch scheint Erholung und heiterer Scherz für das Leben notwendig.

So hätten wir denn von dreien Mitten im geselligen Leben gehandelt, die es sämtlich mit dem Verkehr in bestimmten Reden und Handlungen zu tun haben. Ihr Unterschied liegt darin, daß es sich bei der einen um die Wahrheit, bei den beiden anderen um das Lustbringende handelt. Und von denen, die es mit der Lust zu tun haben, bewegt sich die eine im Scherz, die andere in dem Verkehr des sonstigen Lebens.


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