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Der Rekrut

J. P. Hebel

Ein junger, schön gewachsener Bursche mit krausen, rötlichen Haaren und viel Laubflecken sagte dem preußischen Offizier, der ihn hinten auf sein Gefährt aufsitzen ließ, nicht, wo er daheim sei, bis es Zeit war. Auf das Gefährtlein aber war er folgendergestalt gekommen. Als der Offizier an ihm vorbeifuhr auf der Straße, etwas langsam, weil's bergan ging, und bei solcher Gelegenheit ein Pfeifchen Tabak stopfte, dachte der Rotkopf: »Fahren ist ringer als laufen, wenn's geratet,« und zog auch sein hölzernes Pfeiflein aus der Tasche. »Wolltet Ihr nicht so gut sein, gnädiger Herr, und mir auch Tabak geben zu einer Pfeife. Ich will Euch derweilen Feuer schlagen.« Dem Offizier, der aus dem Urlaub zu seiner Garnison zurückkehrte, leuchtete das kräftige Alter und der schöne, kecke Wuchs des Knaben nicht übel ein. »Wo bist du her, mein Sohn?« – »Von da und da. Ihr müßt ja durchgefahren sein vor etwa einer Stunde. Mein Vater ist der Schwanenwirt, eigentlich aber mein Stiefvater.« – »Was ist dein Geschäft auf der Straße?« – »Drum will ich dem König dienen und gehe auf den nächsten Weideplatz.« – »Wieviel Jahre hast du?« – »Neunzehn seit vorgestern, und nicht viele gute darunter. – Drum hat mir vorgestrigen Tages die Mutter einen Kronentaler gegeben. Großer, hat sie gesagt, du wirst neunzehn Jahre alt, mach' dir einen guten Abend dafür. Für einen Kronentaler kann man mehr als einen Rausch trinken, aber ich habe nur einen dafür getrunken. Heute früh, vor zwei Stunden, als ich noch im Bette lag, ist der Vater mit dem Geißelstecken gekommen und hat mich gewalkt. Es ist nicht das erstemal. Und die Mutter hat er auch bearbeitet. Es ist auch nicht das erstemal. Willst du alles an den Lümmel hängen, hat er gesagt, an den rothaarigen Galgenstrick?« – Der Offizier gab ihm hierauf ein wenig Tabak in die Hand und sagte: »Du kannst hinten aufsitzen, wenn wir auf der Höhe sind. Ich will dich mitnehmen.« – »Ich verlange kein Handgeld,« sagte der Rotkopf und schlug an die Tasche.

»Kann man den Schwanenwirt zwingen,« fragte er, »daß er mir mein Väterliches verabfolgen läßt, wenn ich majorenn bin.« Der Offizier sagte: »Sobald du majorenn bist, soll's nicht fehlen.« Auf der Station, wenn die Pferde gewechselt wurden, ließ er ihm gut einschenken, um ihm frohen Mut zu machen, und wenn er ausgetrunken hatte, sagte er: »Es schmeckt doch nicht recht, wie's soll, wenn man den Tag vorher etwas zu viel gehabt hat.« Unterwegs saß er bald auf dem Brett, bald stellte er sich wie ein Bedienter, der hinten aufsteht, erzählte dem Offizier allerlei, oder pfiff ein lustiges Stücklein. Der Offizier sagt: »Du kannst Pfeifer-Major werden bei des Königs Leibgarde. Solche gibt's nicht viel in der Armee.« – »Ich kann auch die Orgel spielen.« – »Gut! Du kannst auch General-Feldorgelspieler werden. Aber zuerst mußt du von unten herauf, als Regimentsblasebalgtreter dienen.« Wart' nur, dachte er, bis ich dich in Magdeburg habe. Das Orgelspielen wird dir vergehen. Aber gegen Abend, als sie durch den Wald fuhren, stellte sich der Rotkopf wieder auf die Beine, eigentlich aber nur auf eins, denn das andere hielt er auf den Sprung parat. »Jetzt, wenn Ihr um die Waldspitze herum seid, gnädiger Herr, rechts erblickt Ihr in der Ferne ein Dorf mit einem halben Kirchturm, dort bin ich daheim. Ich bedanke mich, daß Ihr mich so weit habt lassen mitfahren.« Aber als er die letzten Worte sagte, sprang er schon über den Straßengraben und husch in den Wald hinein, wie ein gejagter Hirsch; weg war er. Denn es war ihm nur ums Mitfahren zu tun.

Der Offizier schoß ihm zwar mit der Kugelbüchse nach. Aber die Kugel konnte ihn im Wald zwischen den vielen Bäumen nimmer ausfindig machen. Der Postillon aber sagte: »Es hat mich schon lang wunder genommen, was Ihr mit dem Halunken hinten auf der Chaise tut. Ich kenne den roten Spitzbuben wohl,« sagte er.


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