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An der Domkirche zu Hildesheim steht ein merkwürdiger Rosenstock, der aus der Zeit Ludwigs des Frommen (814 bis 843) stammen soll und demnach schon über tausend Jahre alt ist. Über seinen Ursprung erzählt man sich folgendes:
Der Kaiser Ludwig, der ein frommer Mann war, trug stets einen Rosenkranz zum Gebet bei sich. Als er einst auf der Jagd war im Walde Hils, von dem die Stadt Hildesheim ihren Namen erhalten haben soll, verlor er denselben. Das verursachte dem Kaiser großes Herzeleid; alle seine Diener mußten das verlorene Kleinod suchen, und er gelobte und sprach: »Wo der Rosenkranz wieder gefunden wird, da will ich eine Kapelle bauen lassen zur Ehre Gottes, meines Herrn.« Endlich fand man ihn an dem Zweige eines wilden Rosenstocks, der stand in voller Blüte, obgleich es mitten im Winter war und hoher Schnee die Gegend bedeckte. Der Kaiser sprach: »Dies ist Hildeschnei« (heiliger Schnee), »den mir der Himmel als Zeichen sendet, und Hildeschnei soll fortan die Stätte hier heißen!« Der Kaiser hielt sein Gelübde und ließ an der Stelle eine Kapelle bauen, die war das erste Gebäude von Hildesheim; auch verlegte er den Bischofssitz, den sein Vater Karl der Große zu Elze errichtet hatte, hierher. Wo der Rosenstock gestanden hatte, war jetzt der Altar des Gotteshauses. Die Wurzeln aber trieben unter dem Mauerwerk einen neuen Schößling hervor, und der wuchs fröhlich und blieb auch verschont, als die spätere Domkirche durch eine Feuersbrunst eingeäschert wurde. An der nördlichen Mauer des neuen Domes ist er wie ein Weinstock emporgewachsen; seine Krone ist gegen neun Meter hoch, während sie sich zehn Meter nach den Seiten hin ausbreitet. Alljährlich prangt er im vollsten Blütenschmuck, und niemand sieht ihm sein hohes Alter an. Manche Leute schreiben seinen Blättern und Blüten heilsame Kräfte zu und glauben, durch dieselben Zahnschmerzen und Gicht vertreiben zu können. Die Fremden, die nach Hildesheim kommen und den prächtigen Dom besehen, versäumen nicht, sich auch den berühmten Rosenstock zeigen zu lassen, der in der ganzen Welt nicht seinesgleichen hat.