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Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen
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Aloys Wilhelm Schreiber

Die Kapelle auf dem Stromberg.

Unfern des Siebengebirges wohnte in alten Zeiten ein Ritter, Diether von Schwarzeneck mit Namen. Er wollte den Kreuzzug nach dem gelobten Lande machen und ging nach Speier, wo sich damals der heilige Bernhard befand. Unterwegs kehrte er auf Argenfels ein und wurde von dem Burgherrn gastfreundlich aufgenommen. Es war dies ein betagter Mann, der zwei Töchter hatte. Berta, die jüngere, gewann in der ersten Stunde Diethers Herz durch ihre Schönheit und ihr holdes, gemütvolles Wesen. Sie schien auch den jungen Rittersmann mit Wohlgefallen zu bemerken und sah beim Abschied fast traurig aus. Diether ging von Argenfels nicht so leichten Herzens weg, wie er dahin gekommen, und das Bild der Jungfrau begleitete ihn nach Palästina, und unter den Palmen Asiens gedachte er der Palmen am Rhein und der schönen Berta auf Argenfels. Bei einem Ausfall der Sarazenen wurde Diether verwundet und gefangen und gelobte in seiner Bedrängnis, der Mutter des Herrn ein Kirchlein zu erbauen, wenn er seine Freiheit erhalten und das Land seiner Heimat wiedersehen würde. Nach einer langwierigen Belagerung wurde die Stadt den Sarazenen im Sturme abgenommen und Diether von seinen Banden erlöst. Er wünschte jetzt nichts sehnlicher als sein Gelübde zu erfüllen und die sanfte Berta wiederzusehen. Mit dem ersten Schiffe ging er nach Venedig und von da nach Deutschland. Mit freudiger Rührung betrat er die blühenden Ufer des Rheins, und sein erster Weg war nach Argenfels. Aber schon in einiger Entfernung gewahrte er statt der hohen Warten und Mauern eingestürzte Trümmer. Mit ängstlich pochendem Herzen stieg er den Berg hinauf und fand alles verwüstet und menschenleer. Auf dem umliegenden Gemäuer wuchs schon Gras, und einige Raubvögel flogen aus den Ruinen hervor. Ein alter Hirt gesellte sich zu ihm und erzählte, die Burg sei von Feinden des Burggrafen eingenommen und angezündet worden. Er selbst habe im Gefecht den Tod gefunden, wo aber seine beiden Töchter hingekommen, wisse niemand zu sagen.

Das war ein Schwert in Diethers Herz. Er zog nach seiner Burg, die ihm jetzt fast trauriger vorkam als die Trümmer von Argenfels, und er konnte sich manchmal des Wunsches nicht erwehren, daß er doch in Palästina seinen Tod gefunden haben möchte. Endlich beschloß er, eine wilde, einsame Gegend aufzusuchen und daselbst ein Kirchlein zu bauen, wie er gelobt hatte, und daneben eine Klause, wo er seine Tage in frommer Abgeschiedenheit zubringen wollte. Am frühen Morgen durchstreifte er in diesen Gedanken die Gegend, und kam, ohne zu wissen wie, auf den Stromberg, den damals ein düsterer Wald bis nahe an den Gipfel bedeckte. Tief in der Waldnacht stand eine Klause und daneben ein steinernes Kreuz. Vor dem Kreuze kniete eine Einsiedlerin, in Gebet und Betrachtung verloren. Es war Berta. Die Wonne des Wiedersehens läßt sich nicht mit Worten ausdrücken. Die Jungfrau und ihre Schwester hatten sich während der Belagerung von Argenfels auf Bitten ihres Vaters mit einem alten, treuen Knecht durch einen unterirdischen Gang geflüchtet und bei einem Köhler Zuflucht gefunden. Als sie Kunde erhielten von dem Tode ihres Vaters sowie von der Zerstörung der Burg, beschlossen sie, die Kleinodien, welche sie bei ihrer Flucht mit sich genommen, zu Geld zu machen und sich eine Zelle zu bauen und ein Gärtchen und als Einsiedlerinnen zu leben.

Durch Diethers freundliche Zusprache wurde Berta bald bewogen, ihr rauhes Gewand wieder abzulegen und ihm als Hausfrau auf seine Burg zu folgen. Ihre Schwester aber wollte durchaus nicht in die Welt zurückkehren. Diether ließ ihr eine bequemere Wohnung errichten und ein Kirchlein, wo auch ihre Gebeine begraben liegen.


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