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In der Schlossergasse zu Erfurt ist ein Haus, zum Erker genannt. Darin hat damals ein Stadtjunker gewohnt, bei welchem sich Doktor Faust die ganze Zeit über, so er in Erfurt gewesen, am meisten aufhielt. Nun trug es sich zu, daß dieser Junker auf eine Zeit, als Faust in Prag war, viel guter Freunde zum Abendessen zu sich berief. Da waren sie nun bei der Mahlzeit lustig und fröhlich, der Junker aber wünschte, daß Faust auch gegenwärtig wäre, dann würden sie noch fröhlicheren Mutes sein. Einer unter ihnen nahm ein Glas, streckte es mit der Hand in die Höhe und sprach: »O guter Freund Faust, wo steckst du heut, daß wir dein entbehren müssen? Wärest du da, wir wollten unsere Fröhlichkeit anders zubringen; weil es aber nicht sein kann, so will ich dir dennoch eins gebracht haben, kann es aber geschehen, so komm zu uns und säume dich nicht.« Darauf hat er einen Jauchzer getan. Indem klopft jemand an der Haustüre stark, und ein Knecht läuft an das Fenster, zu schauen, wer da wäre. Da stieg Doktor Faust von seinem Pferd ab, hatte sein Roß beim Zügel und gab sich zu erkennen, daß er der wäre, den man gerufen hätte. Der Knecht zeigte dem Junker an, Faust stehe vor der Tür, sei von dem Pferd abgestiegen und begehre Einlaß. Der Junker spricht: »Was sagst du? Bist du toll oder närrisch? Ich weiß wohl, wo Faust ist, und er kann nicht unten an der Türe stehen.« Es klopft nochmals; der Junker geht nun selber zum Fenster, schaut hinaus und wird Faust gewahr. Sogleich ward die Tür geöffnet und Faust von allen Wohl empfangen; des Junkers Sohn nahm das Pferd, führte es in den Stall und gab ihm Futter, Faust aber setzte sich zu Tisch. Als man ihn nun fragte, wie er so bald wiederkäme, antwortet er: »Da ist mein Pferd gut dazu; Weil mich die Herren Gäste so sehr wünschten und begehrten und mich gerufen, habe ich ihnen willfahren und bei ihnen erscheinen wollen, wiewohl ich nicht zu lange bleiben darf, sondern noch vor Tag zu Prag sein muß.« Also fingen sie wieder ihre fröhliche Mahlzeit an, Faust aber trieb allerlei Possen und fragte sie auch, ob sie nicht einen fremden Wein versuchen wollten, es sei gleich, ob es Rheinfall, Malvasier, spanischer oder Franzwein sein sollte. Und da sie lachend antworteten: »Sie sind alle gut,« fordert Faust einen Bohrer, macht damit in das Tischblatt vier Löcher, stopft sie mit Pfröpflein wieder zu, nimmt frische Gläser, zapft aus dem Tisch die genannten Weine hinein und trinkt mit der Gesellschaft lustig fort.
Inzwischen kommt der Sohn des Junkers in die Stube und spricht: »Herr Doktor, wie soll ich das verstehen? Euer Pferd frißt ganz unersättlich, es hat schon etliche Scheffel Hafer verschluckt, steht aber und siehet stets, wo dessen mehr sei; nun will ich aber noch einmal hingehen und ihm von neuem Futter geben, daß es satt habe, und sollt' ich auch etliche Malter Hafer anwenden.« – »Laßt das bleiben,« spricht Faust, »es hat genug bekommen, es fräße euch alles Futter vom Boden, ehe es voll würde.« Es war aber dieses Pferd sein Geist Mephistopheles.
Mit diesen und andern kurzweiligen Possen brachten sie den Abend hin bis Mitternacht. Da tat das Pferd einen hellen Schrei, daß man es durch das ganze Haus hörte. »Ich muß fort,« sagte Faust, »ich bin zitiert,« und wollte gute Nacht geben, aber sie hielten ihn auf. Faust knüpft einen Knoten an seinen Gürtel und sagt ihnen noch ein Stündlein zu; als aber das Pferd zum zweitenmal anfing zu schreien, da wollt' er wieder fort, ließ sich jedoch von der Gesellschaft abermals bewegen und blieb noch eine Stunde; beim dritten Schrei aber, den das Pferd tat, ließ er sich nicht weiter aufhalten, nahm seinen Abschied, und die Gäste gaben ihm das Geleit bis zur Haustür, ließen ihm sein Pferd vorführen und Faust setzte sich darauf. Wie er nun die Schlossergasse hinaufreitet, schwingt sich das Pferd mit ihm in die Luft, so daß seine Freunde ihn bald nicht mehr sehen konnten. So kam Faust noch vor Tagesanbruch gen Prag.