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Vor alten Zeiten kamen große Heidenheere den Rhein herabgezogen, nahmen das Land am Ufer ein und sahen es als ihr Eigentum an. So kamen sie auch in die Berge des Bergischen Landes, und da sie bessere Schilder und Schwerter hatten, zwangen sie die Bewohner, ihnen zu dienen. Das ging aber nur so lange, als es eben ging; denn endlich wurden sie wieder mit Schimpf zum Lande hinausgetrieben. Das geschah auf folgende Weise.
Es lebte in jenen Bergen ein junger Bursche, den sie alle den starken Hermel nannten. Er war von hoher Gestalt, wohl sechs Ellen lang, breitschultrig, und hatte gewaltige Kräfte. Dabei war er aber so gutmütig, daß er keinem Kind etwas zuleide getan hätte. Seine Geduld war so groß, daß man ihn kaum zum Zorn reizen konnte, und in seiner Einfalt tat er alles, was ihm seine Herren befahlen. Als er zwanzig Jahre alt war, sollte er den fremden Heiden dienen.
Die freuten sich sehr des kräftigen Gesellen und meinten, daß er ihnen manch schönes Stück Arbeit verrichten solle. Das tat er denn auch, aber viel besser, als den Herren lieb war. Als der Tag kam, wo er seine Arbeit beginnen sollte, da schlief er, bis die Sonne hoch am Himmel stand, und es kümmerte ihn wenig, daß die andern Dienstleute schon lange in der Scheune gedroschen hatten. »Fauler Tagedieb,« sprach man zu ihm, »du wirst wohl dein Tagewerk nicht mit andern fertig bekommen.« Da sah er sich um nach dem, was die andern schon gedroschen hatten, und nach dem, was noch übrig war, und sprach dann ruhig: »Um so geringer Arbeit willen hättet ihr mich wohl nicht so frühe in meinem Schlaf zu stören brauchen, mit dem ganzen Vorrat mag ich noch vor Mittagszeit fertig werden, wenn man mir nur danach genug Bier und Fleisch zur Mahlzeit und Stroh zum Lager geben will.« Dies wurde ihm versprochen.
Darauf ging der starke Hermel in den Wald und zog einen mannshohen Eichenstumpf aus der Erde, wie man eine Rübe aus dem Felde zieht, hierauf riß er eine der längsten Tannen aus und befestigte daran den Eichenstumpf mit einem tüchtigen Seil. »So,« sprach er, »nun hab' ich einen guten Dreschflegel.« Damit ging er zur Scheune, deckte vorsichtig das Dach ab, wie man einen Deckel nimmt, und stellte es beiseite, daß es keinen Schaden litt beim Dreschen. Wer hat jemals solch Dreschen gesehen? Das Stroh stob umher nicht anders, als habe es ein Wirbelwind ergriffen. So war er denn in einer halben Stunde mit dem ganzen Vorrat zu Ende. Darauf kehrte er das Dach um, schüttete das gesamte Korn in die Höhlung desselben und schüttelte es wie eine Futterschwinge, indem er mit vollen Backen hineinblies, daß die Spreu davonstob. Zuletzt trug er das Getreide in großen Säcken auf den Speicher und schüttete es dort auf. Solange ihn die Heiden so arbeiten sahen, freuten sie sich über den wackeren Knecht. Doch als er jetzt einen Wagen mit Stroh belud, wie er sich ausgedungen hatte, und zwar so voll, daß die Ochsen ihn nicht zu ziehen vermochten, da fingen sie an, sich untereinander böse Blicke zuzuwerfen. Der starke Hermel aber kümmerte sich wenig darum, stieß die Ochsen mit den Köpfen zusammen, warf sie dann oben auf den Wagen und sagte, indem er ihn selbst zog: »Für Fleisch wäre nun ja gesorgt, jetzt fehlt mir nur noch das Brot.«
Das war den Heiden denn doch zu viel. Sie sprachen: »Wenn der starke Hermel also mit Bäumen, Häusern, Ochsen und Wagen umspringt, so kann er uns am Ende wohl mehr schaden als nützen. Es ist Zeit, daß wir ihn los werden.« Sie hielten also Rat, wie sie ihn am besten aus dem Wege räumen könnten. Unterdessen aber gaben sie ihm einige Malter Mehl, damit er daraus für sich und seine Genossen Brot backen möge. Als man hinkam, es abzuholen, da lag der starke Hermel wieder auf seinem Stroh und schnarchte laut. Der Ofen war längst erkaltet und weder Brot noch Mehl zu finden. Man weckte ihn endlich auf und fragte danach. Er rieb sich die Augen und die Stirn und sagte nach langem Besinnen: »Ihr hattet mir keine Zuspeise zu meinem Ochsenbraten gegeben, da habe ich das Brot, wie es aus dem Ofen kam, zu dem Fleisch verspeist. Für solche Mahlzeit will ich euch wohl alle Tage arbeiten, so viel ich vermag.« Da meinten die Heiden, daß es Zeit sei, ihren Plan auszuführen, und einer sprach zum starken Hermel: »Komm hinunter in den Hof, Hermel, dort sollst du einen Brunnen reinigen, der ist fünfzig Klafter tief; wenn du das getan, so magst du dein Nachtmahl bekommen, wie du es gern hast.«
Der starke Hermel stieg getrost in den tiefen Brunnen und füllte unten den Eimer mit Schlamm, der alsdann heraufgezogen wurde. Unterdessen wälzten die Heiden hinterlistig eine Menge großer Steine an den Rand des Brunnens und stürzten sie dann plötzlich hinab, um den starken Hermel zu zerschmettern. Der sang aber ein lustiges Lied zur Arbeit und ließ sich darin gar nicht durch die stürzenden Steine stören. Nur zuletzt, als immer gewaltigere Blöcke fielen, rief er hinauf: »So jagt doch die Hühner dort oben vom Brunnenrande hinweg, die scharren mir soviel Kieselsteine und Staub in die Augen, daß ich nicht mehr arbeiten kann.«
»Ei,« dachten die Heiden, »wenn du das Kieselsteine nennst, so wollen wir dich schon etwas anderes lehren.« Da mußten zehn Mann mit Hebebäumen einen gewaltigen Mühlstein an den Brunnenrand rollen und ihn endlich hineinstürzen. »Jetzt wird er nicht mehr spotten,« jubelten die feigen Männer. Aber da lachte der starke Hermel recht herzlich aus der Tiefe des Brunnens herauf und rief: »Tausend Dank, ihr lieben Herren, für den schönen, dauerhaften Halskragen, den ihr mir da heruntergeworfen habt.« Da schauten sie erstaunt hinab, und siehe da, der Hermel arbeitete ruhig fort und trug den Mühlstein um seinen Hals, wie ein Knabe ein feines Sonntagskräglein.
Das war den Heiden denn doch zu arg, und sie beschlossen, das letzte zu versuchen. Acht Pferde wurden an einen Lastwagen gespannt und mußten eine gewaltige Turmglocke herbeischleppen. Diese stürzten sie in den Brunnen und dachten: »Nun hat er endlich seinen Teil.« Der starke Hermel hörte auf zu singen, aber er rief hinauf: »Tausend Dank, ihr lieben Herren, für die schöne Kappe, die ihr mir da heruntergeworfen habt.« Da sahen sie wieder hinab und erblickten den starken Hermel, wie er die Glocke auf seinem Kopfe trug und lustig darunter hervorguckte.
Da schien es ihnen Zeit, davonzulaufen. Er aber hatte seine Arbeit vollendet, stieg aus dem Brunnen heraus und sagte: »Ich nehme euch den kleinen Spaß nicht übel, nur müßt ihr mir die schönen Dinge, die ihr mir heruntergeworfen habt, zum Geschenk lassen.« Da waren sie froh, also mit heiler Haut davonzukommen. Er aber bat sie, ihm doch noch ein Stück Arbeit bis zum Sonnenuntergang aufzutragen, da ihm sonst das Abendbrot nicht recht schmecke, wenn er vorher nicht recht tüchtig gearbeitet habe.
Da berieten sie unter sich und schickten ihn endlich in die Teufelsmühle, damit er dort so viel Korn mahle, als er zu seinem Nachtessen brauche. Die Teufelsmühle war aber ein alter, verwünschter Bau, wohin niemand mehr zu gehen wagte, da der Teufel jedem, der sich dort sehen ließ, den Hals umdrehte. So stand denn das alte Mahlwerk still, und das Haus war seit langen Jahren unbewohnt. Der starke Hermel nahm einige Säcke voll Korn auf die Schulter und ging zur Mühle hinab. Er fürchtete sich gar nicht; denn er hatte noch niemals vom Teufel und von Gespenstern gehört. Unten schüttete er sein Getreide auf und setzte den Mahlgang in Bewegung. Kaum aber hatte es angefangen zu knarren und zu klappern, so kroch auch schon ein Ungetüm heran und griff mit ellenlangen Klauen nach dem Hermel. Der aber faßte ohne sonderliche Mühe den Unhold und setzte ihn auf den Mahlstein. Da fing er an jämmerlich zu schreien, denn das Feuer sprühte aus seinen Knochen, und bat um Freilassung. Der Hermel hielt ihn aber so lange fest, bis das ganze linke Bein abgerieben war; dann ließ er den Bösen los. Mit Schreien und Wimmern sprang er davon und drehte sich wie ein Kreisel auf seinem einzigen Bein. Danach schüttete der Hermel das fertige Mehl in die Säcke und kehrte fröhlich zu seinen Herren zurück.
Wie wunderten sich diese, als sie ihn wohlbehalten zurückkehren sahen, und noch mehr, als sie vernahmen, wie er den bösen Geist gebändigt habe. Es blieb ihnen also nichts übrig, als ihm wieder zwei Ochsen zur Abendmahlzeit zu geben. Diese verzehrte er wohlgemut, rückte sich sein Steinkrägelchen und seine Glockenhaube zurecht und legte sich sodann aufs Ohr zum Schlafen nieder.
Bei Tagesanbruch riefen die Heiden Hermel wieder und sprachen zu ihm: »Hermel, du machst uns zu armen Leuten, wenn du noch länger bei uns bleibst; geh also in die Hölle zum Teufel und sag' ihm, er möge dir einen Sack mit Geld geben, so groß und schwer, wie du ihn tragen kannst. Den bring uns herauf, dann sollst du gute Tage haben.« Der Hermel war's zufrieden und bat nur, daß sie ihm einen Wegweiser mitgäben, der ihn bis ans Tor der Hölle führe. Da gaben sie ihm einen Jungen, der führte ihn bis zum Heidenkeller bei Vollberg. Dort stieg der Hermel hinab, und der Bursche kehrte zurück und erzählte das den Herren, da jubelten sie wiederum und sprachen: »Nun endlich sind wir ihn los, jetzt ist es ganz gewiß um ihn geschehen. Nirgends ist der Hahn so frech als auf dem Mist, und den Teufel in der Hölle wird auch der Hermel nicht unterkriegen.«
Der Hermel hatte unterdessen saure Arbeit. Er arbeitete sich stundenlang unter dem Berge in langen, dunklen Gängen durch, wohin niemals ein Sonnenstrahl gefallen war. Endlich stand er vor einem eisernen Tore. Er pochte und rüttelte daran, aber lange Zeit vergebens. Da tat er einen gewaltigen Fußtritt dagegen, daß die Tür mit Krachen zusammenbrach. Nun blickte er tief unten in einen großen Raum, der von unzähligen Feuern erhellt war, um die sich seltsame Gestalten bewegten, wie er sie nie gesehen hatte. Er stieg nun die große Treppe in die Tiefe hinab und verscheuchte mit dem Sacke, den er mitgenommen, die großen Fledermäuse, die seinen Kopf umschwärmten. Da hüpfte ihm das Teufelchen entgegen, dem er gestern das linke Bein abgerieben hatte. Es hatte den Einsturz des Tors vernommen und wollte sehen, was es gäbe. Wie es aber den starken Hermel erblickte, da hielt es sich ängstlich sein einziges Bein fest und sprang mit Geheul so schnell davon, wie es nur vermochte.
Der Hermel wurde nun zu dem Höllenfürsten selbst geführt. Der saß auf einem feurigen Thron und fragte ihn, wer er sei und was er hier wolle. Da erzählte der Hermel ihm treulich, wie seine Herren ihn nicht mehr auf der Erde ernähren könnten, und wie sie ihn deshalb in die Hölle geschickt hätten, um Geld zu holen. Der Teufel lächelte und sagte: »Du bist ein wackerer Bursche, ich will dir drei Stücklein vorschlagen, die wollen wir um die Wette ausführen. Wenn du sie mir nachmachen kannst, so sollst du das Geld haben, wo nicht, so bist du mein eigen.« – »Nur heraus damit, Herr Teufel,« sagte der Hermel. Da holte dieser ein großes Jagdhorn, das unten so weit wie die größte Weintonne war, und sprach: »Nun laß uns sehen, wer am stärksten blasen kann!« Der Teufel setzte zuerst an und blies einen Ton, so gewaltig, daß der Berg erbebte und sechs der nächtlichen Feuer erloschen. Als aber der starke Hermel ins Horn stieß, gab es einen Knall, das Horn zerplatzte, und ein Stück flog dem Teufel an den Kopf, daß ihm die Hörner wackelten und das Blut aus der Nase floß. Ringsum aber waren wohl hundert Feuer erloschen, und die beiden Bläser standen fast im Dunkeln.
Darauf holte der Teufel einen Stein, so groß wohl wie ein Backhaus, und warf ihn gerade in die Höhe, daß er wohl den Wipfel eines Pappelbaumes erreicht hätte. Nun sollte der Hermel werfen. Er wog den Stein lange in der Hand und sagte dann: »Ich will, ehe ich werfe, doch hinausgehen in den Wald und einige Eichbäume holen, die stärksten, die ich finden kann.« – »Was willst du denn damit?« fragte der Teufel. »Das Gewölbe stützen,« antwortete der Hermel, damit es nicht über uns zusammenbricht, wenn ich den Stein dagegen werfe.«
Da wurde dem Teufel angst und bange, er wollte sich nicht wieder besiegen lassen und machte sich unter einem Vorwande, woran er allzeit Überfluß hat, still davon. Der starke Hermel aber packte seinen Sack voll Geld und ging damit zu seinen Herren, die ihren Augen nicht trauten, als sie ihn kommen sahen. Sie hatten ihre Freude über den erworbenen Schatz und gedachten nicht, dem treuen Hermel ihr Wort zu halten, vielmehr sannen sie sogleich auf einen neuen Anschlag, wie sie den wackern Burschen aus der Welt schafften.
Eines Tages schickten sie ihn in den Wald, um dort Holz zu fällen. Nachdem er hier viele Bäume geschlagen und aufeinandergeschichtet hatte, legte er sich nach seiner Gewohnheit hin, um ein Mittagschläfchen zu machen. Rings um ihn her waren viele Haufen gefällten Holzes aufgeschichtet, in deren Schatten er lag. Da schlichen die hinterlistigen Heiden heran und steckten an vielen Stellen zugleich das Holz in Brand. Bald war rings um den starken Hermel eine einzige Flamme. Anfangs hörte man ihn noch schnarchen, allein endlich vernahm man nichts mehr als das Geprassel der Flammen und des Holzes. Da erhoben die feigen Männer ein Jubelgeschrei und sprangen lustig um das Feuer, denn sie glaubten, nun sei es endlich vorbei mit dem starken Knaben.
Mit einem Male aber fing er an zu husten und rief: »Was ist das für ein Rauch, und wie ist meine schöne Kappe so warm geworden?« Und sogleich sprang er über die brennenden Holzhaufen hinweg, schrecklich anzusehen in seinen versengten Haaren und Kleidern, und ergriff, als er die Verräter erblickte, einen Eichbaum, riß ihn mit den Wurzeln aus der Erde und schlug sie tot, wo er sie traf. Die erschlagenen Menschen steckte er, als wären es kleine Vöglein, an eine lange Stange und hing sie über seine Schultern. Nur wenige Heiden entkamen über den Rhein, und sie haben sich seit dieser Zeit in unsern Landen nicht wieder sehen lassen.