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Der Bognermeister Kaspar Pergauer, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts in der Bognergasse, dem Sitz der Pfeil- und Bogenmacher, sein Handwerk ausübte, hätte es gut im Leben haben können; sein Geschäft blühte, die Arbeit machte ihm Freude, und sein Einkommen konnte sich sehen lassen; kein Wunder, daß sich auch ein bescheidener Wohlstand einstellte, der es dem fleißigen Meister erlaubte, sich manchen Genuß zu vergönnen, der anderen versagt blieb. Und da er auch sonst ein gutmütiger, wackerer Mann war, der keinen Wurm zertreten konnte und sich allen Freunden und Nachbarn stets hilfreich erwies, so daß ihm jedermann wohlgesinnt war, wäre alles in Ordnung gewesen, wenn – ja wenn eben nicht noch die andere Hälfte des Meisters, die bessere Ehehälfte, manches Wörtlein mitgeredet hätte.
Kaspars Braut, Ursula, war ein hübsches Mädchen gewesen, als er den als es den Schritt in die Ehe tat, und daß sie sparsam und häuslich war, mußte man ihr als weiteren Vorzug anrechnen. Zwar war sie schon damals mit einem spitzen Zünglein und einem guten Mundwerk begabt, aber das hatte seiner Liebe keinen Abbruch tun können. Es würde sich, meinte er, im Lauf der Zeit abschleifen oder doch nur am richtigen Platz zur Anwendung kommen. Und so hatte er die Warnungen seiner Freunde vor einer Ehe mit Ursula in den Wind geschlagen und für Neid gehalten, was beste Absicht war.
Nun hatte er zum Schaden, den er sich mit dieser Frau zugefügt, auch noch den Spott seiner Freunde zu ertragen. Das Weib schien es als Lebenszweck anzusehen, dem Gatten das Dasein zur Hölle zu machen. Das begann am frühen Morgen, wenn sie die Augen auftat, und endete erst spät am Abend, wenn der Schlaf sich des Meisters erbarmte, indem er der keifenden Frau den Mund schloß, so daß auch der arme Mann endlich seine Ruhe finden konnte. Es half auch nichts, daß Kaspar schwieg und wortlos alles über sich ergehen ließ, was sein Eheweib ihm zu sagen wußte. Sie konnte trotzdem kein Ende finden. Was Wunder, daß der Mann mißmutig und verdrossen wurde, die Gesellschaft seiner Freunde mied, um ihren Neckereien zu entgehen, und auch in der Arbeit keine Freude mehr fand. Wenn früher gar oft ein munteres Lied aus der Werkstatt erschallt war, so schlich der Meister jetzt schweigsam und mürrisch umher und hatte häufig keine Lust, richtig zuzupacken. Bald war sein Haus so verrufen, daß kein Geselle, keine Magd mehr bei ihm in Dienst treten wollte.
Als es die Bognerin eines Abends wieder besonders arg trieb, schlug der Meister, ohne ein Wort zu sagen, die Tür hinter sich zu und rannte in heller Verzweiflung planlos durch die Gassen, bis er sich plötzlich auf dem Petersfriedhof fand, wo er sich erschöpft an einen Grabstein lehnte. »Ich kann dieses Leben nicht länger ertragen«, klagte er vor sich hin, »die Qual nimmt kein Ende, und niemand kann mir helfen, auch der Himmel erbarmt sich nicht meiner Not Da möchte man wirklich den Teufel um Hilfe anrufen!«
Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so schallte ein gellendes Lachen über die Stille des Friedhofes, und im fahlen Licht des Mondes stand eine unheimliche, düstere Gestalt vor dem erschrockenen Bogner, dem der Atem zu stocken drohte.
»Da bin ich, du hast mich gerufen!« krächzte mit heiserer Stimme der Schwarze. »Was willst du von mir? Sprich!« Während der Meister, unfähig, einen Laut hervorzubringen, nur abwehrend die Hände ausstreckte, fügte der Teufel hinzu: »Du möchtest wohl, daß ich deiner Frau andere Umgangsformen beibringe, daß aus dem reißenden Wolf ein zahmes Lämmchen wird? Ich es nicht so?«
»Ja, wenn du das zustande brächtest!« seufzte Pergauer, der sich inzwischen ein wenig gefaßt hatte.
»Es wäre traurig, wenn ich das nicht imstande wäre«, sagte der Teufel und warf sich überlegen in die Brust »Ich mache dir einen Vorschlag: ich zähme dir deine Gattin binnen drei Tagen, und du magst dann mit ihr glücklich sein; aber in deiner Todesstunde komme ich und hole mir deine Seele. Sollte es mir aber, was nicht anzunehmen ist, nicht gelingen, sie innerhalb dieser Frist fromm und sanftmütig wie eine Taube zu machen, so kannst du mich den dümmsten Teufel heißen, der je den Erdboden betreten hat. Der Vertrag wird dann natürlich hinfällig, und ich habe jedes Anrecht auf deine Seele verloren. Deine Sünden wirst du zur Genüge abbüßen, wenn du weiter an der Seite einer solchen Frau hausen mußt«
Der Bogner war damit einverstanden, und der Böse verschwand, wie vom Erdboden verschlungen.
Am nächsten Morgen erschien der Teufel in Gestalt Pergauers im Haus in dir Bognergasse, um mit der Zähmung der widerspenstigen Bognerin zu beginnen. Zunächst wollte er in Güte versuchen, sein Ziel zu erreichen. Er trat zum Bett der schlafenden Frau, um sie mit einem Kuß zu wecken. Als Ursula die Augen ausschlug und ihren vermeintlichen Gatten erblickte, fuhr sie wie von einer Natter gestochen in die Höhe und ließ ein kräftiges Donnerwetter auf den verdutzten Teufel niedergehen, den sie einen boshaften Störenfried nannte, der ihr schon bei Tagesanbruch das Leben vergälle. Und in dieser Tonart ging es den ganzen Tag fort Wie ein MühIrad arbeitete das Mundwerk der barschen Frau, die den Teufel überhaupt nicht zu Wort kommen ließ Wenn ihr Arger aber eine besondere Höhe erreichte, unterstrich sie ihn noch durch ein paar saftige Knüffe und Püffe, und ein heiles Klatschen, das einige Male aus dem Haus drang, verkündete, daß auch die Wange des ganz verdatterten Höllenfürsten herhalten mußte. Als der Tag vorüber war, konnte der arme Teufel zwar auf keinen Erfolg, dafür aber auf desto mehr Beulen und ein blaues Auge, das er eingeheimst hatte, hinweisen.
»Mit Liebe ist also in diesem Fall nichts zu machen«, meinte der Teufel zu sich selbst und beschloß, der Bognerin am nächsten Tag vernünftig zuzureden. Wirklich schien es am Vormittag, als ob er mit dieser Methode Erfolg haben sollte. Die Frau hörte ihn ruhig an, und der Teufel glaubte schon, sie sehe ihr Unrecht ein. Aber als es Mittag wurde, schlug ihre Stimmung plötzlich um. Eben suchte ihr der höllische Zuchtmeister zu erklären, wie menschenunwürdig und ungerecht die Behandlung sei, die er täglich und stündlich mitmachen müsse, als Frau Ursula plötzlich aufbrauste und ihn zornig anschrie: »Ja, bin ich denn ein Kind, daß du mich hofmeistern und Zucht und Sitte lehren willst?« Und mit wüsten Schmähungen goß sie dem verblüfften Teufel einen Topf mit heißer Suppe, den sie gerade in Händen hielt, über den Kopf, daß er mit verbrühtem Gesicht schleunigst bei der Tür hinausfuhr, um dem nächsten Geschoß zu entgehen.
Als er nach einiger Zeit kleinlaut wieder in die Stube guckte, hatte sich die wütende Frau noch immer nicht beruhigt, und seine Absicht, ihr nochmals mit Vernunftgründen zu kommen, erlitt Schiffbruch. Zu guter Letzt versetzte sie ihm noch einen Fußtritt und warf ihn zur Tür hinaus.
»Hölle, Pech und Schwefel!« fluchte der also mißhandelte Satan ärgerlich vor sich hin. »Soll bei diesem jähzornigen Weib selbst der Teufel den kürzeren ziehen? Das wäre noch schöner! Morgen will ich es mit Gewalt probieren und möchte doch sehen, ob es mir nicht gelingen sollte, dieses kratzbürstige Scheusal zu zähmen. Sie wird schon klein beigeben, wenn sie sieht, daß sie es mit dem Teufel selber zu tun hat!«
Am dritten Tag trat er vor Frau Ursula hin und sprach mit harter Stimme:
»Höre Weib! Alle Versuche, in Güte und Liebe und mit vernünftigen Worten dich umzustimmen, sind bisher vergeblich gewesen. Du hast deine Zanksucht und Bosheit nicht abgelegt. Nun ist meine Geduld zu Ende. So befehle ich dir denn, dich von jetzt ab gründlich zu ändern. Tust du es nicht, so kannst du dich auf das Schlimmste gefaßt machen und wirst deine Verstocktheit bitter bereuen.
Hatte der Teufel gemeint, durch diese ernsten Worte der Bognerin heilsamen Schrecken einzujagen und damit sein Ziel zu erreichen, so sollte er sich gründlich getäuscht haben. Denn nun ging der Tanz erst recht los. »Was«, schrie sie mit blitzenden Augen, »du hilflose Kreatur willst mir drohen und wagst es, von deiner Geduld zu sprechen. Du sollst sehen, daß meine Geduld jetzt zu Ende ist!« Und sie ging mit einer Heftigkeit auf den Teufel los, daß ihm Hören und Sehen verging und er sich nicht mehr anders zu helfen wußte, als seine wahre Teufelsgestalt anzunehmen, um das rasende Weib von sich abzuhalten. Aber nur einen Augenblick stutzte Frau Ursula, dann sprang sie den Teufel neuerlich an, ergriff ihn bei den Hörnern und riß ihn daran so kräftig hin und her, daß ein Horn abbrach und ihr in der Hand blieb. Der Satan geriet nun ganz außer sich und gab den Kampf auf. Unter höllischem Schwefelgestank und schauerlichem Geheul fuhr er bei der Tür hinaus, während die Bognerin triumphierend das zurückgelassene Teufelshorn schwenkte und ihm grimmige Verwünschungen nachschrie.
So hatte zwar Kaspar Pergauer seine Wette mit dem Teufel gewonnen und seine unsterbliche Seele gerettet, aber seine Ruhe auf Erden endgültig verloren. Denn wenn nicht einmal der Teufel imstande war, die widersetzliche Bognerin zu bekehren, wie hätte es da ein Erdenmensch oder gar erst der arme Kaspar vermocht! Also büßte er viele Jahre lang alle seine Sünden schon auf Erden an der Seite des Weibes, das ärger als der Teufel war, und kam nach dem Tod gewiß geradewegs in den Himmel.
Wie es der Bognerin nach dem Tod erging, darüber schweigt die Geschichte. Der Himmel war ihr sicher verwehrt; zu sehr hatte sie bei Lebzeiten ihrem Mann die Hölle auf Erden bereitet In die Hölle aber war ihr der Eintritt verboten, da der Teufel, durch den Schaden gewitzigt, nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. So wandelt sie wohl bis zum heutigen Tag in dieser oder jener Gestalt noch auf Erden umher, und so mancher soll ihr im Leben auch schon begegnet sein.
Zum ewigen Gedächtnis an die Auseinandersetzimg, die die Bognerin mit dem Teufel gehabt, wurde an der Wohn- und Leidensstätte Kaspar Pergauers in der Bognergasse 3 in späterer Zeit ein Bild angebracht, das jenen Streit zum Gegenstand hatte. Darunter standen die bedeutungsvollen Verse:
Pestilenz und Not ein Übel ist,
Krieg ein arger Zeitvertreib.
Doch schlimmer als Teufels Tück' und List
Ist, Gott behüt uns! ein böses Weib.