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Gegen Ende des 15. Jahrhunderts lebte in Wien ein wackerer Edelmann namens Kaspar Schlezer. Eine wunderschöne und gute Gattin machte das Glück seines Lebens aus, mit der er im zärtlichsten Einvernehmen lebte. Aber wie erbebten sie, als der Edelmann eines Tages vom Landesfürsten den Auftrag erhielt, mit einer wichtigen Botschaft nach der Türkei zu reisen. Besonders Herr von Schlezer war trüber Ahnungen voll, denn er wußte gar wohl, wie der mächtige Günstling des Regenten eine geheime Liebe zu seiner Gattin nähre und durch seine Ränke ihn aus dem Lande schicke.
Indessen es mußte gehorcht werden, und so bat beim Abschied der Ritter seine Gattin bloß darum, ihm treu zu bleiben und sich weder durch List noch durch Gewalt bewegen zu lassen, einem anderen ihre Hand zu geben, bevor sie nicht sichere Nachricht von seinem Tode hätte. Als sicherstes Zeichen werde gelten, wenn sie das silberne Kruzifix erhalte, das er auf seiner Brust trage.
Nach kurzer Zeit des Aufenthaltes in der türkischen Hauptstadt wurde er von Räubern überfallen, fortgeschleppt und als Sklave verkauft. Als die Gesandtschaft aber nach Wien zurückkehrte, gaben Schlezers Begleiter, um für die Entführung ihres Herrn nicht büßen zu müssen, an, dieser sei gestorben und von ihnen begraben worden. Die vermeintliche Witwe trauerte drei Jahre um ihn, widerstand allen Heiratsanträgen und hoffte noch immer auf die Rückkehr, denn der Hauptbeweis des Todes ihres Gatten, das silberne Kreuzchen, fehlte.
Währenddessen schmachtete Schlezer noch immer in der Gefangenschaft, sich in den schwärzesten Vermutungen über die Gattin ergehend, deren Treue gewiß schon den Ränken des Günstlings zum Opfer gefallen wäre. Da erschreckte ihn eines Nachts besonders ein Traum, in dem er sie mit dem gefürchteten Nebenbuhler am Traualtar in der Stephanskirche stehen sah. Er konnte seinen Nachbarn in der Kirche nichts weiter fragen als welcher Monatstag gerade wäre. Ach, es war derselbe Tag, dem er eben entgegenschlief!
»Weh rnir! « rief er beim Erwachen aus, »morgen also wird Bertha das Weib eines anderen! Oh, könnte ich bis morgen in Wien sein, ich gäbe meine Seligkeit darum! «
Kaum war dies unvorsichtige Worte gesprochen, als ein Hahn krähte, und vor seinem Lager stand der böse Geist. »Auf!« rief dieser, »bist du mein mit Gut und Blut, mit Seel und Leib, so bringe ich dich auf diesem Hahn, der soeben gekräht hat, noch in dieser Nacht, bevor der Morgen graut, nach Wien! «
Eine Weile sann der Edelmann nach, dann sprach er: »Gut, ich willige ein, doch setze ich zur Bedingung, daß ich während des ganzen Weges nicht ein einziges Mal erwache; geschieht dies aber, dann hast du ferner keinen Teil an mir. «
Der böse Geist ging auf die Bedingung ein, die der Ritter, vertrauend auf den Talisman, den er bei sich trug, gestellt hatte. Der Edelmann entschlummerte, nachdem er sich in stillem Gebete dem höheren Schutze empfohlen hatte, und wie ein Sturm rauschte der Hahn mit seiner Last davon.
Schon lauerte der böse Geist auf seinen Raub; aber da witterte der Hahn plötzlich Morgenluft und krähte aus allen Kräften, so daß der Ritter erwachte. O Freude! Er befand sich nahe dem Stephansturm, wo der Hahn plötzlich mit ihm zur Erde gesunken war. Was nützte es dem Bösen, daß er fluchte; sein Opfer war ihm entrissen.
Der Ritter eilte freudig zu seinem geliebten Weib, das seiner in Sehnsucht harrte. Zum Andenken an seine abenteuerliche Befreiung aber ließ er nun den Hahn in getreuer Nachbildung auf das Dach der Stephanskirche setzen.