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Zur Zeit, als der heutige Bezirk Wieden noch unverbaut war – nur einige Sommerhäuser lagen verstreut in den weitausgedehnten Weingärten – und dieses Gebiet bis nahe an den Stadtgraben beim Kärntner Tor heranreichte, soll es nicht selten vorgekommen sein, daß zur Winterszeit hungrige Wölfe, ja selbst Bären in diesem Gelände gesichtet wurden und sich sogar bis an den Wall heranwagten, was unter den Bewohnern dieser Gegend nicht wenig Furcht und Entsetzen erregte. Die Sage weiß zu berichten, daß an einem eisigkalten Winterabend ein mächtiger schwarzer Bär zur Heiliggeistmühle am Wienfluß kam und den Müllermeister, der eben beim Haustor herausgehen wollte, anfiel. Der Müller war ein kräftiger Mann und setzte sich gegen seinen zottigen Angreifer aufs entschiedenste zur Wehr. Doch Meister Petz erwies sich als der stärkere und streckte seinen Widersacher mit einem Tatzenhieb zu Boden. In der Gefahr, von dem Ungetüm zerfleischt zu werden, stieß der Müller gellende Hilferufe aus.
Ein Müllerbursche, der sich im oberen Stockwerk der Mühle gerade über dem Kampfplatz aufhielt, hörte das Geschrei und öffnete das Fenster, um nach der Ursache des Lärms Ausschau zu halten. Da sah er unterhalb des Fensters das wütende Tier, das seinen Herrn zu Boden gerissen hatte, und erkannte augenblicklich, daß schleunigst Hilfe not tat und keine Zeit mehr war, über die Stiege und durch das Haus zum Beistand herbeizueilen. Ohne sich lange zu besinnen, sprang der tollkühne Bursche zum Fenster hinaus und kam gerade auf dem Rücken des Bären wie ein Reiter auf dem Pferd zu sitzen. Mit aller Kraft umschlang er den Hals des Bären und schnürte ihm so lange und so kräftig die Kehle zu, bis der Bär von seinem Opfer abließ, um sich seines neuen Bedrängers zu entledigen. Nun gelang es dem Müller, unter dem Bären hervorzukriechen und mit Hilfe anderer rasch herbeigeeilter Leute dem frechen Eindringling den Garaus zu machen.
Der Müller dankte seinem wackeren Knecht, der ihm durch sein rasches, mutiges Handeln das Leben gerettet hatte, mit bewegten Worten und bot ihm eine ansehnliche Belohnung an. Der Bursche aber bat unter Verzicht auf jeden anderen Lohn nur um die Haut des Bären, die ihm auch gewährt wurde. Er ließ sich daraus einen Pelz machen, den er zeitlebens trug. Daher soll er den Namen »Bärenhäuter« erhalten haben. Der Müller aber ließ ein Bild des Bären anfertigen und das Gemälde über dem Eingang der Mühle aufhängen, die davon den Namen »Bärenmühle« erhielt.