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Pipin wohnte eine Zeit lang auf der Burg zu Weihenstephan bei Freising. Nun gedachte er sich zu vermählen und schickte seinen Hofmeister, einen bösen Ritter, die Braut abzuholen. Da wurde der und sein ruchloses Weib mit einander eins, die fremde Prinzessin zu töten und statt derselben ihre eigene Tochter unterzuschieben, die jener sehr ähnlich sah. Der Hofmeister führte die fremde Königstochter von ihres Vaters Hof im prächtigen Zuge fort. Der Abschied war unendlich traurig, als hätte die Ärmste geahnt, welch' Unglück ihrer warte. Nach dem letzten Nachtlager vor Weihenstephan nahm der Hofmeister einen starken Umweg in die tiefe Wildnis zwischen dem Würm- und Ammersee. Dort harrte seiner verborgen Weib und Tochter. Er nahm bei der Nacht der Prinzessin königliche Gewänder und ihren Fingerring, legte ihr dafür seiner Tochter Anzug vor ihr Lager und befahl zweien seiner treuesten Knechte, wie er in aller Stille abgezogen sei, die Königstochter ungestüm aufzuwecken mit dem Begehren, sie sollte ihnen ohne Widerrede folgen. Das tat sie, obgleich mit großem Schrecken. Ihr geliebtes Hündlein folgte ihr. Auch vergaß sie nicht ihr Werkzeug und Gold und Seide, denn sie konnte gar herrlich wirken.
Als sie nun mitten im finstersten Dickicht waren, sagten ihr die Knechte, sie hätten geschworen, sie zu töten, ließen sich aber doch erbarmen an so viel Schönheit und Jugend und brachten als Wahrzeichen, daß sie getan, wie ihnen befohlen, dem bösen Hofmeister ihr blutiges Oberkleid und ihres Hündleins Zunge. Der war dessen froh und die Hochzeit seiner Tochter mit Pipin wurde vollzogen. Die arme Königstochter in der Wildnis trieb aber der Hunger wieder zu den Leuten. Ein häßlicher Köhler, dessen sie anfangs gar sehr erschrak, weil sie ihn für den leibhaftigen bösen Feind hielt, der ihrer Seele nachstelle, führte sie zum Müller in der Reismühle bei dem alten Heidenorte Gauting. Dem Müller war nun des edlen Königs Tochter eine Magd, nur sagte sie nicht, wer sie sei und was mit ihr geschehen. Sie machte wunderschönes Kunstwerk in Gold und Seide, das trug der Müller auf ihr Bitten gen Augsburg und verkaufte es dort fränkischen Handelsleuten.
So schwanden Jahre und Tage dahin. Da verirrte sich einst Pipin in dem weiten Wald mit seinem Knecht, seinem Arzt und Sterndeuter. Der Abend brach herein. Von den Hörnern der Gefährten hatten sie schon seit vielen Stunden keines mehr erschallen gehört. Der Knecht war auf eine Tanne gestiegen, und sah ganz in der Nähe Rauch. Sie ritten rasch darauf los und fanden den Köhler, und verlangten zu essen. Er konnte ihnen nichts geben, denn er hatte selbst nichts, aber er führte sie auf die Reismühle gen Gauting, da erquickten sie sich. Der Sterndeuter trat vor die Hütte und blickte an den Himmel und kam hocherstaunt wieder herein und sprach zu Pipin: »Herr! ihr sollt diese Nacht von Eurer Hausfrau einen Sohn gewinnen, vor dem die Christenkönige und die Heidenkönige sich neigen.« Da sprach Pipin: »Wie kann das sein? Es ist halb Mitternacht und noch weit auf Weihenstephan.« Der Sterndeuter ging noch einmal hinaus und sprach: »Dennoch ist es so, Ihr werdet bei der sein, die Eure Hausfrau ist und schon lange war.« Da stürmte Pipin auf den Müller, er solle sagen, ob nicht jene Frau bei ihm verborgen. Der König hätte ihn getötet, als er gestand, es sei wohl schon sieben Jahre eine engelschöne Jungfrau bei ihm, die keines Menschen Auge gesehen. Da mußte die Jungfrau herfürgehen, und Pipin schmeichelte ihr: »es stehe in den Sternen, sie sei sein ehelich Weib.« Da war zwischen ihnen viel Frage und Antwort, obgleich die Jungfrau ihr Geschick lange nicht offenbaren wollte, wegen des schweren Eides, bis der König ihr erklärte, er sei durch Todesfurcht erzwungen und ungültig. Die edle Bertha zeigte ihm nun seinen eigenen Brautring, den er ihr durch den verräterischen Hofmeister gesendet und Pipin war außer sich vor Freude, gebot den Seinigen Schweigen, so lieb ihnen ihr Leben sei, nahm zärtlichen Urlaub und erreichte des Abends noch die Burg, die jetzund Pael heißt und kam des andern Tages gen Weihenstephan. Dort erzwang er das Geständnis der Knechte, die Bertha verschont, ließ seine Weisesten rufen, den Hofmeister dazu, erzählte seine Falschheit und Missetat, als wäre sie einem andern geschehen, fragte darauf mit schrecklichem Blick und Ton den Hofmeister: »Was gebührt einem für solche Missetat?« Blaß und zitternd sprach dieser: »Ich will kein Urteil fällen über mich selbst.« Da verdammte ihn der gemeine Rat zum schmählichen Tode. Die Hofmeisterin, die den verdammlichen Rat gegeben, ward eingemauert, und ihre Tochter, die unterschobene Königin, in einem besondern Gemach verwahrt, doch starb sie bald aus Gram.
Wie Pipin heimkam aus dem langen Feldzug wider die Sachsen, eilte er auf die Reismühle am Würmsee. Der Müller trat ihm entgegen und reichte ihm einen Pfeil zum Wahrzeichen, in der Mühle sei ihm ein Sohn geboren von der schönen Bertha. Das war der große Karl.
Pipin führte seine Fürsten und Ritter zu seiner Frau, zeigte ihnen ihr armes Kämmerlein, und ihr Lager bloß von weichem Moos und zog dann mit ihr ab unter lauten Schall und Ruf und Waffenklang; auf Weihenstephan zuerst und dann noch Frankreich, wo sie als Königin des Landes gegrüßt und ihr schöner, kühner Knabe getauft wurde. Carolus Magnus, dessen Ruf durch alle Welt ging.