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Es war vor vielen hundert Jahren ein Köhler in dem Odenwieserwald, der hatte eine einzige, schöne, tugendhafte Tochter Lili. Während ihr Vater bei dem Meiler saß, ging sie in den Wald, um Erdbeeren, das Lieblingsessen ihres Vaters, zu holen. Sie ging tief in den Wald und fand viele Beeren. Sie gelangte an einen Bach und sah unter einer großen Buche einen großen Mann mit blassem Gesichte, daneben sein kohlschwarzes Roß, seine Schweißbracken und seine Falken. Die Maid erschrak, verlor aber alle Furcht, als sie der fremde Ritter freundlich grüßte. Er verlangte Labung, und die schöne Maid reichte ihm ihren Korb mit den Erdbeeren. Darauf setzte er die Maid vor sich hin auf das Roß und trabte der Köhlerhütte zu. Der Köhler freute sich über den vornehmen Besuch, gewährte dem fremden Ritter Nachtlager, welcher mit Sonnenaufgang zärtlichen Abschied von der Lili nahm und wiederzukommen versprach. Die Jungfrau hatte aber einen Geliebten, der die Schafe ihres Vaters hütete. Wie sie sich wiedersahen, errötete Lili und war verwirrt. Der Hirt, vermeinend der Grund hiervon liege in übler Nachrede der Leute, tröstete sie mit der Versicherung, daß sie bald heiraten würden. Der Ritter kam nun öfter in die Köhlerhütte und gewann so die Gunst der Lili, daß sie des Schafhirten nicht mehr gedachte. Der Köhler war es zufrieden, daß Lili eine gnädige Frau werden sollte, und so vergingen den beiden mehrere Monde in süßer Minne. Den Schafhirten fand man zerrissen im Walde, niemand wußte von wem. Die Leute fürchteten die Köhlerhütte sehr, denn es stürmte und brauste da das wilde gjoad.
Lili konnte das lange Schweigen ihres Bräutigams über Herkommen und Stand nicht länger ertragen, und sie und ihr Vater drangen in ihn, sich zu entdecken. Zwar suchte der Ritter sie davon abzubringen, aber sie beharrten darauf. Am Abend vor Neujahr war die Hochzeit; da war ein großer Hofstaat, viele Ritter und Knappen in glänzenden Rüstungen waren zugegen, und es waren Turniere und allerlei Ritterspiele. Die schöne Braut Lili glänzte von eitel Gold und Edelsteinen. Der Ritter wollte seiner Braut erst in der Brautkammer eröffnen, wessen Standes und Abkommen er sei, und wo er Hof halte. Als nun die Stunde der Mitternacht nahte, da brach ein höllisches Wetter los; es blitzte und donnerte, und eine wilde Flamme schlug vom Himmel in die Köhlerhütte, aus deren Mitte der Bräutigam mit der Braut in schneeweißem Gewand auf seinem Rappen fuhr, und dann über die Waldbäume durch die Lüfte sauste. Der Wehruf der Maid ward noch lange gehört, bis er verklang. Von der Köhlerhütte war keine Spur mehr zu sehen, und auch der Köhler verbrannte, den Gott wegen seines Hochmutes strafte. Auf dem Platze, wo die Köhlerhütte stand, war noch vor mehreren Jahren ein Kreuz; da mochte abends niemand weilen. Die Lili sah man oft mit ihrem Korb roter Beeren bei der Buche an der Quelle sitzen, hörte sie klagen und singen mit lieblicher Stimme, und sie geht heutzutag noch.
Der wilde Jäger wurde nachher von Zeit zu Zeit gesehen, wie er in der Nacht bei Mondenschein mit der jammernden Lili auf dem schnaubenden Rappen, wie Sturmwind, durch die Lüfte brauste, und wer das wilde gjoad hört, der spricht den Namen Lili, den läßt es vorüber, und kann ihm nicht schaden.