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In Indien lebte einst ein sehr mächtiger und verständiger König namens Schach Bacht. Dieser hatte einen frommen, gerechten Wesir, dem er sein ganzes Zutrauen schenkte. Dies zog dem Wesir viele Neider zu, die ihm alle Arten von Fehlern andichteten, dem König Argwohn einflößten, ja endlich den König veranlaßten, ihn vom Hofe zu entfernen. Allein sehr bald vermißte der König seinen treuen Ratgeber, und niemand von allen denen, die sich um seine Person befanden, vermochte ihm die Weisheit des verabschiedeten zu ersetzen. Je länger dieser Zustand währte, desto mehr Mißgriffe wurden in der Regierung gemacht, die ihm das Herz der Untertanen abwendig machten, so daß das Reich zuletzt dem Untergange nahe war.
Jetzt sah der König auf eine schmerzliche Weise ein, wie sehr ihm die treue Aufrichtigkeit seines verstoßenen Wesirs fehlte. Er schickte daher nach ihm, setzte ihn wieder in seine vorigen Würden ein und entfernte von sich die Neider und Bösen, die ihn veranlaßt hatten, den Wesir zu verabschieden. Da pries der wiedereingesetzte Wesir Gott, lobte ihn und rechtfertigte sich in Gegenwart seiner Feinde vor dem Könige, worüber dieser eine große Freude hatte und Gott dafür pries, daß die Sachen einen so glücklichen Ausgang genommen hatten.
Wie sehr gleicht nicht diese Geschichte der meinigen, o König, der du auch den Anschwärzungen anderer gegen mich Gehör gegeben hast, da dir doch mein Eifer und meine Aufrichtigkeit bekannt waren. Gott aber hat dir doch Geduld gegeben, daß du Zeit haben konntest, meine Unschuld zu erkennen und die Wahrheit einzusehen. Bereits sind die Tage verflossen, während welchen, wie man dir sagte, ich dich töten wollte. Der Monat ist vollendet, und der Augenblick des Bösen ist vorüber.« Hier schwieg der Wesir, und der König Schach Bacht, von Reue durchdrungen, bewunderte den Scharfsinn seines Wesirs und seine Geduld. Er trat zu ihm, umarmte ihn, bekleidete ihn mit kostbaren Ehrenpelzen, überhäufte ihn mit Ehrenstellen und verhaftete diejenigen, die dem Wesir den Untergang gedroht hatten. Auch derjenige wurde nicht verschont, der den Traum gedeutet hatte.
Dies ist es,« fuhr Scheherasade fort, »was wir von der Geschichte des Königs Schach Bacht erfahren haben.« Da wunderte sich der König über Scheherasade, drückte sie liebevoll an sein Herz und sprach bei sich selbst: »Bei Gott, eine Frau wie diese verdient nicht, getötet zu werden, die Zeiten werden nicht so bald eine ähnliche hervorbringen. Ach! in welchem Irrtum und in welcher Grausamkeit habe ich doch gelebt bis zu der Zeit, wo Gott mir diese Gemahlin zugeführt hat! Preis ihm! O möchte er doch meinen Ausgang mit ihr so einrichten, wie es mit dem Wesir und dem König Schach Bacht der Fall war.« Hier überwältigte ihn der Schlaf. – Gepriesen sei der, der nie schläft!
»O König,« fuhr Scheherasade in der folgenden Nacht fort, »mir sind einige Geschichten von der List der Frauen eingefallen, die wohl vielen zur Warnung dienen möchten. Allein ich fürchte, daß, wenn ich sie dem Könige vortrage, sie mir in seiner Meinung schaden könnten. Denn es gibt so viele listige und betrügerische Frauen, und das Unglück, das sie anrichten können, ist so unbeschreiblich groß, daß, wenn die Männer, die doch gern in ihrer Nähe sich befinden, nicht ganz auf ihrer Hut sind und, bloß auf die äußere Schönheit sehend, sich um das andere nicht bekümmern, gewiß ihrer List unterliegen werden. Der Vernünftigste meidet es gewiß ganz, sie anzuhören.« Da sprach Dinarsade: »Erzähle, liebe Schwester, was du irgend von der List der Frauen weißt, und fürchte nicht, daß dieses die Achtung des Königs gegen dich vermindern werde. Die Weiber gleichen den Edelsteinen; sie sind von vielerlei Gattungen und Farben; fällt ein einziger Edelstein in die Hand eines Kenners, so behält er ihn für sich und läßt die andern liegen. Auch sind immer einige Frauen vorzüglicher als die andern. Erinnere dich nur an den Töpfer, welcher seinen Ofen mit allerhand Gefäßen anfüllt, dann das Feuer darunter anzündet, und der dann, wenn alles gebrannt ist und er es herausnimmt, oft sich genötigt sieht, alles zu zerbrechen, anderes dagegen, was er tadellos findet, an die Leute verkauft, die es brauchen. Laß dich also nicht abhalten, die Geschichte von der List der Weiber zu erzählen; denn alle Menschen können ja davon Nutzen ziehen.« Da erzählte Scheherasade folgende Geschichte: