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Die Worte summten Stephan noch im Ohr, als er in seiner Kammer saß, den Kopf auf den Ellbogen gestützt. »Was wollen sie hier?« fragte er sich, bis er rasch aufsprang, einige Zeilen schrieb und kuvertierte. Sein Bursche eilte damit zum Rittmeister.
Die Bodenkammer des Lehmhauses war nicht sechs Schritt lang, aber der Leutnant durchmaß sie, als wenn sie kein Ende hätte. Plötzlich rief er zum Fenster hinaus den Namen eines Husaren, und ein hübscher Mensch, ein junges Blut, stand schulternd an seiner Tür. Er hatte seinen Leutnant so noch nicht gesehen. Stephan lud die Pistolen.
»Befehlen Herr Leutnant, daß ich lade, Sie schütten über.«
Stephan warf das Pistol hin: »Schämt Er sich nicht?«
Der Husar sah verwundert seinen Offizier an.
»Ich habe ihn von unten gesehen.«
»Drum, ich wußte auch gar nicht, Herr Leutnant, warum Sie mich raufriefen.«
»Schämt Er sich nicht, Kerl, sich mit der Dirne zu befassen.«
»Herr Leutnant können doch nicht einen Blick auf sie geworfen haben?« sprach der Mensch noch verwunderter als vorhin. Es lag in seinem Blick eine Frage, die der Respekt ihn nicht aussprechen ließ.
»Er junger Bursch, der gestern wie der älteste Husar sich herumschlug, er gibt sich mit der alten wendischen Dirne ab, die häßlich ist wie die Sünde und beinahe seine Mutter sein könnte.«
»Ach, gestrenger Herr Leutnant,« rief der Husar wieder zu Atem kommend, »das ist bloß die Langeweile, und weil Krieg ist.«
»Und Er schämt sich nicht, mir das ins Gesicht zu sagen. Er ist ein Mann, ein preußischer Soldat, ein schwarzer Husar, und läßt sich fangen von einer häßlichen alten Hexe, mit der er nicht einmal reden kann, weil sie nicht deutsch versteht.«
Der Husar sah noch sehr verblüfft vor sich hin, nicht wissend, wie er sich auf einen Angriff, der ihm nicht in den Sinn gekommen, verteidigen solle, als ihm ebenso unerwartet jemand zu Hilfe kam. Der Leutnant Strach hielt die Klinke in der Hand.
»Ei, Herr Kamerad,« antwortete er statt des Burschen dem Offizier, »es gibt eine Sprache, die nicht wendisch und nicht deutsch ist und sich doch versteht.«
»Zu Gnaden, Herr Leutnant, Sie verstehen das schon,« sagte der Bursch, »legen Sie nur ein Wort für mich ein. Wenn's nicht sein muß, ich will ja das Geschöpf nicht ästimieren und ihr was anderes tun, aber ich meine nur so, für einen Herrn Leutnant schickt sich das nicht, was für unsereins gut genug ist, denn sie ist doch gar zu häßlich.«
Stephan mußte wider Willen in das helle Gelächter des Kameraden einstimmen und schickte den Burschen fort. Noch an der Tür drehte der aber die Mütze und sagte: »Sehen Sie, ich hätte auch nicht schön mit ihr getan, aber da's der alten Hexe, unserer Wirtin, ihre Tochter ist und sie den Schlüssel hat zum Schrank, da dacht' ich: die Alte rückt doch nichts gutwillig raus für meinen Herrn Leutnant, und schwarze Augen hat sie auch, und ist nicht morgen, ist übermorgen Bataille und wer weiß, ob sie mich wiedersieht, oder ich sie: I, wenn's sein soll, so will ich ihr ja anders antworten. Aber ich möchte um alles nicht, daß mein Herr um eine Person, die gar nicht mal eine Person ist, mir bös wird. Und ich will sie gleich schlagen, daß Sie's hören sollen, die verwünschte Hexe die –«
Es kostete einige Mühe, den Soldaten von diesem neuen Vorsatze, der seine Reue ausdrücken sollte, abzuhalten.
»Kontrollieren Sie auch den Geschmack Ihrer Leute?« fragte Strach spöttisch, als der Bursche sich entfernte. »Oder hat der arme Mensch nur einen Ärger auszubaden, der von anderwärts kam? In dem Fall, Herr Kamerad, tut das Fuchteln bessere Dienste. Der Ärger geht aus dem Kragen bei jedem Schlage heraus und man hört mit frischem Blute auf.«
»Ist das Mittel probat?«
»Bei Liebeskummer kann ich's aus eigener Erfahrung rekommandieren. Ich wollte, als ich Kornett geworden, meine Herzangebetete in meiner funkelnagelneuen Uniform überraschen, als ich im Stübchen schon eine andere Uniform, und zwar meines Obristen, gewahre. Da war der Spaß mit meiner und der Spaß überhaupt verdorben. Ich tobte und raste. Ein Obrist läßt sich nicht prügeln, fordern auch nicht. Darum hieb ich meinen Pallasch gegen einen alten Zaun stumpf und schartig, und als ich nach Hause kam, meinen neuen Burschen windelweich, und als ich nicht mehr konnte, war der Liebesschmerz vorüber, und die Liebe auch.«
»Und der arme Bursche?«
»Je nun, dem gab die Natur eine andere Haut. Ihm mußte am meisten daran gelegen sein, daß sein Herr guter Laune ward. Ein blauer Rücken ist zu verschmerzen, aber niemals ein verdrießlicher Herr.«
»Scherz beiseite,« rief Stephan, »wie kann die Natur sich so verirren und der hübsche Kerl, der die Dorfschönheiten rasend machen könnte, sich in die Person vernarren!«
»Der Geschmack ist verschieden,« lachte Strach auf, sich in den Schemel werfend.
»Sie ist zu widerwärtig.«
»Der Husar nimmt, was er findet.«
»Der Krieg tauscht doch nicht den Menschen aus.«
»Aber er macht seine Sinne gröber. Haben Sie nie Pfützenwasser getrunken und schimmliges Kommißbrot gegessen?«
»Nie, wenn ich Besseres hatte. Die hübschen Mädchen fehlen in keinem sächsischen Dorfe.«
»Die Sie hübsch nennen. Ein Offizier hat einen anderen Geschmack als der Gemeine, ein Milchbart als der Mann, ein Original wie alle anderen. Mir zum Exempel sind die hübschen Gesichter, was man darunter versteht, fast so zuwider, als Ihnen die arme Kassubin. Die Schönen verlangen nur, und die Häßlichen geben was. Erstürmen ist ein Gaudium im Kriege, aber dann erwartet der General, daß sie ihm den Schlüssel auf Kissen bringen und süße Worte machen. Kokettieren sollen die Weiber, wozu sind sie! und die Häßlichen verstehen's besser. Eine züchtige Blondine, mit herunterhängenden Wimpern, mag gut sein, wenn wir mal in Kohl und Kraut sitzen, bis dahin nehm' ich's nicht so genau mit dem Teint. Bin ich von Pulver, Schweiß und Sonne verbrannt, was paßt dazu ein weißer Engel! Ich weiß zu Hause die Jahrgänge Rüdesheimer herauszukosten, aber, hol mich der Geier, wenn der Staub fingerdick auf der Zunge liegt, ist mir ein Schnaps lieber.«
»Kann ich aufwarten –« fragte Stephan.
»Nein. Darum kam ich nicht.«
»Man sieht's Ihnen gar nicht an, daß so heißes Blut in Ihnen rinnt. Sie haben zu viel Ungar drüben getrunken.«
»Erklärung, wenn ich bitten darf.«
»Wollen Sie auch mit mir anbinden? Wenn der Mensch so jung ist, glaubt er, er hat ein Dutzend Leben in die Schanze zu schlagen. 's ist angenommen, Kamerad.«
»Sie kommen als ein Kartellträger?«
»Und als Sekundant. Sich schießen zu wollen, ehe man Brüderschaft getrunken hat, 's ist eine Torheit, aber Sie sind an den rechten Mann geraten. Öl und Flammen kamen zusammen. Wissen Sie, was ich an seiner Stelle getan! Ein Rittmeister von seinem aggregierten Leutnant gefordert, im Kriege, vor dem Treffen, in einem raffinierten Billett. Hol mich der Geier, Sie hätten mir das raffinierte Billett mit dem Papier und der Tinte und dem Mundlack aufessen müssen. Die Skriptur spedierte Sie stehenden Fußes in Arrest auf die Festung, und Sie könnten von der Spandauer Zitadelle dem Kriege zusehen; aber es gibt einmal Narren in der Welt, warum nicht auch unter den schwarzen Husaren.«
»Ich wußte, daß der Rittmeister nicht niedrig denkt.«
»Glauben Sie, er will von Ihnen erschossen sein? Er will würfeln, ob Sie ihm aus dem Wege gehen, oder er Ihnen, das wollen Sie doch auch. Es kommen zwei Narren zusammen.«
»Wenn ich übrig bliebe, Herr Kamerad, können noch zwei andere würfeln.«
»Meinethalben!« lachte Strach auf.
»Es ist mein Ernst, Herr von Strach.«
»Possen! Stören wir uns denn? Setzt' ich mit Ihnen auf eine Coeurdame? Was geht Sie meine Pikdame an? Und es ist doch nur alles Spiel!«
»Wann bestimmte der Rittmeister?«
»Morgen früh.«
»Wo?«
»Drüben die Heide, wenn sie leer ist. Man reitet wie zum Patrouillieren hin; ich hole Sie ab.«
»Welche Waffen?«
»Wollen Sie sich mit krummen Säbeln vom Pferde hauen, Ihre Schöne lachte Sie aus.«
»Pistolen dann.«
»Die ich laden will.« – Noch an der Tür wandte der Kartellträger sich um. »Beim Himmel, ich stehe nicht im Ruf, wenn zwei Männer etwas ausmachen wollen, daß ich zur Ausgleichung rate. Aber hier ist's pure Torheit, dem Tode vorzugreifen. Spätestens in einer Woche rückt er Ihnen vor die Front und steht Ihnen offen und ehrlich. Was wollen Sie ihn vor der Zeit, wie ein Dieb bei Nacht, aufsuchen? Ehre ist nicht zu holen, nur zu verlieren. Nicht um einen Zollbreit länger wird Ihnen das Grab gegraben, wenn Sie die Kugel trifft aus des Rittmeisters Pistole, als aus der Muskete des Panduren; nicht davon zu sprechen, daß ich mich schämte, wenn zwei preußische Offiziere um ein sächsisches Fräulein sich die Hälse brechen.«
»Reden Sie im Auftrage des Rittmeisters?«
»Vernunft ist nicht von einem Liebestrunkenen zu erwarten. An Ihnen, junger Kamerad, ist es, zuerst zu reden, denn Sie sind im Glücke.«
»Ich soll ihn bitten?« fuhr Stephan auf.
»Es gibt Mittel, Kamerad, mit Ehre die Promenade aufzuschieben. Schlimmstenfalls haben Sie nichts zu tun, als drei Zeilen zurückzunehmen.«
»Ich nehme nie etwas zurück, und melden Sie dem Rittmeister, wenn wir noch einmal etwas auszumachen hätten, wünschte ich, er wähle einen besseren Kartellträger.«
»Auch gut!« sagte trocken der andere und nahm den Säbel in den Arm. »Wir treffen uns irgendwo. Wenn's aber zu spät wird für diese Welt,« setzte er mit verändertem Tone hinzu, »wie dann in der anderen?«
So hatte Stephan den rohen Mann niemals reden hören. »Possen!« klang es wie ein Seufzer nach und der Kartellträger ging.
* * *
Als der gespornte Tritt auf der Dorfgasse verhallte, warf sich Stephan auf den Stuhl, das glühende Gesicht auf dem Tische verbergend. Ein dunkler Kampf arbeitete in ihm. Vor den geschlossenen Augen brachen die wolkenhohen Paläste seiner Hoffnungen und stürzten in bodenlosen Abgrund. Überall vor ihm ward es hohl und leer. Er zauste, aufgestanden, an der Schärpe, die ihm der Zufall in die Hände gegeben, bis sie auf den Boden flog. Er trat mit dem Fuße darauf, die Kartusche mit dem preußischen Adler flog nach: »Es ist vorbei.« Er ergriff die beiden Pistolen und maß sie gegeneinander. »Doch, doch soll alles auf ein Narrenspiel auslaufen,« monologisierte er, »was wir auch taten, dem Leben Ernst zu geben! Mit dem Aberglauben rangen wir, um auf die Letzt aus Schreck vor einem Ammenmärchen zu sterben! – Er will mich nicht!« lachte er auf. »Und brächte ich ihm die Kaiserinnen und Könige am Schopf gebunden und sagte: ›Herr, du hast keine Feinde mehr‹: Er wollte doch nicht. Warum nicht? – Rätsel des Lebens! Ein Druck mit dem kleinen Finger an den schwachen Griff und der Athlet stürzt hilflos hin, der Eroberer einer Welt wird Staub; aber alle die unendliche, dem Menschen dienstbar gewordene Kraft reicht nicht aus, den armen dürftigen Willen um ein Haar breit zu beugen. Da scheitert die Kunst des Intriganten, ohnmächtig ist Jugend, Schönheit, Rang und Reichtum des Liebeglühenden. Sie will nicht. Warum? Da scheitert Talent und Verdienst des Vaterlandsfreundes? Warum? Die Gunst ist eine Buhlerin, heute um einen Gulden feil dem Schalksnarren und morgen eine jungfräuliche Festung gegen den Würdigen.«
Er spielte mit der Pistole: »Warum man sich nicht mit sich selbst duellieren kann! Wenn man nun über keinen mehr unzufrieden ist, als über sich!« Er spannte den Hahn und spannte ihn ab: »Die Ehre ist rostig, durchgefressen. Wozu fremdes Blut, um sie wieder reinzuwaschen, wo das eigene nicht ausreicht!«
Er wog die Instrumente der Vernichtung in seiner Hand. Sein Auge verfolgte das Spiel des Lichtstrahls auf dem Stahl. Da fiel eine Träne, die sich unter den Wimpern vorgestohlen, auf das Schloß. Das Pulver auf der Pfanne war feucht geworden. Er warf die Pistole auf den Tisch und sich auf das Feldbett.
Bilder der Vernichtung gaukelten um seine heiße Stirn, lockend und schrecklich und alle lebendig wie einst die goldenen Träume der Jugend! »Sie nur einmal noch sehen!« sprach er, und die lange mit Macht zurückgehaltenen Tränen netzten hervorquellend seine fieberhaft glühende Wange. »Nur ein einziges Mal,« wiederholte er dringender, halb Wunsch, halb Gebet, und tausend Vorwürfe, daß er anders hätte handeln sollen, weckten tausend Erinnerungen. Die Gedanken flogen zurück bis in die ferne Vergangenheit, aber nirgend einen Punkt, wo sein wundes Gefühl Ruhe fand; wo er sich stützte, brach es, überall Schiffbruch – Vernichtung.
»Es sei,« rief er und raffte sich auf, erweckt durch den abendlichen Trommelschlag. »Auch zur Vernichtung gilt es sich präparieren.«
Die Wirtin setzte das Lichtstümpfchen auf den Tisch und er schrieb. – An die Gestalt, die in der langen Reihe der Erinnerungen ihm zuletzt erschienen war – sie hatte ihm versöhnend die Hand gereicht – er schrieb einen Abschiedsbrief an seine Mutter. Die Zugluft durch die Ritzen der Lehmwände schaukelte das Lichtflämmchen, das Papier war feucht, die Tinte verschimmelt, die Feder wollte nicht fort, die Gedanken ordneten sich nicht, die Worte fehlten und doch überlas er jetzt zwei Seiten, aber nur der Anfang war an die Mutter gerichtet, es war ein Brief geworden an die Gräfin. Der Oktobersturm, der über die Dächer fuhr und seines ihm über dem Kopf einzureißen drohte, störte ihn nicht, indem er wieder und wieder las und zum Anfang kein Ende fand und zum Ende keinen Anfang. Der Wind riß seine Tür auf – oder er glaubte es – die Wendin war eingetreten, das rote Tuch um den Kopf, den gelben Tuchmantel über die Schultern. Sie hustete, er blickte nicht auf. Sie klopfte ihm auf die Schulter; er winkte ihr fort.
»Mein Gott, das ist doch zu arg,« rief jetzt eine wohlbekannte Stimme im reinsten Deutsch. Wiewohl sie den Mantel nicht abwarf und die häßliche Binde nicht von der Stirn zog, war das Fräulein doch nicht zu verkennen.
»Sie, Amelie,« fuhr er auf. »Sie kommen –«
»Nicht meinetwegen. Beruhigen Sie sich.«
»Sie bringen –«
»Ihnen den vergessenen Vergißmeinnichtstrauß und die Nachricht: Die Gräfin ist hier. Wir haben keine Zeit zu verlieren; für den Spott künftig brauchen Sie nicht zu sorgen, denn ein Liebender, der die Nähe der Geliebten nicht schon an der Witterung merkt, verdient ihn. Indessen danken Sie's meinem Mute, in der Verkleidung zu Ihnen durchzudringen. Ihren moralischen Ruf bei den Husaren müssen Sie schon verloren geben, denn als ich trotz dieser Verkleidung ihren Zudringlichkeiten nicht ausweichen konnte, rettete mich nur die Lüge: Sie hätten mich zu sich bestellt. Die Gräfin ist hier und muß Sie sprechen.«
»Ich fliege zu ihren Füßen.«
»Halt, – wenn Sie alles verderben wollen, der Graf ist mit hier, – er hat Geschäfte im Hauptquartier und wir mußten zufrieden sein, einen Grund zu finden, daß er uns nicht allein zurückließ – wir wohnen drüben in der Meierei, die uns gehört, ein Witwensitz für arme Fräuleins aus der Familie – aber bis Mitternacht ist der Alte wach und es läuft aus und ein von Offizieren, Ordonnanzen und Verwaltern.«
»Was hindern mich die, als Gast in das Haus des Grafen zu treten.«
»Wenn wir das gewollt, hätten wir Ihnen eine Einladungskarte durch den Jäger geschickt. Doch wenn es,« fuhr sie, ihn fixierend, langsamer fort, »Ihnen mehr Lust macht, will ich das Putzzimmer aufschließen lassen und es den Bedienten sagen, daß man die Flügeltüren aufreißt und der Schweizer soll Ihren Namen hineinschreien.«
»Amelie, was stecken Sie fort?«
»Nichts, was Sie zu würdigen wissen.«
Er faßte heftig ihre Hand.
»Sie zittern ja! Es ist nichts als ein kleiner Schlüssel zu einer Hintertür.«
»Goldenes Wesen, her damit.«
»Sind Sie's wert?« – fragte sie zögernd.
»Bei allen Göttern –«
»Der Lauben und Grotten, nicht wahr?«
»Eugenie selbst hat –«
»Mich zu Ihnen geschickt. Behutsamer!«
Er entriß ihr den Schlüssel, den sie Miene machte, nicht gutwillig herzugeben, drückte ihn an die Lippen und die Hand der Überbringerin so fest, daß sie fast schrie.
»Ein echter Verliebter,« sagte sie kopfschüttelnd, »wartete nicht auf den Schlüssel. Er kletterte über den Zaun, bräche durch die Mauer, schlüge den Wächter und allenfalls mich tot, wenn ich ihm im Wege stände. –«
Er riß den Mantel von der Wand.
»Halt! Vor Mitternacht dürfen Sie sich nicht auf den Weg machen und es ist Ihnen erst erlaubt, bei uns einzutreten, in der Stunde, wo die Gespenster wieder von dannen gehen. Sehen Sie dort die Lichter zwischen den Linden, das ist unsere Meierei. – Sie dürfen aber nicht über die Straße.« Sie zeigte ihm am Fenster die Gegend und den Weg. »Je weiter Sie um das Dorf herumschweifen, um so besser. Dort jenseits der Wiese kommen Sie den Weidendamm herüber, springen über den Graben, drängen sich durch die Hecke. Der Weg durch den Garten nach der Hintertür ist nicht zu verfehlen. An das Fenster der Komtesse häng' ich den Karmesinschal und im dunklen Hause muß ein Liebender sich selbst zurechtfinden.«
»Und die Ewigkeit bis da!« rief er.
»Sie benutzen sie, zu überlegen, ob Sie auch moralisch handeln.«
Er drückte ihr die Hand noch einmal stürmisch an die heftig schlagende Brust. »Wie dank' ich dir das!« Schnell entwand sie sich, legte den Finger auf die Lippen und flüsterte: »Gedenken Sie, die Stunde kommt nicht wieder,« und war, ehe er das Licht ergreifen konnte, die steile Treppe hinunter.