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Vorbemerkung

Heimatkunst! Dieses Wort ist neuerdings zur Parole geworden in Literatur und Kunst und wird verkündet mit einer Begeisterung und jeden Widerspruch ausschließenden Bestimmtheit, als bedeut' es eine neue Offenbarung des wahren Heils, das im Antaeus seine mythische Gestaltung gefunden hat. Und doch brauchen wir gar nicht weit zurückzugreifen in unserem Geistesleben, nur einige sechzig Jahre, um einer literarischen Bewegung zu begegnen, in der man wohl mindestens eine der heutigen Heimatkunst verwandte Tendenz erkennen kann. Ihr Vertreter ist Willibald Alexis oder, wie er eigentlich hieß, Wilhelm Häring, mag auch seine Dichtung nur bedingt Heimatkunst sein, weil sie wohl aus dem Engeren schöpft, nicht aber aus der Scholle, deren eigentlicher Sohn der Dichter gewesen ist. Die Heimatkunst eines Alexis war keine literarische Hauptrichtung ihrer Zeit, sie bedeutete vielmehr zu dieser die Reaktion. Sie war der Halt gegenüber der Flucht einer Kunstrichtung, die im Dienste einer regierungsfeindlichen demokratisch liberalen, internationalen Opposition mit der romantischen Tradition brach und eine Gegenwartsdichtung forderte, die, nicht mehr Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, sich tendenziös politischen und socialen Aufgaben zuwenden sollte. Mochte nun Willibald Alexis auch von den »Jungdeutschen« ausgegangen sein, so schritt er als Dichter wenigstens doch bald seinen eigenen, den jenen so ausgesprochen entgegengesetzten Weg, daß Karl Gutzkow ihn geradezu als Renegaten bezeichnete. Allerdings hat später Gutzkow von seiner polemischen Beurteilung des anderen Zielen zustrebenden Romandichters viel zurückgenommen und gelegentlich zugegeben, daß »im Drange des Parteiwesens dem erzählenden Talente Alexis' unrecht geschehen sei.« Der Zug der Romantik, der in Alexis' Wesen noch stark nachklingt, ließ ihn aus der Gegenwart flüchten in die Vergangenheit und führte ihn zu dem historischen Roman, der den Ruhm des Dichters begründete. Alexis' historische Romane sind Werke von bleibendem literarischen Werte; gerade jetzt verdienen sie's, daß sich die Aufmerksamkeit ihnen in erhöhtem Maße zuwendet, in der Periode der »Heimatkunst,« so sehr sie sich bei Alexis als dem Nachfolger der Romantiker auch unterscheiden mag von der einen Richtung, die die Schule des Naturalismus erfolgreich überstanden hat. Das Bleibende in der Erscheinungen Flucht, das hier wie dort, das heute wie gestern, in Gegenwart und Vergangenheit beständig ist, ist die Landschaft. Die liebevolle Schilderung, ihrer das Leben und Treiben, das Dichten und Trachten der Menschen bedingenden Eigenart ist das Gemeinsame der Romane eines Alexis und der Schöpfungen unserer heutigen Heimatdichter. Alexis war der erste Schilderer der Mark Brandenburg; erfüllt von »patriotischer Vorliebe für märkische Dörfer, Sandwege mit einsam frierenden Halmen, Kiefernwälder mit Eichhörnchen und gewissen wie schon gedörrt auf die Welt kommenden Blüten (Gutzkow), hat er als Erster uns die geheime, karge Poesie der ›Streusandbüchse‹ erschlossen und trotz Gutzkows Widerspruch dargetan, daß man sich auch in Pankow und Schönhausen bei Berlin dem großen Naturgeiste nahe fühlen kann.« In den düsteren Wäldern der Mark mit ihrem niederen, dunklen Dach, getragen von schlanken kupfernen, an der Wetterseite grün patinierten Säulen, mit ihren melancholischen Seen, an den Ufern der stillen Havel kann man das sehr wohl. In seiner elegischen Stimmung taucht aus Alexis' Romanen dieses in seiner Art auch schöne Stück Erde vor uns auf; tief sinkt der Fuß in bleichen Sand, auf dem das Heidekraut blüht; über knorrigen Kiefern krächzen Krähen; am Fluß in den Wiesen spaziert der Storch; wenn die Havel zugefroren ist, dann schleicht aus dem Walde der Wolf des Nachts hinüber zum Werder; über der weiten Fläche mit dem tiefen, fernen Horizont wölbt sich ein grau verschleierter Himmel, der die Stimmung gibt zu historischen Gemälden, auf deren Schöpfer man wohl Gutzkows Worte anwenden darf: »Niedrig war der Strich seines Fluges niemals. Niemals« – um ebenfalls märkisch zu reden – »glich er dem Kiebitz, der bald links, bald rechts die Beine verschränkend am Seegestade dahinstreicht.«

Über Brandenburg hinaus richtet der Dichter der Mark immer seinen Blick auf Deutschland, und dieser Blick ist der des Propheten, der schon Preußens Vorherrschaft voraussieht. Für diese Prophetie fand Alexis zu seiner Zeit freilich noch kein Verständnis, Gutzkow warf ihm preußische Einseitigkeit und Mangel an allgemeiner deutscher und welthistorischer Höhe vor; ebensowenig wurde auch damals seiner Art, die Charaktere aus der Landschaft hervorwachsen zu lassen, gebührende Anerkennung. Dagegen hatte die Kritik sofort ein Auge für Alexis' Schwächen, die durch die gleichmäßige Staffage bedingte Monotonie seiner Kulturbilder, die altertümelnde Sprache, die leicht ermüdende Breite und den Mangel an Straffheit der Komposition.

Aber wenn auch Gustav Freytag in Willibald Alexis den Vertreter einer gefährlichen Übergangsperiode sah, dem es unmöglich sei, ein großes geschlossenes Kunstwerk zu schaffen, kann er ihm doch seine Sympathie nicht versagen und gibt ihr mit den Worten Ausdruck: »Nie werden wir Deutsche ihm vergessen, daß er als einer der Ersten eine neue Zeit in seinen Romanen ankündigte.« (Grenzboten 1851, Nr. 11.) Die Hauptwerke Alexis' sind der Roman »Walladmor,« den er im Jahre 1825 unter dem Namen Walter Scotts, seines Lehrmeisters, veröffentlichte, der stimmungsvolle, aber auf unwahrscheinlicher, durchaus romantischer Unterlage aufgebaute Roman »Cabanis« (1832), der »Roland von Berlin,« der den vom Dichter am besten gezeichneten Charakter, den Johannes Rathenow, enthält (1840); »Der falsche Woldemar« (1842), »Die Hosen des Herrn von Bredow« (1846); »Ruhe ist die erste Bürgerpflicht,« eine Arbeit, die Gutzkow »die schönste Frucht der Erhebung durch die Zeit« nannte (1852) u. a. m.

Wilhelm Häring ist geboren am 29. Juni 1798 zu Breslau, als Sprößling einer bretonischen Réfugiéfamilie Harenc. Nachdem er den Feldzug 1815 als Freiwilliger mitgemacht hatte, studierte er die Rechte in Berlin und Breslau. Aber:

Wandle keiner, welcher einen Lorbeer tragen will davon,
Morgens zum Parnaß mit Akten, abends auf den Helikon.

Schon als Kammergerichtsreferendar schied Häring aus dem Staatsdienste aus, um sich ausschließlich einer freien schriftstellerischen Tätigkeit zu widmen. In den Jahren 1827-1835 redigierte er das »Berliner Konversationsblatt,« das er 1830 mit dem »Freimütigen« vereinigte. Erwähnt muß noch werden, daß Häring mit Hitzig den »Neuen Pitaval« begründete. 1852 siedelte der Dichter seiner Gesundheit wegen von Berlin nach dem stillen Thüringer Waldstädtchen Arnstadt über, wo er am 16. Dezember 1871 gestorben ist.

H.M.

 

»Fridericus Rex«

von Willibald Alexis

Fridericus Rex, unser König und Herr,
Der rief seine Soldaten allesamt ins Gewehr,
Zweihundert Bataillons und an die tausend Schwadronen,
Und jeder Grenadier kriegt sechzig Patronen.

Ihr verfluchten Kerls, sprach Seine Majestät,
Daß Jeder in der Bataille seinen Mann mir steht,
Sie gönnen mir nicht Schlesien und die Grafschaft Glatz
Und die hundert Millionen in meinem Schatz.

Die Kais'rin hat sich mit dem Franzosen alliiert,
Und das Römische Reich gegen mich revoltiert,
Die Russen seind gefallen in Preußen ein,
Auf laßt uns zeigen, daß wir brave Landskinder sein.

Meine Generale Schwerin und Feldmarschall von Keith,
Und der Generalmajor von Zielen seind allemal bereit,
Potz Mohren, Blitz und Kreuz-Element,
Wer den Fritz und seine Soldaten nicht kennt.

Nun adjö, Lowise, wisch ab das Gesicht,
Eine jede Kugel die trifft ja nicht,
Denn träf' jede Kugel apart ihren Mann,
Wo kriegten die Könige ihre Soldaten dann

Die Musketenkugel macht ein kleines Loch,
Die Kanonenkugel ein weit größres noch;
Die Kugeln sind alle von Eisen und Blei,
Und manche Kugel geht manchem vorbei.

Unsere Artillerie hat ein vortrefflich Kaliber,
Und von den Preußen geht keiner nicht zum Feinde nicht über.
Die Schweden, die haben verflucht schlechtes Geld,
Wer weiß, ob der Östreicher besseres hält.

Mit Pomade bezahlt den Franzosen sein König,
Wir kriegen's alle Woche bei Heller und Pfennig,
Potz Mohren, Blitz und Kreuz-Sackerment,
Wer kriegt so prompt wie der Preuße sein Traktament.

Fridericus mein König, den der, Lorbeerkranz ziert,
Ach hätt'st Du nur öfters zu plündern permittiert,
Fridericus Rex, mein König und Held,
Wir schlügen den Teufel für Dich aus der Welt.

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