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Siebzehntes Kapitel.

Graf Vließen hatte schlecht geschlafen, war spät aufgestanden und hatte allein gefrühstückt. Die Zofe hatte gemeldet, die gnädige Frau leide unter ihrer Migräne und ließe sich entschuldigen.

Daran war Etienne gewöhnt. Er saß in einem weichen, warm gefütterten Morgenanzuge an seinem Schreibtische und war mit der Ordnung seiner Papiere beschäftigt. Sein Entschluß stand nunmehr fest; er wollte Huhnholtz begleiten und schon in den nächsten Tagen nach Neapel fahren, um ihn dort zu erwarten. Er sehnte sich fort. Das Leben eines faulenzenden Sybariten ertrug er auf die Dauer nicht. Es erschlaffte ihn und erhöhte nur seine innere Unruhe.

Von Zeit zu Zeit lehnte er sich in den bequemen Schreibtischsessel zurück und verfolgte mit müdem Blick die Rauchringel seiner Cigarette. Im Grunde genommen begriff er nicht, warum er sich so maßlos unglücklich fühlte. Nun ja – seine Frau war die unangenehmste Zugabe zu dem ihm zugeflossenen Reichtum. Aber diese arme, stets leidende Frau hielt sich so scheu und ängstlich zurück, daß es fast war, als sei sie gar nicht da. Sie war wirklich kein Hemmschuh für ihn und keine Last. Sie war mit allem zufrieden und mit allem einverstanden. Ob er seinen Tag im Klub und auf den Rennplätzen und seine Abende in lustiger Herrengesellschaft, hinter den Coulissen oder am Spieltische vertrödelte – sie fragte gar nicht danach. Ob er hierhin und dorthin reiste, einer Jagdeinladung Folge leistete oder plötzlich auf zwei Wochen nach Ostende oder Monte Carlo verschwand – sie hatte immer nur das gleiche, Einverständnis ausdrückende Lächeln für ihn. Und ob er sich in die Politik stürzte, ob über Tag und Nacht ein leidenschaftliches Interesse für den Automobilsport in ihm erwachte, ob er sich industriellen Unternehmungen zuwandte – es ließ sie völlig gleichgültig. Sie hörte ihm zu, wenn er erzählte, nickte und lächelte. Das war alles.

Sie war ihm keine Last. Und doch eine furchtbare. Sie war das Gespenst der Leere in der trostlosen Oede seines Lebens. Nun er älter wurde, kam die Sehnsucht nach Anschluß über ihn. Sein Herz war nicht tot. Es lebte und forderte sein Recht. Er ertappte sich häufiger auf Erinnerungen an ferne Zeiten. Er mied Gerda und konnte sie doch nicht vergessen. Er empfand Reue und wollte es nicht wahr wissen.

Er hatte zuweilen das Gefühl, als sei sein Empfinden stumpf geworden. Er hatte keine Freude mehr; seine Genußfähigkeit versagte. Es war wie eine Ausschöpfung aller seiner Kräfte. Dabei stieg seine Ungerechtigkeit. Er konnte seine arme leidende Frau kaum noch sehen. Alle Verantwortung für den Zusammenbruch in seiner Seele häufte er auf das Haupt der Schuldlosen …

Nun wollte er fort. Er erhoffte nicht viel von dieser neuen Reise in die Ferne. Aber sie war ein physisches Austoben, ein Müdemachen. Das war auch etwas wert. Seine Ausrüstung und Waffen waren bereits auf dem Wege nach Neapel. Es handelte sich nur noch um die Ordnung einiger finanzieller Angelegenheiten, bei der ihm Nathansohn mit Rat und That zur Hand ging. –

Der Diener brachte ihm eine Visitenkarte. »Teufel,« murmelte Vließen, »Düren –? Das ist ein unerwarteter Besuch … In den Salon, Heinrich …«

Er folgte, begrüßte Düren mit höflicher Zurückhaltung und entschuldigte sich, daß er noch im Morgenanzug sei.

»Bitte recht sehr,« erwiderte Düren; »zu entschuldigen habe ich mich, daß ich nicht eine spätere Besuchsstunde gewählt habe …« Er war in schwarzem Ueberrock und hielt den Cylinderhut in der Hand. Sein Gesicht war etwas blasser als sonst, zeigte auch nicht das gewöhnliche unbekümmerte Lächeln und die liebenswürdige Heiterkeit des sich in allen Sätteln zurechtfindenden Rheinländers … »Ich komme zunächst einer geschäftlichen Angelegenheit halber, Herr Graf …«

Vließen bat ihn, Platz zu nehmen. »Ich bin ein schlechter Geschäftsmann, Herr Düren,« entgegnete er. »Handelt es sich um meine Beteiligung an Ihren Unternehmungen, so erscheint es mir zweckmäßiger, Sie haben die Güte, sich an den Kommerzienrat Nathansohn zu wenden, der meine Vollmacht hat. Ueberdies stehe ich auf dem Sprunge, einen kleinen Abstecher nach Ostafrika zu machen.«

»Gerade deshalb komme ich her, Herr Graf. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß mich Ihre Annäherung an den ›Volksboten‹ außerordentlich ehrt. Sie macht mich um so stolzer, als Sie, Herr Graf, ehemals gewichtige, mir jedenfalls durchaus verständliche Gründe hatten, sich meinen Plänen gegenüber abwehrend zu verhalten. Ich gestehe zu, es war eine Riesenaufgabe, die ich mir gestellt hatte, und ihre Resultate erschienen immerhin zweifelhaft. Habe ich sie durchführen können, so danke ich dies auch dem Glücke, das mich begünstigt hat …« Er nahm eine bescheidene Miene an, stellte seinen Cylinderhut neben den Stuhl, auf dem er saß, und fuhr fort: »Ich höre, daß Doktor Huhnholtz für das ›Morgenblatt‹ über seine neue Expedition berichten will. Auf der andern Seite ist mir dagegen zugetragen worden, daß es zwischen den Herren Volcker und ihren Kommanditären zu gewissen Zwistigkeiten gekommen sei, die vielleicht auch die Absicht des Doktor Huhnholtz hinfällig werden lassen. Sei dem, wie es wolle: es würde für uns ein großer Gewinn sein, wenn Sie, Herr Graf, die Güte haben wollten, die Berichterstattung über die Expedition für den ›Volksboten‹ zu übernehmen. Soviel ich weiß, reisen Sie nur als Begleiter des Doktor Huhnholtz, sind von ihm völlig unabhängig und Ihr freier Herr. Sie werden sich zudem überzeugt haben, daß die litterarische Qualifikation des ›Volksboten‹ seit der letzten Umformung erheblich gestiegen ist; Sie würden als Mitarbeiter in gute Gesellschaft kommen. Schließlich: ich bin in der angenehmen Lage, Ihnen für Ihre Beiträge ein Honorar bieten zu können, das zum mindesten Ihre Reisekosten deckt …«

Graf Vließen hatte interessiert zugehört. Das war eine Lockung, der man nachgeben konnte. Es reizte ihn, auch einmal schriftstellerisch vor die Oeffentlichkeit zu treten. Es war eine Abwechslung in der Monotonie des Lebens, gab neue Anregungen. Freilich: der »Volksbote«! Er entsann sich, wie widerwärtig ihm das Blatt ehemals gewesen war. Aber es hatte sich gemausert; es repräsentierte heute eine Macht … Er kam rasch über seine Bedenken hinweg. Man sprach noch ein weniges hin und her: über die Art der Berichterstattung, auch über das Honorar.

» Ebbene,« sagte Vließen, »ich bin einverstanden. Die Sache macht mir Spaß. Zwar – da drüben bei den Volckers wird man schiefe Gesichter ziehen. Man ist so wie so ein wenig verstimmt auf mich …«

Düren räusperte sich. »Apropos Volckers,« nahm er das Wort. »Ich komme noch in einer zweiten Angelegenheit, Herr Graf – einer etwas delikaten. Seien Sie mir nicht böse …« Er streifte langsam seine Handschuhe von den Fingern und fuhr dabei fort: »Ich muß offen sein – auf die Gefahr hin … nein, es hat keine Gefahr. Herr Graf werden mich recht verstehn und … Also, Herr Graf: die Redaktrice meiner ›Frauenwelt‹ ist ein Fräulein Pawel. Ich hätte gern Näheres über das Mädchen gehört. Man hat mir von einem Liebesverhältnis des Fräuleins mit Herrn Hans Volcker gesprochen. Aber man spricht viel. Sie haben mit Herrn Hans Volcker ehemals intimer verkehrt, Herr Graf. Würden Sie mir wohl Aufschluß geben können? …«

Etienne war vorsichtig. Die kleine Blondine fiel ihm ein, der er einmal im Portal des Volckerschen Geschäftshauses begegnet war. Hatte Hans sie nicht »Fräulein Pawel« angeredet? … Er zog die Schultern hoch.

»Verehrter Herr Düren,« entgegnete er, »könnte ich Ihnen auf Ihre Anfrage Antwort geben – ich würde es doch nicht thun. Es gibt unter Gentlemen – sagen wir besser, unter Männern von Ehre eine selbstverständliche Diskretion. Sie ist nicht zu brechen. Indessen kann ich Ihnen versichern, daß ich thatsächlich nichts weiß. Thatsächlich nichts. Ich weiß nicht einmal, ob Hans Volcker derlei kleine Escapaden geliebt hat – und noch liebt. Aber ich will Ihnen etwas sagen: gehen Sie direkt zu ihm und fragen Sie ihn selbst. Ganz offenherzig.«

Düren schaute auf. »Aber nein,« stieß er hervor, »das ist …« Dann brach er ab, glättete seine Handschuh und schaute zu Boden. Er war verwirrt, war wie verwandelt … »Vielleicht haben Sie recht. Der Bruder des Fräuleins arbeitet auf der Redaktion des ›Morgenblatts‹; das gibt mir eine Anknüpfung. Oder aber …« Er verstummte von neuem und erhob sich. »Herr Graf, nochmals Pardon ob meiner Anfrage. Und bitte –«

»Ich weiß, was Sie sagen wollen,« fiel Vließen ein. »Beruhigen Sie sich, Herr Düren. Sie hörten, was ich vorhin von der selbstverständlichen Diskretion sagte …«

Es gab noch einige kurze Abschiedsworte. Düren ging, mit gesenktem Kopf und in eigentümlicher Befangenheit.

Vließen schaute ihm lächelnd nach. Er strich sich den Bart. »Heilige Einfalt,« murmelte er, »und heilige Liebe!« … Er kehrte in sein Zimmer zurück. »Narren und Brünstige – das ist die Welt. Stony limits cannot hold love out: and what love can do, that dares love attempt …« Er steckte sich eine neue Cigarette an und nahm wieder am Schreibtische Platz. Aber er ließ seine Papiere unberührt liegen. Er starrte zum Fenster hinaus, ins Weite. Sein Gesicht nahm allgemach einen veränderten und veredelten Ausdruck an. Es war, als glätte sich das Spinnennetz an den Schläfen und als verschwinde der brutale Zug um den Mund; als streiche eine unsichtbare linde Hand über seine Stirn …

Dann plötzlich zuckte er zusammen, wie unter einer widrigen Berührung oder dem Einfluß eines schreckhaften Gedankens. Er schritt an die elektrische Klingel, wieder ein Lächeln auf den Lippen, aber ein böses.

»Ankleiden!« befahl er dem eintretenden Diener. »Und dann das Coupé!« –

Er fuhr nach der Rauchstraße. Er wollte sich von Gerda verabschieden. Was war da weiter? Es war nur natürlich. Die einfachste Pflicht der Höflichkeit erforderte das. Er wollte auch Gerda noch einmal sehen. Wer wußte es: vielleicht zum letztenmal. Afrika ist nicht Monte Carlo …

Aber Gerda empfing nicht. Sie sei nicht ganz wohl, meldete die Zofe.

Etienne war hartnäckig. »Gehen Sie noch einmal zu der gnädigen Frau, liebes Kind,« sagte er, »und fragen Sie, ob ich sie nicht wenigstens auf eine kurze Minute sprechen kann. Ich will nur lebewohl sagen; ich stehe im Begriff, nach Afrika abzudampfen …«

Das wirkte: Etienne wurde eingelassen. Gerda kam ihm mit geröteten Augen entgegen.

»Vergebung, Etienne. Eine tückische Migräne –«

Er küßte ihr die Hand. »Ich kenne das, Gerda. Meine Frau hat mich in alle Stadien der Migräne eingeführt. Ich bleibe auch nicht lange; aber ich hatte doch das Bedürfnis, dir adieu zu sagen.«

»Also geht es wirklich fort? Und länger als sonst?«

»Auf ein Jahr. Mindestens. Hier bin ich ein Nichtsnutz. Drüben kann ich vielleicht noch etwas leisten. Was man so leisten nennt. Wenn auch nicht entdecken, so doch zugreifen …«

Sie saßen sich gegenüber. Es war hell und sonnig im Zimmer. Die geröteten Augen der jungen Frau fielen Vließen auf, auch ein weißliches Licht auf ihren Wangen. ›Sie hat geweint,‹ sagte er sich, ›hat sich das Gesicht gewaschen und gepudert. Aber ungeschickt …«

»Und deine Frau?« fragte Gerda. »Wie denkt sie über das lange Alleinsein?«

»Das ist schwer zu beantworten. Sie wird inzwischen ihre Migräne pflegen.«

»Pfui, Etienne, das klingt grausam.«

»Gerda, wen das Leben gehörig schüttelt, der wird leicht hart und erbarmungslos. In Afrika sind solche Eigenschaften sehr schätzenswert. Im übrigen: dir habe ich nichts zu verhehlen. Du kennst die Wonnen meiner Ehe – oder ahnst sie wenigstens.«

»Hast du sie dir nicht selber bereitet?«

»Gewiß … Ah, Gerda – nicht ein so finsteres Gesicht! Nicht die Richterin spielen wollen … Im Grunde genommen: was haben wir uns vorzuwerfen? Denn dein Auge sagt mir Vorwürfe. Dein Auge schmäht mich. Ich wollte vernünftig sein. Da entsagte ich meiner Liebe. Und über Jahr und Tag hattest du Trost gefunden. Meine Entsagung – sie ist dir nicht schwer gefallen … Und meine Reue – was schiert sie dich?! …«

Sie war erschreckt aufgefahren. Aber der Schrecken wich schnell. Sie hatte immer eine Aussprache gefürchtet. Es war ganz gut, daß es jetzt dazu kam, unmittelbar vor seiner Abreise. Ehe er wiederkehrte, verfloß eine lange Zeit … Sie blieb ruhig sitzen und gab seinen Blick zurück.

»Ob es recht von dir ist, die Vergangenheit aufzuwühlen – ich weiß es nicht,« sagte sie. »Wir sind beide gebunden – zwecklos ist es also jedenfalls. Oder vielleicht doch nicht ganz, vielleicht regt sich irgend eine unbestimmte, vage Hoffnung in dir. Sie wäre Wahnsinn, Etienne … Du sprichst von Vorwürfen. Das ist ein Irrtum. Als du – damals ohne Adieu, ohne Sang und Klang verschwandest und lange, lange nichts von dir hören ließest, bis wir zufällig in der Zeitung die Nachricht von deiner Verheiratung fanden – da gingen mir die Augen auf. Es war gut so. Ich hatte dich bisher falsch beurteilt; nun lernte ich dich erst recht kennen. Jetzt erst sah ich dich so, wie du bist. Ich hatte in einer Täuschung gelebt; aber ich selbst trug die Schuld. An Vorwürfe habe ich nie gedacht – weder damals noch heute. Heute – ach, Etienne, welch Unsinn! Wie käm' ich dazu? Und sagst du mit spöttischer Miene, ich hätte über Jahr und Tag schon wieder Trost gefunden für deine plötzliche Flucht, so frage ich dich: bedurfte ich eines Trostes? Nein – nur deine Eitelkeit kann dir diesen Gedanken eingegeben haben. Ich sah einen Irrtum ein und war sehr froh über die mir gewordene Belehrung. Und dann kam Hans und warb um mich – und ich wurde sein Weib, weil ich ihn liebte. Da war kein Irrtum möglich …«

Sie hatte das alles in ruhigem Tone gesprochen, aber doch abweisend, zuweilen mit einem ganz leisen Beiklang von Verächtlichkeit. Vließen hatte das nicht anders erwartet. So mußte es sein. Sie mußte sich wehren gegen die starke Macht der Erinnerung, und da war es verständlich, daß sie gleichgültig that und kühl bis ans Herz hinan und selbst verächtlich.

Aber ihn täuschte sie dennoch nicht. »Kein Irrtum möglich,« wiederholte er. »Täusch dir nichts vor, Gerda. Nein, das thust du nicht. Aber mir sagst du eine fromme Lüge. Du nahmst deinen Hans aus – Trotz. Du warst genau so thöricht wie ich. Wir haben beide gefehlt – und nun leiden wir. Wir hätten ein Paradies finden können und seufzen unter der Qual einer trostlosen Alltäglichkeit –«

Gerda schnellte empor. Die Sprache Etiennes empörte sie. Ihre müden, verweinten Augen wurden finster und drohend.

»Was soll das alles, Etienne!?« rief sie zürnend. »Ich bin glücklich, hörst du? Glücklich – und will es bleiben! Bin tausendmal glücklicher, als ich es je –«

»Halt!« fiel er ein. Auch er hatte sich erhoben. »Gerda, lüge nicht abermals. Ich weiß es besser. Du brichst zusammen an der Seite eines, der dich nicht versteht. Ich habe es kommen sehen. Du bist meines Bluts, nicht seines. In ein sattes Dasein voll ruhiger Gleichförmigkeit gehören wir beide nicht. Sind beide keine zahmen Hausnaturen, die in der Simpelei der vier Pfähle glücklich werden können. Nein, Gerda, du liebst ihn nicht – du lügst – mich liebst du noch immer!«

Sie stieß einen leisen Schrei aus, der sie den Anschlag der Entreeglocke überhören ließ, und wankte. Etienne schloß sie in seine Arme. Da er sie umschlungen hielt, bäumte die Leidenschaft sich in ihm auf. »Du liebst mich immer noch,« flüsterte er keuchend, »hast mich immer geliebt und wirst zu Grunde gehen an dieser Liebe. Willst du das, Gerda? Langsam sterben, oder noch einmal glücklich werden, noch einmal den Himmel sehen? Nimm dein Kind und laß uns zu dreien fliehen. Ich will dem Kleinen ein besserer Vater sein als jener. Ich bin auf dem Wege nach Afrika. Dabei soll es bleiben. Aber wir wenden uns nach Transvaal, nicht nach unsern Kolonieen. Wir brechen gewaltsam die Brücken ab, die uns an die Vergangenheit fesseln; wir schaffen uns die verlorene Freiheit zurück. Gerda, meine Gerda, die Freiheit! Das heißt Seligkeit und Glück und heißt ein neues Leben. Keine Alltagsruhe – ein Kampf um die Scholle auf entlegener Farm. Aber in wilder Einsamkeit werden wir unser Glück fester zu halten wissen als hier … Sieh mich an – was wehrst du dich noch? Gerda, was thust du?! …«

Er rang mit ihr. Kein Wort war von ihren Lippen gekommen. Anfänglich hatte eine rasche Ohnmachtsanwandlung sie schwach werden lassen. Dann spürte sie seine Umschlingung und spürte seinen Atem und hörte seine verbrecherischen Worte. Ihr Herz wandte sich um. Ein krasser Ekel stieg in ihr auf. Nichts mehr von Liebe war in ihr – nur unerträglicher Widerwille gegen den alternden Löwen, der in der tristen Oede seines Lebens nach einer Fata Morgana haschte … Sie rang mit ihm, wortlos, nur leise keuchend; stieß ihn mit voller Gewalt zurück und dann, in einer tollen und wilden Aufwallung keuschen Zornes, schlug sie ihn in das Gesicht.

Da er taumelte, fassungslos ob der ihm gewordenen Schmach, öffnete sich die Thür und Bertram trat ein. Die Zofe hatte dem Bruder des Hausherrn unangemeldet Eintritt gewährt; nur Dassel, Dittmar und Bertram genossen diesen Vorzug. Infolge seiner Kurzsichtigkeit übersah Bert nicht sofort das Geschehene. Er stutzte an der Thür, machte eine ungeschickte Verbeugung und zwinkerte mit den Augen. Aber schon war Gerda an seiner Seite. »Gottlob, Bert,« rief sie, in ihrer Erregung jede Klugheit vergessend, und umklammerte ihn, »– du kommst im rechten Moment! Sieh den da – den da – und – weise ihn hinaus! …«

Dann brach sie in krampfhaftes Schluchzen aus, sank in die Kniee und verbarg ihr Gesicht in den Kissen des Diwans.

In die Wangen Bertrams stieg langsam eine feine Röte. Das Geäder an seinen Schläfen schwoll an; seine Hände ballten sich. Noch sprach er nicht. Ein pfeifender Laut kam von seinen Lippen. Der Gedanke, daß Vließen es gewagt haben könne, sich an seiner Göttin zu vergehen, jagte ihm das Blut zum Hirn und erfüllte ihn mit unsinniger Wut.

Aber Etienne war rascher als er. Er sah, was kommen mußte. Er reckte sich, ganz fahl im geschändeten Antlitz, in dem nur die Augen brannten.

»Ich gehe freiwillig,« sagte er, »– ja, Gerda, ich gehe – gehe für immer. Aber nehme keine Reue mit: deine Lehre war gut … Mein Herr Volcker, bemühen Sie sich nicht – ich finde allein den Weg …«

Man hörte die Thüren fallen. Bertram fuhr auf, gleichwie als habe ein Peitschenschlag ihn getroffen. Sollte der Schurke straflos flüchten? Vielleicht wartete er auf die Komödie eines Duells …

Eine weiche Hand legte sich auf Bertrams Arm. Gerda hatte sich erhoben; ihr Gesicht war noch thränenüberströmt; aber allgemach kam wieder die Ruhe über sie.

»Laß ihn,« sagte sie; »er ist gestraft genug. Und glaube mir: er kommt nimmer wieder – nein, nie wieder … Bert, frag mich nicht aus. Er versuchte, von seiner Liebe zu sprechen und –«

Sie neigte den Kopf. Sie konnte nicht weiter. Dann nahm er sie sanft am Arm und führte sie an den Diwan. »Setz dich, Gerda,« sagte er, »oder besser noch: streck dich aus. Ich schiebe dir ein Kissen unter den Kopf und decke dich zu. Werde ruhiger. Es ist ja alles vorüber und du sagst selber: er wird nicht wiederkommen. Aber ich komme wieder, obgleich es auch für mich einmal eine Stunde gab, da … Sorge dich nicht, Gerda. Ich habe dich lieb, weil ich dich lieben muß. Aber das ist keine Marter für mich und dich. Meine Liebe ist rein, ist brüderliche Zärtlichkeit, ist mir ein Stück Heiligtum … Nun genug. Willst du zu schlafen versuchen? Soll ich wieder gehen?«

Er hatte sie niedergebettet und saß auf dem Stuhl neben dem Diwan und hielt ihre Hand in der seinen. Gerda hatte für eine kurze Minute die Augen geschlossen, schlug sie nun aber wieder auf und schüttelte den Kopf.

»Nein,« flüsterte sie, »bleib. Du hast eine so kühle Hand … Bert, hat draußen die Zofe gehört –«

»Nichts, Kind. Aengstige dich nicht.«

Die Erinnerung an das Geschehnis von vorhin packte sie wieder mit Macht. Sie schüttelte sich wie im Fieberfrost.

»O, Bert – es war schrecklich,« stöhnte sie. »Er kam, mir adieu zu sagen. Er will nach Afrika. Und ich hatte verweinte Augen – da glaubte er wohl –«

»Sprich nicht mehr davon, Gerda – ich bitte dich.«

»Doch, Bert. Laß mich sprechen – nur frage nicht. Er sah, daß ich geweint hatte und hielt mich für unglücklich. Das gab ihm Mut. Und ich verabscheue ihn so. Sein Leben und seine Ehe – das ist alles so schändlich … Ich hatte wirklich geweint, Bert – ja, ich habe geweint. Und wirklich – ich bin nicht glücklich – nicht so, wie ich es sein könnte. Ach, Bert, du weißt ja, weshalb! Ich liebe Hans, und er liebt mich wieder, aber – – Bert, rate mir – rate mir noch einmal wie damals! Sage mir, daß ich hart sein soll –«

»Sei es, Gerda! …« Er sprach zärtlich und liebevoll zu ihr, ohne Leidenschaftlichkeit. Er war jetzt wirklich nur der Freund und Berater. Hielt auch noch immer ihre zuckende Hand fest und strich zuweilen über ihre heiße Stirn … »Sei es, Gerda! Ich wiederhole es – wiederhole es hundertmal. Hans hat mir von eurem Streit erzählt. Und ich habe ihn gesegnet – es klingt grotesk, aber bei Gott: ich war glücklich darüber. Denn dieser Zwist ist ein Rettungsanker für mich wie für euch, und deshalb stahl ich mich heimlich zu dir. Gerda, Hans muß ein neues Dasein beginnen – hörst du: er muß. Wir stehen vor einer schweren Krise. Aber sie wird überwunden werden, wenn wir uns nach Möglichkeit einschränken. Und dazu bedarf ich deiner Beihilfe. Laß uns Verschwörer sein – wahrhaftig, Verschwörer – und wie ein paar Carbonari einen fürchterlichen Plan entwerfen –«

»Einen fürchterlich guten – einen, der gelingen muß,« ergänzte sie lächelnd. Und Bertram freute sich über dies Lächeln. Er brachte die Kissen unter ihrem Kopfe in Ordnung und deckte sie von neuem sorglich zu. Dann erzählte er von den Vorkommnissen auf dem »Morgenblatt« und von dem Geschäftsgange des Hauses. Um das Leben eines Grandseigneurs führen zu können, wie Hans es beliebte, hätten die Einnahmen sich verdoppeln müssen. Aber die Zeitung war in der That ein gefräßiges Ungeheuer. Man hatte anfänglich auch mancherlei Fehler gemacht und mit zu lockerer Hand gewirtschaftet. Immerhin – man hatte eine feste Grundlage geschaffen, die sehr wohl eine langsam steigende Rentabilität versprach. Doch da hieß es vor allen Dingen, sich unabhängig machen von den Bleigewichten der verschiedenen Komitees – und das erforderte neue Opfer … Gerda nickte. Sie begriff das alles. Sie richtete sich auf in eine halb sitzende Stellung und begann lebhaft zu werden, während in das blasse Gesicht wieder eine sanfte Röte zurückkehrte. Herrgott, das war ja, was sie sich wünschte! Sie wollte ihrem Mann eine getreue Mitarbeiterin sein, Anteil nehmen an seinen Ideen und Plänen und seine Sorgen tragen helfen. Das war es ja. Sparen und vernünftig sein – o, das hatte sie gelernt. An ihr Regiment in Uttenhagen dachte der Vater heute noch mit Sehnsucht zurück … »Sprich weiter, Bert,« bat sie, »erspare mir nichts – ich will klar sehn. Ich – lache, Bert – ich bin ganz glücklich, daß ich euch helfen kann! Und hart will ich werden – wie der eiserne Landgraf. Hart wie Eisen. Zwei große Fehler hat Hans: seine Schwäche und seine Eitelkeit. Ich will sie besiegen. Ja, ich will. Will nicht mehr klagen und weinen – handeln will ich … Bert, ich bin dir so dankbar, du guter, lieber, vernünftiger Mensch …«

Sie drückte sanft und freundschaftlich seine Hand. Dann setzte sie sich völlig aufrecht auf das Sofa und hörte von neuem aufmerksam zu, wie er seinen Verschwörerplan entwickelte. Ein Stück Komödie und ein großes Stück Wahrheit. Ist nicht das ganze Leben eine große Komödie, und mischt sich nicht überall in das gesellschaftliche Dasein ein theatralisches Spiel? – Sie nickte, während er weitersprach: sie war mit allem einverstanden. Ja, ja – es mußte Ernst gemacht werden. Es handelte sich nicht allein um das Wohl und Wehe der alten Firma, sondern auch um das Glück ihrer Häuslichkeit …

»Also abgemacht,« sagte Bertram und erhob sich.

»Abgemacht, Bert. Du kannst sicher sein, daß ich diesmal nicht nachgebe … Willst du schon fort? Nicht eine Tasse Thee mit mir trinken?«

»Meine Zeit drängt, Gerda. Hans wartet auf mich. Er glaubt, ich habe eine Konferenz mit irgend einem Papierlieferanten. Addio, Schwägerin. Ich halte dich beim Wort. Es hängt viel, wenn nicht alles von dir ab.«

»Ich werde klug sein …« Sie nahm noch einmal seine Hand … »Bert, du bist so verständig und weißt so gut Rat zu spenden,« sagte sie weich und bittend; »kannst du nicht auch deiner Frau gegenüber einmal –«

Er fiel ihr ins Wort; seine Stirn war wieder finster geworden. »Nein, Gerda; laß das. Es ist zwischen uns anders als bei euch. Wo die Gegensätze sich so gewaltig schroff berühren, da ist keine Verständigung möglich. Und was noch schlimmer: auch eine Trennung ist ausgeschlossen. Die kaufmännische Praxis wird hier zu grausamem Witz: Dorothees Vermögen steckt mit im Geschäft – und grade in dieser Zeit würde es Schwierigkeiten machen, es herauszuziehen … Ich kann nur duldsam sein. Und es geht ja auch …«

Er küßte noch einmal ihre Hand.

Sinnend blieb Gerda noch kurze Zeit im Zimmer; sie dachte nach, die Brauen zusammengezogen, mit ernstem Gesicht, die Unterlippe zwischen den Zähnen. Dann sprang sie mit raschem Entschlusse auf und klingelte der Zofe.

»Die Koffer vom Boden,« befahl sie. »Wir wollen zusammen packen. Es ist möglich, daß ich auf einige Zeit mit dem Kleinen nach Uttenhagen reise …«

Als Hans zwei Stunden später in schlechtester Laune heimkehrte, fand er Gerda zwischen Koffern und Reisekörben knieend und Berge von Wäsche und Toiletten ordnend. Er war erstaunt, und eine böse Ahnung beschlich ihn.

»Was soll das, Gerda?« fragte er.

»Ich will nach Uttenhagen, Hans.«

»So –? Habe die Güte und komm in mein Zimmer. Die Abreise eilt ja wohl nicht.«

»Nicht vor morgen. Ich komme …«

In seinem Zimmer warf Hans zunächst wütend ein Buch auf die Erde. »Willst du die Scene von heute früh fortsetzen?!« schrie er. »Willst du mich vor den Domestiken blamieren?!«

»Höchstens könntest du mich vor den Leuten bloßstellen, Hans,« erwiderte sie ruhig. »Dein thörichtes Schreien ist überdies zwecklos. Es wird mich in meinen Entschlüssen nicht behindern – eher bestärken. Was willst du? Was bin ich dir noch? Ich bin deine Frau – nicht deine Geliebte, zu der man nach Gefallen zurückkehrt. Dein Leben spielt sich fast lediglich außerhalb unsrer Häuslichkeit ab. Die Behaglichkeit des Daseins zu Zweien habe ich nur in den ersten Monaten unsrer Ehe kennen gelernt. Dann kam die Ruhelosigkeit über dich.«

»Du übertreibst. Das Geschäft nimmt mich in Anspruch. Ich kann meine Sorgen nicht in die Häuslichkeit tragen.«

»Ich wollte, du thätest es. Bin ich dir so wenig wert, daß du mich nicht einmal an deinen Sorgen teilnehmen läßt? – Sieh einmal, Hans – an meinem Geburtstage überraschtest du mich mit einem kostbaren Geschenk. Eine tausendmal größere Freude aber wäre es mir gewesen, du hättest mich in einen Winkel gezogen, mir dein Herz ausgeschüttet, mir geklagt, was du auf der Seele hast – hättest mich zu deinem Mitwisser gemacht. Ich weiß ja, daß du mich lieb hast. Ich will aber auch deine Vertraute sein. Spotte nur wieder mit der ›Kameradin‹. Es ist dennoch so. Das Empfinden ist nicht von Modeströmungen abhängig, und die Wahrheit tötet kein Spott. Du mußt doch auch mein Selbst in Rücksicht ziehen, mein bißchen Individualität. Ich bin nicht zufrieden damit, dir nur ›das Heim zu schmücken‹. Tausend Frauen mag das gefallen – mir nicht …«

Er hatte sich in einen Sessel geworfen und drehte an seinem Siegelring. Er versuchte ironisch zu lächeln; aber es ging nicht so recht. So zuckte er denn nur ein wenig mit der rechten Schulter.

»Eine Gardinenpredigt,« sagte er; »Fortsetzung folgt. Sprich nur weiter. Ich höre.«

»Hoffentlich. Aber keine Gardinenpredigt, lieber Hans. Ein sehr ernstes Wort. Ich denke mir, ein ernsteres als du ahnst. Du redest so viel von deiner ›Häuslichkeit‹. Was gilt sie dir? Es ist nicht wahr, daß dein Geschäft dich allein in Anspruch nimmt. Deine Interessen sind tausendfältig – und es sind nicht einmal ehrliche Interessen. Du läßt dich hierhin und dorthin ziehen. Da redeten Inningen und Hasso Hunding mit ihrer sauve-garde in dich hinein – und du entdecktest in deiner Seele plötzlich eine unbesiegbare Neigung zum Sport. Du mußtest Mitglied von diesem und jenem Klub werden, weil du da die wahre Ritterlichkeit, die wahrhaftigste und edelste, zu finden glaubtest – und ach, wieviel Vereine hast du nicht mit deinem Vorsitz beglückt! – Hans, ich bin keine Thörin. Ich weiß, was dem Manne geziemt. Er gehört in die Welt und nicht hinter den Ofen. Aber das Heim ist seine feste Burg; die darf nicht verfallen. Ich liebe die Geselligkeit wie du, und die Gastfreundschaft steht mir hoch. Doch was nennst du gastlich! Du schleppst mir wildfremde Leute in Scharen ins Haus und bist glücklich, wenn sich unter dem Dutzend Grafen an deiner Tafel auch ein zweifelloser Prinz findet … Fahre nicht auf – ich komme zu Ende; ich spreche aus, und wenn du mir auch noch so grimmige Blicke zuwirfst! Ich spreche aus, was ich denke – und gerade, weil der Zufall meiner Geburt mich einem alten Adelsgeschlechte entstammen ließ, das, o Stolz, einstmals die Kaiser küren half – gerade deshalb belächle ich deine Eitelkeit. Sie ist kleinlich und ist geschmacklos. Vor allem: sie ist deiner unwürdig!«

Zitternd erhob sich Hans. »Soll es noch fortgehen, Gerda – in gleichem Tone?« fragte er. »Oder – oder bist du fertig mit deiner Blütenlese?«

Sie stand unbeweglich vor ihm.

»Willst du – so bin ich fertig. Aber noch nicht ganz. Ich fahre nach Uttenhagen und nehme den Kleinen mit. Doch ich komme wieder, Hans, wenn du mich rufst. Nur ruf mich nicht eher, eh' du nicht anders geworden bist. Es ist kein Geheimnis für mich, daß wir weit über unsre Verhältnisse gelebt haben. Ich teile trockenes Brot mit dir und werde dich nicht weniger lieben. Ruf mich – aber erst breche mit der Vergangenheit. Keinen Rennstall mehr, keine Klubfreuden, keine freie Tafel für hundert Gleichgültige! Ruf mich, wenn du nicht nur mich, sondern wenn auch ich dich wiederhaben kann wie in den ersten Monaten unsrer Ehe! … Nun laß mich zur Reise rüsten …«

»Noch nicht!« rief Hans. »Du wirst nicht reisen, weder allein noch mit dem Kinde! Wollen sehen, ob ich in meinem Hause nicht Herr bin!«

»Nicht Herr über mich. Hindre mich – wenn du es wagst. Ich habe meinen Besuch in Uttenhagen bereits telegraphisch angemeldet. Papa ist drüben und erwartet mich. Aber – ängstige dich nicht. Ich werde den alten Herrn nicht aufregen. Was wir miteinander auszukämpfen haben, geht uns allein an … Du bist Herr im Hause, lieber Hans; aber doch nicht Tyrann genug, um mir zu verbieten, meinem Vater einen Besuch abzustatten. Ich nehme übrigens niemand von den Domestiken mit; deine Häuslichkeit bleibt dir also wie bisher …«

Sie ging, den Kopf erhoben, ruhig und stolz. Es kochte in Hans. Er geriet leicht einmal in heftige Aufwallung – und seine Eitelkeitsliebe war bitter getroffen. Erst Bertram, nun Gerda. Aber Bertram war immerhin noch schonend gewesen; sein eignes Weib schonte ihn nicht … Wütend stampfte er mit dem Fuße auf. War er denn ein Knabe – ein kindischer Tropf? Und sollte er sich gefallen lassen, wie ein Schulbube gemaßregelt zu werden!? –

Er rief nach dem Diener.

»Hut und Paletot! Und melden Sie der gnädigen Frau, ich käme zum Essen nicht zurück. Ich hätte mit Herrn von Eckstädt eine Verabredung wegen Ankauf eines neuen Reitpferdes und ginge dann in den Klub …«

»So,« sagte er sich, als er die Treppe hinabstieg und seine Handschuhe anzog, »nun wollen wir doch wirklich mal sehen, ob ich mich am Gängelbande leiten zu lassen brauche. Himmeldonnerwetter – ich, der Hans Volcker! …«

Aber bei allem seinem kindlichen Trotze kam er doch nicht über das Herzweh hinweg, das leise einsetzte und stärker und stärker wurde. Der große Täufer Schmerz blieb an seiner Seite. Gerda hatte ihn gerufen: er sollte kommen.


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