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13. Muff, die treue Hundemutter

Auf einer Vortragsreise erhielt ich Muff, eine Hündin, zugleich mit zwei andern schönen Bernhardinern, von einer befreundeten Dame. Um die Hunde möglichst bald gebrauchen zu können, nahm ich Muff und Rover gleich auf meine Station mit, während meine Frau, die mir etwas später folgte, die anderen nachbrachte.

Auf der Eisenbahn hatte ich ein kleines Abenteuer mit den Hunden. Ich hatte sie unter Aufsicht eines Wagenwärters im Gepäckwagen gelassen und hatte dem Mann auch einen gut gefüllten Korb mit Fleisch für sie gegeben. Der Vorsicht wegen hatte er ihre Ketten an zwei großen Koffern befestigt. Stundenlang fuhren wir dahin und es schien, als wären die Wagenwärter und die Hunde ganz gute Freunde geworden. Da stürzte plötzlich der Schaffner in meinen Wagen und schrie: »Wo ist der Herr, dem die beiden großen Hunde im Gepäckwagen gehören?« Ich fragte sehr erstaunt, was denn mit meinen Hunden los sei. Ohne ein Wort der Erklärung sagte der Schaffner: »Kommen Sie nur schnell mit mir.«

Es war, wie alle amerikanischen Züge, ein Durchgangszug, so daß ich gleich hinter dem Schaffner dreingehen konnte. Als wir in den Gepäckwagen sahen, war keine weitere Erklärung nötig. Denn da standen die großen Hunde und verteidigten die Koffer, an die sie angekettet waren, mit solcher Tapferkeit, daß der große, starke Wagenwärter sich in respektvoller Entfernung hielt. Die Koffer sollten nämlich auf der nächsten Station ausgeladen werden, und der Gepäckmann hatte versucht, die Tiere an eine andere Stelle im Wagen zu bringen und die Koffer zu nehmen. Das erlaubten aber die Hunde nicht, und weder Bitten noch Drohungen halfen. Sie verteidigten die Koffer erfolgreich, und man konnte sie erst bekommen, nachdem ich die Tiere beruhigt hatte.

In Winnipeg erwarteten mich meine Gespanne und Treiber. Sobald wir uns mit Lebensmitteln versehen und Geschirre für Muff und Rover gemacht hatten, traten wir die Weiterreise an. Die jungen Hunde gewöhnten sich schnell an die Arbeit und hielten sich gut.

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Im März kamen wir nach Hause und hatten nur noch einige Wochen Zeit, um die Hunde für eine sehr wichtige Arbeit zu gebrauchen. Sie bestand darin, Bauholz von einer fernen Insel im See an das Festland zu fahren, wo wir unsere Niederlassung gründeten.

Muff erwies sich als ein sehr zuverlässiges Tier. Sie war nicht nur kräftig und ausdauernd im Geschirr, sondern die Charakterzüge, die sie im Eisenbahnwagen gezeigt hatte, waren so stark bei ihr entwickelt, daß, wenn ich etwas vor diebischen Hunden oder anderen Eindringlingen schützen wollte, ich gewöhnlich Muff zur Hüterin erwählte. Und sie tat ihre Pflicht treu und gut. Wenn man ihr die Geräte und Nahrungsmittel, die am Lagerfeuer lagen, während die Männer mit Holzhauen beschäftigt waren, anvertraut hatte, so ließ sie keinen fremden Menschen oder Hund nahekommen.

Bei diesem Geschäft des Holzhauens und Holzholens, das ich mit meinen Indianern betrieb, ging's noch recht ursprünglich zu. Jedes Scheit, das wir gehauen hatten, mußte von den Hunden 20 Kilometer weit geschleppt werden. Sechs Hunde nahmen einen grünen Balsamfichtenblock, einen Viertelmeter im Geviert und zehn Meter lang und schleppten ihn im Trab an die Stelle, wo ich Kirche und Pfarrhaus bauen wollte.

Muff war besonders willig zur Arbeit. Sie war so eifrig, daß sie später dadurch zu Schaden kam. Sie wurde die Mutter von ein paar hübschen Hündchen, und ihr mütterlicher Trieb war so stark, daß sie ihre Kinder, auch als sie ganz große Hunde waren, noch ebenso sehr liebte, wie als sie klein waren. Sie war unglücklich, wenn sie von ihnen getrennt war und grämte sich, bis sie sie wieder um sich hatte. Deswegen war's ihr nie recht, wenn man sie anspannte und mit andern Hunden auf die Reise schickte. Sie zerrte verzweifelt an ihrem Halsband und wollte möglichst schnell wieder heimkommen.

Die letzte lange Reise, auf der ich sie mitnahm und auf der sie sich fast für Lebenszeit zum Krüppel machte, unternahm ich in Begleitung eines Freundes, und sie ging zu der Niederlassung am Roten Fluß. Es waren noch andere Missionare dabei, die aber lieber im Schlitten fuhren, als auf Schneeschuhen liefen und deshalb viel langsamer vorwärts kamen. Wir beeilten uns möglichst, erreichten vor ihnen bewohnte Gegenden, und entgingen dadurch einem schrecklichen Sturm, unter dem sie, ihre Führer und Hunde sehr litten.

Bei gastfreien Freunden ruhten wir zwei Tage, besorgten unsere Geschäfte und machten uns auf die Weiterfahrt. Unsere treuen Indianer hatten die Schlitten gepackt und die ungeduldigen Hunde angespannt.

Es war bitter kalt. Der Winterwind brauste und heulte und die Sterne schauten wie mitleidig auf uns herab. Es schien wirklich hart, daß wir das trauliche, warme Heim verlassen und an jenem kalten Montagmorgen die mehrere hundert Kilometer lange Reise durch die öde Schneewüste antreten mußten. Mein Heim war allerdings damals nur 300 Kilometer entfernt, aber mein Freund mußte 1000 Kilometer im Hundeschlitten reisen, ehe er sein Heim am Burntwoodfluß erreichte.

Muff war diesmal mein Schlittenhund und sie hielt sich vortrefflich. Obgleich ihre Kinder längst entwöhnt und groß waren, konnte sie's doch fast nicht erwarten, bis sie zu ihnen kam, und ließ sich zuletzt kaum mehr zurückhalten. Unsere Ladungen waren schwer – durchschnittlich 1000 Pfund auf den Schlitten – denn wir hatten natürlich die Gelegenheit benützt, um Einkäufe zu machen und unsere nie sehr reichlichen Vorräte zu ergänzen.

Die geübten Indianer laufen bei solchen Reisen die ganze Zeit auf ihren Schneeschuhen, auch wenn die Schlitten nicht voll sind. Wenn diese nicht zu schwer beladen waren, konnten wir Missionare fahren, solange man auf dem Eis war; in den Wäldern, wo der Schnee tief lag, mußten wir alle im Gänsemarsch vor den Schlitten hergehen und so einen Pfad für die treuen Hunde mit ihren schweren Lasten machen. Dies war sehr anstrengend, weshalb man oft Halt machen mußte. Die Indianer sind alle Raucher, darum wurde bei einem solchen Halt auch immer eine Pfeife geraucht. Einige Händler von der Hudson-Bai-Kompanie sagten von einem Reisetag, er sei so und so viele Pfeifen lang gewesen, d. h. sie hätten so und so oft mit ihren Indianern gehalten, um auszuruhen und zu rauchen.

Muff konnte dieses häufige Halten nicht leiden. Manchmal weigerte sie sich einfach, sich hinzulegen oder sich auf die Hinterbeine zu setzen, wie es die Hunde gewöhnlich tun, wenn man Halt ruft.

Sobald man sich wieder auf den Weg machte, war sie ganz toll vor Freude. Sie fing an zu springen, ehe noch die ruhigeren und weniger aufgeregten Hunde sich zu bewegen anfingen.

Leider machte es das arme Tier gar zu arg. Als wir uns an einem sehr kalten Morgen auf den Weg machen wollten, steckte Muffs Schlitten tief im Schnee. Ehe noch die andern Hunde anzogen, stürzte sie mit solcher Gewalt vorwärts, daß sie das Schlüsselbein brach. Mit einem kläglichen, fast menschlich klingenden Schrei sank sie in den Schnee. Wir untersuchten sie und fanden, daß das Schlüsselbein ganz durchgebrochen war und die zackigen Enden sich ins Fleisch drückten, so daß sie dem armen Tier heftige Schmerzen machen mußten.

Möglichst sachte spannten wir Muff aus. Dann legten wir sie auf ein Tuch und richteten den Knochen ein. Es muß ihr sehr weh getan haben, aber sie war ganz geduldig. Sie schien zu merken, daß wir nur ihr Bestes wollten, und so ließ sie sich die Hilfe ohne Knurren und ohne Widerstand gefallen.

Was war aber nun zu tun? Einspannen konnten wir Muff unter keinen Umständen. Die Indianer kennen in einem solchen Fall nur ein Mittel: sie töten den verunglückten Hund. Manchmal machten sich Händler der Hudson-Bai-Kompanie mit sechzehn Hunden auf den Weg und kamen nur mit zwölfen zurück. Die andern waren verunglückt und ein Indianer hatte sie mit einem kräftigen Axthieb getötet. Da den Indianern gar keine andere Möglichkeit in den Sinn kam, holte einer schon eine Axt vom Schlitten und erwartete nur meinen Befehl.

»Leg deine Axt weg,« schrie ich. »So machet ihr's, aber ich nicht. Ich lasse Muff nicht töten, wenn mir's möglich ist, sie zu retten.« Staunend gehorchten die Indianer meinen Befehlen. Wir legten Muff sanft in meinen Schlitten in möglichst bequemer Lage und deckten sie gut zu. Da ich dem Hund meinen Platz im Schlitten eingeräumt hatte, mußte ich noch viele Stunden zu Fuß auf Schneeschuhen laufen, was recht ermüdend war. Doch kamen wir glücklich nach Hause.

Leidend wie sie war, blieb Muff doch eine aufmerksame Wächterin, wie sich in der letzten Nacht unserer Reise zeigte.

Wir waren noch etwa 30 Kilometer von der Heimat entfernt; die Nacht brach herein, die Sterne und Nordlichter fingen an zu scheinen. Wir waren eben an einem bequemen Lagerplatz angekommen, wo wir den Schnee wegscharrten, ein Feuer machten und uns Tee kochten. Ich und meine Indianer wollten gerne vollends nach Hause reisen, aber mein Freund war vollständig erschöpft. Da sein Schlitten mit Vorräten für sein fernes Heim gefüllt war, hatte er wacker mit den Indianern Schritt gehalten und war während der ganzen Reise nur wenig gefahren. Nun waren seine Füße geschwollen und mit Blasen bedeckt und der ganze Körper ermattet. Als er merkte, daß wir lieber noch weitergehen, als die ganze Mühe und Arbeit, ein Winterlager herzurichten, auf uns nehmen wollten, sagte er: »Holt mir nur eine Decke und etwas Büffelfleisch heraus, und laßt mich hier. Ich kann nicht weiter. Auf euch warten eure Frauen und Kinder, aber ich habe keine.«

»Nein, mein Freund,« sagte ich, »wir wollen allerdings weitergehen, aber wir lassen dich nicht zurück; ich habe einen besseren Plan.« – »Nun, so tu was du willst,« sagte er, »aber gehen kann ich nicht mehr,« und mit diesen Worten warf er sich ganz erschöpft aufs Eis.

Ich führte nun schnell meinen Plan aus. Ich ging zuerst mit meinen Indianern in den Wald und suchte da, bis wir eine von dem Wind recht fest aufgehäufte Schneewehe fanden. In diese gruben wir mit unsern Schneeschuhen ein Loch. Dann holte ich meinen Schlitten mit den drei Hunden und lud ihn ab. Zuerst legten wir einige Decken in das Loch und dann wurde Muff vorsichtig darauf gebettet. In das oberste Büffelfell hüllten wir sie so ein, daß nur der Kopf heraussah. Dann türmten wir um sie alle die schweren Stücke der Ladung, als deren Hüterin Muff nun zurückblieb. Da in jener Gegend oft Wölfe hausten, trabten wir recht oft in dem Schnee um die Stelle her. Die Wölfe werden nämlich gleich argwöhnisch, wenn sie menschliche Fußspuren finden, die nicht wenigstens 24 Stunden alt sind, und ich wußte, daß wir vor Ablauf dieser Zeit Muff befreit haben würden.

Nachdem sie so versorgt war, kam ich mit meinem Schlitten zu meinem Freunde. Wir legten ihn hinein und deckten ihn gut zu, und er fiel alsbald in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Dann machten wir uns wieder auf den Weg. Wir kamen nicht schnell vorwärts, denn wir hatten an dem Tag schon 100 Kilometer gemacht. Aber die längste Reise hat schließlich ein Ende. Mitten in der Nacht kamen wir zu Hause an und weckten unsere Lieben, die uns jetzt nicht erwartet hatten, aus dem Schlaf. Mein Freund wurde aufgeweckt. Man behandelte seine Wunden mit lindernder Salbe und besorgte ihm ein warmes Bad. Nachdem er sich dann die warme Mahlzeit hatte schmecken lassen, ging er ins Bett und schlief zwölf Stunden ohne Unterbrechung. Als er wieder zum Vorschein kam, war er körperlich und geistig erfrischt und so munter wie sonst.

Muff hatten wir aber über der Sorge um ihn nicht vergessen. Sobald wir daheim und versorgt waren, schickte ich Kennedy, meinen treuen Diener und Hausknecht, mit einem frischen Gespann von kräftigen Hunden, damit er Muff und die von ihr bewachten Vorräte abhole. Er machte sich morgens um vier auf den Weg und kam um Tagesanbruch an Ort und Stelle. Zuerst litt Muff nicht, daß er sie oder die Vorräte berührte. Er war ein gutherziger Mann und ich hatte ihm von Muffs Unfall gesagt. So machte er keinen Angriff auf sie, sondern heckte mit seinem indianischen Scharfsinn einen Plan aus. Er spannte zwei zuverlässige Hunde aus und ließ sie zu Muff hinlaufen, die die Vorräte so eifersüchtig bewachte. Die Hunde liebten Muff und als sie, ihr Knurren nicht beachtend, auf sie zueilten, merkte sie bald, daß die Tiere und Kennedy es gut mit ihr meinten, und gab ihren Widerstand auf.

Gegen Mittag war sie glücklich in einem behaglichen Eckchen in der Küche untergebracht. Das Schlüsselbein heilte ziemlich gut. Natürlich konnte ich Muff nicht mehr auf weite Reisen mitnehmen, aber sie half noch recht gut bei leichten Fahrten in der Nähe, und ihre vielen Jungen wuchsen zu stattlichen, kräftigen Hunden heran. So war ich recht froh, daß ich jenesmal nicht den Indianern gefolgt hatte, die sie töten wollten.


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