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Kimo war ein schöner Neufundländer, den mir ein Freund in Ottawa geschenkt hatte.
Ich lernte ihn auf eigentümliche und etwas aufregende Weise kennen. In Ottawa hatte man ihn in eine große Kiste gepackt und mit dem Schnellzug nach Hamilton in Ontario geschickt, wo ich mich damals aufhielt, um meine Vorbereitungen für meine Rückkehr an den Roten Fluß zu treffen. Auf jener Strecke gab es damals dreimaligen Wagenwechsel mit langem Aufenthalt, und so kam es, daß der Hund drei Tage unterwegs war. Niemand hatte in der Zeit nach ihm gesehen und ihn gefüttert oder getränkt.
So war er schließlich ganz wütend geworden und in Hamilton gebärdete er sich so toll, daß man vier Männer nötig hatte, um ihn in die Wohnung zu bringen. Sie hatten mit größter Vorsicht die Kiste auf einen Wagen geladen und sie dann ebenso vorsichtig im Hof abgesetzt, denn sie fürchteten, der wütende Hund könnte schließlich die Kiste zerbrechen. Ich sah gleich, daß die Sache nicht gefährlich war, denn der Hund war in der Kiste gut angebunden. Die Männer waren sehr erstaunt, als ich ihnen sagte, der Hund gehöre mir. »Warum in aller Welt,« sagte einer zu mir, »haben Sie dann nicht mit ihm gesprochen und ihn beruhigt?«
»Weil ich den Hund noch nie gesehen habe,« antwortete ich. »Ich habe ihn von einem Freund bekommen und er ist durch Hunger, Durst und das lange Eingesperrtsein ganz wild geworden.«
»Und was wollen Sie mit ihm tun?«
»Zuallererst muß ich ihn aus der Kiste herauslassen.«
»Wollen Sie das allein tun?«
»Gewiß.«
»Dann warten Sie nur, bis wir aus dem Hof draußen sind.«
»Meinetwegen, aber macht schnell, denn der arme Hund war jetzt lange genug eingesperrt.«
So eilten die vier Männer aus dem Hof, schlossen das hohe Tor und guckten über die Mauer, um, wie einer sagte, zu sehen, wie mich der Hund fressen würde.
Ich kannte die Art der Hunde gut genug, um zu wissen, wie ich die Sache angreifen mußte. Zuerst ließ ich mir von der Köchin einen tüchtigen Teller voll Fleisch, vom Gärtner ein Beil und vom Stalljungen einen Eimer Wasser geben. Dann stellte ich Fleisch und Wasser so, daß ich beides nah bei der Hand hatte und ging auf die Kiste zu. Ich rief den Hund bei seinem Namen, der mir mitgeteilt worden war, und redete freundlich mit ihm, während ich zugleich kräftige Hiebe auf die Kiste führte. Anfangs wurde er dabei womöglich noch wilder. So oft ich auf die Kiste losschlug, sprang er gerade an der Stelle, wo der Schlag fiel, in die Höhe, so daß ich zuletzt fürchtete, ich könnte ihn verletzen, und etwas vorsichtiger an der Kiste herumhackte. Dabei sprach ich dem Hund immer Trost zu und verhieß ihm reichlich Futter und Wasser. Als eine Öffnung in der Kiste entstand und Kimo endlich wieder das Tageslicht sah und auf Befreiung hoffte, wurde er allmählich ruhiger.
Ich fuhr fort, mit ihm zu reden, bis ich so viel Holz weggehauen hatte, daß ich den Hund durch die Öffnung herausziehen konnte. Ich legte das Beil weg, stellte den Eimer dicht neben mich, fuhr mit der Hand in die Kiste, packte den Hund beim Halsband und half ihm heraus.
»Armer Kerl,« sagte ich, »es ist arg, wie man dir's gemacht hat; sieh, da ist Wasser für dich.« Und ehe er recht wußte, wo er war, hatte er den Kopf im Wasser. Ich sah da zum erstenmal in meinem Leben einen Hund wie ein Pferd trinken.
Ei, wie es ihm schmeckte! Er konnte fast nicht aufhören. Als er genug hatte, nahm ich den Teller mit Fleisch und fütterte ihn mit meiner Hand. Es war gut, daß ich viel hatte, denn der Hund war groß und sehr hungrig. Als er ganz satt war, schaute er sich um und versuchte, sich die Lage klar zu machen. Wahrscheinlich verstand er zunächst nur so viel, daß er in einem schrecklichen Gefängnis Durst und Hunger gelitten und daß ich ihn befreit hatte. Er ging im Hof umher und beschnüffelte sein Gefängnis; dann kam er zu mir. Sein wedelnder Schwanz und die großen, klugen Augen, in deren Ausdruck jetzt so viel Dankbarkeit lag, sagten alles, was nötig war. Von dieser Stunde an bis zu seinem Tode waren wir die besten Freunde.
Am Abend machten wir miteinander einen langen Spaziergang durch die Straßen. Kimo blieb mir immer dicht auf den Fersen und schaute nach niemand, als nach seinem neuen Herrn, der ihn befreit hatte.
Er war immer ein starker, treuer Hund und stets am glücklichsten, wenn er mich sehen konnte. Seine Abrichtung zum Ziehen ging ganz leicht. Ich brauchte ihn nur mit drei anderen Hunden anzuspannen und selbst mit einem Zug voranzugehen. Dann hörte er vor sich die Stimme seines geliebten Herrn und es war ihm die größte Freude, ihr nachzueilen. Wenn ich nicht ein besonders schnelles Gespann hatte oder die Hunde, mit denen Kimo angespannt war, ungewöhnlich langsam gingen, blieb er gewiß nicht zurück.
Kimo hatte, wie alle meine zahmen Hunde, nicht die harten, festen Füße der Eskimohunde. Ich mußte deshalb bei ihm wie bei den andern diesem Mangel abhelfen so gut es ging. Wir versuchten verschiedenes, fanden es aber schließlich als das Beste, auf jede Reise einen guten Vorrat von warmen Hundeschuhen mitzunehmen. Sie waren aus einem starken Wollstoff und hatten ungefähr die Form eines Fausthandschuhs ohne Daumen. Wir hatten sie in verschiedener Größe, so daß wir für jeden verletzten Fuß einen passenden finden konnten.
In manchen Wintern waren Verletzungen durch Frost verhältnismäßig selten bei den Hunden, während in andern kaum einer unbeschädigt blieb. Gewöhnlich beschränkten sich diese Verletzungen auf die von auswärts eingeführten Hunde und ihre Nachkommen; es gab aber auch Winter, wo fast alle meine Hunde an Frostschäden litten und der Schuhe bedurften. Die Leiden der Füße waren sehr verschieden. Manchmal erfror sich ein Hund einen Fuß. Wenn man das merkte – und der Hund sorgte meistens schnell dafür – so machten wir ein Feuer und setzten ihn auf ein Fell daneben. Die Hitze und das Belecken durch die Zunge heilten den Schaden schnell. Dann zogen wir einen warmen Schuh über die Pfote und nach ein paar Tagen war alles in Ordnung. Immer ging's aber nicht so gut. Bei manchen Hunden eiterten und bluteten die erfrorenen Füße wochenlang. Dann waren wir froh, wenn wir heimkamen, damit die treuen Tiere ausruhen und von unserem geschickten Rover behandelt werden konnten. Manche Hunde haben sehr spröde Klauen, die auf den rauhen Wegen leicht abbrechen oder von den Baumwurzeln ausgerissen werden. Das gibt dann böse, schmerzhafte Wunden. Das Eis auf den Seen und Flüssen ist oft rauh und recht unangenehm für die Hunde. Aber auch wenn es glatt ist, reibt es den Ballen der Füße oft wund und blutig. Für all diese Leiden waren die weichen, warmen Schuhe das Heilmittel, und die klugen Hunde, die diese Wohltat einmal genossen hatten, bettelten gleich darum, wenn sie das Bedürfnis darnach fühlten.
Ängstliche und mißtrauische Hunde wollten oft nicht gleich begreifen, daß diese Schuhe eine Wohltat für sie waren. Manche versuchten, sie abzureißen; man mußte sehr aufpassen und die Hunde manchmal sogar für das Abreißen der Schuhe bestrafen. Aber auch diese merkten bald, was sie an den Schuhen hatten und suchten uns sogar durch allerhand schlaue Mittel dazu zu bewegen, sie ihnen anzuziehen.
Kimo verstand es bald besonders gut, zu zeigen, daß er die Schuhe begehrte. Es genügte ihm nicht, daß er sie an den gerade verletzten Füßen hatte. Er dachte offenbar: Vorbeugen ist besser als Heilen, und wenn's auf die Reise ging, wollte er an allen vier Pfoten Schuhe haben. Er wartete, bis das Anspannen anfing; dann warf er sich auf den Rücken und streckte seine vier Pfoten in die Höhe, die stumm und doch beredt um die Schuhe baten.
Ich hatte Kimo nicht lange. Die böse Seuche raubte mir einen der treuesten, edelsten Hunde, die ich besessen habe. Als er tot war, machte ich ein großes Feuer, um ihn zu verbrennen, aber ein paar hungernde heidnische Indianer rissen den großen Körper aus dem Feuer und verspeisten ihn. Armer Kimo!