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Kuffy war der schönste Hund, den ich überhaupt besessen habe. Sie war eine Vollblut Neufundländer Hündin, von der Art mit kurzem, krausem Haar. Jede Locke ihres Felles war vollkommen und sie schienen alle gleich groß zu sein. Sie wurde nicht nur von jedem Hundeliebhaber, sondern auch von Leuten, die sonst keine besondere Freude an Hunden haben, bewundert.
Sie war wie Jack, ihr unzertrennlicher Gefährte, ein Geschenk des Senators Sanford in Hamilton und machte mit Jack die lange Reise in das Land der Kri-Indianer. Während der mehrwöchigen Reise fuhren die Hunde zuerst mit der Eisenbahn und dem Dampfschiff; dann kamen sie auf ein Indianerboot, das mit Sachen für die Händler bepackt war. Trotz ihrer verschiedenen Abenteuer kamen die Tiere wohlbehalten bei uns an. Die Platte mit der Inschrift: »Bitte, stehlet den Hund des armen Missionars nicht,« hatte von Kuffy ebenso wie von Jack die Spitzbuben abgehalten. Bei einer späteren Reise, die ich durch eben jene Gegenden machte, belustigte es mich sehr, zu hören, daß verschiedene Leute ein lüsternes Auge auf die Hunde geworfen hatten, daß aber der warnende Spruch auf den Halsbändern sie abgehalten habe, die Tiere zu stehlen.
Kuffy war nicht nur sehr schön, sondern auch sehr liebevoll und gehorsam, weshalb meine Frau sie als ihr besonderes Eigentum in Anspruch nahm. Auch Kuffy merkte das bald und wurde die eifrige Beschützerin ihrer Herrin. Wehe dem fremden Hund, der dieser geliebten Herrin zu nahe kam! Ohne Rücksicht auf Größe oder Rasse wurde der Eindringling so wütend angefallen, daß er schnell und schmählich den Rückzug ergriff, oft ohne zu ahnen, warum er so gezaust worden war. Es war sehr belustigend zu sehen, wie das gute Geschöpf sich immer bemühte, seine Liebe zu zeigen und sich zum Fußschemel seiner Herrin zu machen. Mochte meine Frau sich in dem kurzen Sommer draußen ergehen, oder mochte sie zu Hause beschäftigt sein – sobald sie sich setzte, warf sich Kuffy ihr zu Füßen und bat in ihrer stummen und doch so beredten Weise, daß ihr warmer, kraushaariger Körper die Ehre haben möge, der Fußschemel ihrer Herrin zu sein. Wenn's zum Essen ging, kroch Kuffy unter den Tisch zu ihrer Herrin Füßen und bestand darauf, daß diese sich an sie lehnten. Wenn's damit nicht schnell genug ging, nahm Kuffy die Füße ins Maul und tat sie dahin, wo sie sie haben wollte. Nachdem sie das nach Wunsch zustande gebracht hatte, blieb sie ganz ruhig, bis man vom Tisch aufstand.
Sie lernte sehr leicht apportieren, und das größte Vergnügen machte es ihr, wenn man sie in einem andern Zimmer etwas holen ließ. Sie war darin sehr geschickt, aber an Jack reichte sie doch nicht hinan. Sie konnte z. B. sehr leicht eine Tür öffnen, die nach der anderen Richtung aufging, aber wenn sich die Tür gegen sie öffnete, wußte sie sich nicht zu helfen, während Jack dies ganz gut machte, nachdem ich's ihm ein paarmal gezeigt hatte. Doch grämte sie sich nicht über ihre Unfähigkeit in diesem Punkt, denn wenn Jack bei ihr war – und die beiden waren meistens beisammen – schritt sie nach einem wie gewöhnlich vergeblichen Versuch hinüber zu dem Platz, wo ihr Kamerad auf seiner Felldecke behaglich schlief, zupfte ihn ohne Umstände am Ohr, führte ihn zu der geschlossenen Tür, und befahl ihm in ausdrucksvoller Hundesprache, ihr aufzumachen. Er folgte immer gleich, denn Kuffy nahm sich als Dame allerlei gegen ihn heraus und hielt ihn gehörig drunten. Es belustigte uns oft ungeheuer zu sehen, wie sie kokettierte und ihn neckte und wie er sich alles geduldig und mit ruhiger Würde gefallen ließ. Wie es manchem Mann geht, der unter dem Pantoffel ist, schien Jacks Liebe zu Kuffy um so größer zu werden, je mehr diese sich gegen ihn erlaubte.
Die einzigen, allerdings heißen Kämpfe, die ich mit Jack ausfechten mußte, waren durch Kuffy veranlaßt. Das ging so zu. Die Hauptnahrung der Hunde waren Fische, die ihnen im Hof gegeben wurden. Kuffy aber konnte oder wollte nicht begreifen, daß sie ihren großen, schmierigen Fisch nicht ins Haus tragen und auf dem Stubenboden mit Muße verzehren durfte. Ein großer Fettfleck auf dem Boden kam ihrer Ansicht nach nicht in Betracht, wenn sie dafür ihre Mahlzeit nicht in dem kalten Hof halten mußte. Ich schalt sie ein paarmal streng und schickte sie mit dem Fisch hinaus zu den anderen Hunden. Da das Schelten nichts half und ich von anderer Seite Andeutungen erhielt, daß unsere Teppiche verdorben würden, beschloß ich, strengere Maßregeln zu ergreifen, und als sie sich einmal besonders ungezogen aufgeführt hatte, nahm ich sie hinaus und gab ihr eine Tracht Prügel. So etwas war ihr noch nicht vorgekommen und sie wußte zuerst nicht, was es bedeutete. Ich wollte es ihr aber klar machen, damit es die ersten und letzten Prügel wären, und deshalb schlug ich sie bis sie schrie.
In der Vorahnung, daß ich dabei von anderer Seite Schwierigkeiten haben würde, hatte ich mir einen tüchtigen eichenen Axtstiel bereit gelegt, denn ich wußte aus Erfahrung, daß man gegen einen zornigen Hund mit der Peitsche nicht viel ausrichtet. Jack stand am anderen Ende des Hofs und verzehrte seinen zweiten Fisch, als er Kuffys Geschrei hörte. Er sprang auf und es sah prächtig aus, wie er dastand, den Kopf hoch, die Ohren gespitzt, den Fuß auf dem halbverzehrten Fisch. Aber es war nur ein Augenblick, denn als Kuffy immer noch schrie, schoß der wütende Hund durch den Hof und stürzte sich auf mich, um seine Genossin zu befreien. Ich hatte aber schnell die Peitsche mit dem Axtstiel vertauscht und war bereit, ihn zu empfangen. Als er auf mich lossprang, gab ich ihm einen Schlag, der ihn vollständig umwarf. Doch im nächsten Augenblick erhob er sich und sprang ebenso grimmig auf mich los wie vorher. Ich war auf meiner Hut und warf ihn mit dem zweiten Schlag ganz über den Haufen. Ich glaubte zuerst, ich hätte ihn getötet. Aber er raffte sich schnell auf und versuchte einen dritten Angriff. Diesmal betäubte ihn mein Schlag etwas und als er sich erholt hatte, schlich er sich ins Hundehaus. Am nächsten Tag war er mürrisch und hielt sich fern und ich merkte wohl, daß mir noch ein zweiter Kampf bevorstand. Ich hatte von Kuffy ablassen müssen, ehe sie genügend bestraft war, um mich gegen Jack zu wenden, und so meinte sie, sie habe gewonnen und dürfe ferner tun, was sie wolle. Bald nachher kam sie eines Abends mit einem großen Fisch herein und begann, ihn auf dem Teppich zu fressen. Als ich sie hinausgehen hieß, weigerte sie sich mit gesträubten Locken und zornigem Knurren.
Offenbar stand es bedenklich im Hundereich. Hatte am Ende Jack sie ermutigt und waren andere Hunde mit ihr im Bunde? Jedenfalls mußte die Sache entschieden werden, und zwar ein für allemal. Ich sperrte also zuerst Jack ins Fischhaus und dann gab ich Kuffy eine ganz tüchtige Tracht Prügel, so daß sie merkte, wer Herr war und mich in Zukunft nie wieder anknurrte. Ihr Geschrei während der Züchtigung hatte aber Jack so aufgeregt, daß er wie ein gefangener Löwe in seinem Gefängnis herumtobte und verzweifelte Anstrengungen machte, auszubrechen. Er zerbrach ein paar Scheiben, aber das Fenster war zu klein, so daß er nicht hinauskonnte.
Als ich Kuffy gründlich gedemütigt hatte, bewaffnete ich mich wieder mit dem Axtstiel, um auch mit Jack den Kampf auszufechten. Ich schloß die Tür auf und sprang dann schnell zurück. Wie das erstemal sprang er mir wütend an den Hals. Wenn ich ausgerutscht wäre oder daneben geschlagen hätte, so hätte er mich sicher totgebissen. Aber ich schlug nicht daneben. Durch das abhärtende Leben im kalten Norden waren meine Muskeln stahlhart geworden und ich konnte einen Schlag führen wie ein Grobschmied. Der riesige Hund fiel auf den Schlag hin wie geschossen, aber es war merkwürdig, wie schnell er sich wieder erholte. Schlag auf Schlag folgte und wieder und wieder ging er auf mich los. Schließlich wurden seine Angriffe weniger heftig und nach einem tüchtigen Schlag auf die Kinnlade hatte er plötzlich die Kampflust verloren. Er lag vor mir auf dem Boden und blickte mich kaltblütig an. Jetzt sprach ich zum erstenmal, seit der Kampf angefangen hatte, mit ihm. »Jack,« sagte ich, »was soll das sein? Schäm dich. Komm gleich her.« Während ich so sprach, streckte ich meine Hand aus und er kroch auf mich zu. Bald begann er auch mit dem Schwanz zu wedeln und da merkte ich, daß der große Hund besiegt war. Ich warf den Prügel weg, ging ihm entgegen und streichelte den Kopf, auf den ich eben so schwere Schläge hatte fallen lassen. Jack und Kuffy waren besiegt, und von da an war mein Wort Gesetz und keiner hat je wieder einen Schlag bekommen.
Es war mir schmerzlich, diese Kämpfe mit meinem wackeren Hund zu schildern, und manche meiner Leser denken vielleicht, ich sei zu streng gewesen. Man muß aber bedenken, daß das Entscheidungskämpfe sind, bei denen es sich zeigen muß, ob der Mensch oder der Hund Herr ist, und die allerdings strenge Strafe war in diesem Fall so wirksam, daß es die einzige blieb.
Als echte Neufundländerin liebte Kuffy das Wasser sehr. Sie konnte ausgezeichnet schwimmen und verbrachte während der wenigen Monate unseres herrlichen Sommers jeden Tag mit Jack ein paar Stunden an dem See, an dessen Ufer wir wohnten. Sie blieb viel länger im Wasser als Jack, er ließ sie aber nie aus dem Auge, bis er sah, daß sie genug im Wasser herumgeplätschert hatte. Wenn sie endlich ans Ufer zurückkehrte, war er ganz toll vor Freude; sie aber foppte ihn nun gehörig. Anstatt an das Ostende des Sees zu schwimmen, wo er einen bequemen sandigen Strand hatte, schwamm sie an die felsige Stelle, wo Jack sichtbar war, und verlangte, daß er ihr da ans Ufer helfe. Das war nicht immer leicht. Wenn Jack gerade auf einem niederen Felsen stand, konnte er hinunterreichen, Kuffy beim Nacken halten und ihr helfen herauszuklettern. Aber manchmal saß er, gerade als sie ans Ufer schwamm, auf einer hohen Felsspitze, und dann begann der Spaß. Jack war ganz aufgeregt und es schien, als wolle er dem eigensinnigen Tier sagen, es sei an der falschen Stelle. Das war aber Kuffy ganz einerlei. Sie schwamm an die Stelle, hob sich so hoch sie konnte und schrie und heulte um Hilfe. Jack war jetzt ganz außer sich. Er bellte ihr zu und versuchte alles Mögliche, um ihr herauszuhelfen. Manchmal – und das zeigt, wie er imstande war, nachzudenken – lief er zu einem Holzhaufen und holte da einen langen Stock. Mit diesem lief er ans Ufer, reichte Kuffy das eine Ende und zerrte dann an dem andern so gewaltig, daß er sie bald aus dem Wasser hatte. Dann war er glücklich. Wir haben übrigens nie bemerkt, daß Kuffy sich dankbar zeigte; sie nahm das alles als selbstverständlich hin und bei der nächsten Gelegenheit war sie grob gegen Jack und schnauzte ihn an.
Es machte ihr besonderes Vergnügen, während sie im Wasser war, mit einigen großen Stören zu spielen, die ich in der Nähe des Ufers hielt. Diese großen bis zu drei Meter langen Fische kann man nur während ein paar Wochen im Jahr fangen. Die Indianer fingen sie in großen Netzen und brachten sie uns lebendig. Da ihr Fleisch frisch viel besser schmeckt als gesalzen, gaben wir uns sehr Mühe, sie möglichst lang lebendig zu bewahren. Wir hatten einen kleinen Teich für sie, aber nachdem einmal viele weggefangen waren, wurden die wenigen noch vorhandenen so schlau und vorsichtig, daß man sie nur sehr schwer fangen konnte. Ich nahm deshalb lange Schnüre von weicher Baumwolle, deren eines Ende ich den Fischen an einer Stelle, wo es ihnen nicht weh tun konnte, um den Kopf band, während das andere Ende am Ufer befestigt war. Die Fische spielten auch jetzt wie vorher im Wasser, und Kuffy sprang oft zwischen sie hinein. Anfangs erschraken sie und tauchten schnell auf den Grund, aber später machten sie sich nichts mehr aus dem Hund und spielten wie vorher. Ein besonders großer Stör wurde ganz gut Freund mit Kuffy, die es aber nie recht zu begreifen schien, wie der Fisch so plötzlich verschwinden konnte. Manchmal packte sie ihn am Schwanz; sobald er das merkte, tauchte er unter und zog Kuffy mit. Sie kam aber gleich wieder sprudelnd und keuchend an die Oberfläche und schwamm schnell ans Ufer, wo sie dann gewaltig hustete und nieste, bis sie das Wasser aus der Lunge entfernt hatte. Das plötzliche Tauchen schreckte sie keineswegs ab und sobald der Stör auftauchte und sich anscheinend nach seiner Spielkamerädin umsah, sprang Kuffy wieder ins Wasser und das eigenartige Spiel begann von neuem. Wir ließen diesen Stör möglichst lange am Leben und verzehrten ihn erst, als das Wasser so eisig kalt wurde, daß man Kuffy das Tauchen nicht mehr erlauben konnte.
Da wir den ganzen Winter fast ausschließlich von Fischen leben mußten, so war es eine Freude, wenn ich im Frühling wilde Gänse schießen konnte. Ich war ganz stolz, als ich zum erstenmal eine wilde Gans getroffen hatte und sie mit gebrochenem Flügel weit weg auf dem Eisfeld herunterfallen sah. Ich hatte einen Zug Hunde bei mir, denen ich befohlen hatte, sich zu ducken, während ich schoß. Kuffys schnelles Auge hatte zuerst den verwundeten Vogel und seine verzweifelten Versuche, sich oben zu halten, entdeckt. Als die Gans anfing zu fallen, schirrte ich schnell Kuffy aus, und sobald der Vogel auf dem Boden war, ließ ich sie los. Wir waren ungefähr zehn Minuten von dem Wild entfernt und ich sprang schleunigst auf den Schlitten und folgte Kuffy. Ich kam gerade rechtzeitig, um den Kampf zwischen ihr und der Gans zu sehen. Diese versuchte zuerst mit Hilfe ihres noch gesunden Flügels davonzulaufen. Als der Hund sie einholte, drehte sie sich plötzlich um und setzte sich zur Wehr. Mit siegesgewissem Gebell ging Kuffy auf sie los, aber o weh! Ehe der Hund wußte, was mit ihm geschah, lag er vor Schmerz und Wut heulend auf dem Eis. Die Gans hatte ihm mit dem Flügel einen solchen Schlag gegeben, daß er umfiel und ganz betäubt war. Kuffy war aber echter Jagdhund und ging bald wieder zum Angriff über. Noch ein paarmal wurde sie umgeworfen, dann aber wurde sie vorsichtig. Sie machte die Gans durch Scheinangriffe sicher und biß sie dann plötzlich tot, gerade als ich ankam.
Kuffys Kopf war mehrere Tage nachher wund. Die Gans war ein zähes altes Tier und wir mußten sie ein paar Wochen hängen lassen, ehe wir sie als leckeren Braten verspeisten.
Kuffy war mehrere Jahre lang einer meiner besten Schlittenhunde. Sie gab sich gern für das Geschäft her und brauchte, wenn sie im Geschirr war, nie gescholten oder gepeitscht zu werden. Ein freundlicher Zuruf genügte; sie tat dann alles, was in ihren Kräften stand. Mit Jack genoß sie das Vorrecht, im Winterlager auf und auch oft unter meinen Pelzdecken zu schlafen. Wenn das Weingeistthermometer 45-50 Grad unter Null zeigte und die schrecklichen Schneestürme über uns heulten, hielten mich die Hunde so weit warm, daß ich nicht erfror.