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5. Jack gerät in Lebensgefahr

Jack hatte noch allerlei zu tun, außer dem Suchen nach Pantoffeln. Er und Kuffy waren immer im Haus, aber er wußte wohl, daß es seine Pflicht war, keine andern Hunde hereinzulassen. Er durfte auch mit in die Kirche, doch wehe dem Indianerhund, der gewagt hätte, hereinzukommen; er versuchte es selten ein zweitesmal.

Wir hatten nur Holz zum Heizen, das uns die großen Wälder der Gegend lieferten. In dem langen, sieben bis acht Monate dauernden Winter brauchten wir sehr viel Holz, und da es in den eisernen Öfen schnell verbrannte, mußten unsere großen Holzkisten oft gefüllt werden. Das war eine schwere Arbeit für das Dienstmädchen und so kamen wir auf den Gedanken, Jack helfen zu lassen. Wir fingen schnell alle an, unter Scherz und Lachen Holz zu tragen, und da Jack stets zu einem Spaß aufgelegt war, ließen wir ihn mittun. Mit großem Stolz nahm er sein Scheit, trug es in die Küche und legte es ganz geschickt in den Holzkasten. Bald hatte er die Arbeit so gut gelernt und machte sie so geschickt, daß er keine Hilfe dabei brauchte. Wenn es an Holz im Haus fehlte, brauchte man nur zu sagen: »Der große, faule Hund weiß scheint's nicht, daß die Holzkiste leer ist,« und sogleich ging Jack an die Arbeit. Er öffnete die Küchentür und machte sie fest und dann trug er Scheit auf Scheit herein, bis man ihm sagte, es sei genug. Er war dann sehr stolz und glücklich, wenn man ihn lobte. Die Arbeit war nicht leicht, denn ein Scheit wog mehrere Pfund und war wenigstens einen Meter lang. Jack merkte, daß wir diese Kunst besonders an ihm schätzten, und wenn er sich zeigen oder gelobt werden wollte, fing er schnell an, fleißig Holz zu tragen.

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Auf den langen Winterreisen machte er uns manchen Spaß und gab uns Gelegenheit, seine Klugheit zu bewundern. Die Treiber liebten ihn sehr, fürchteten ihn aber etwas wegen seiner ungeheuren Größe. Nur einmal wagte ein Treiber, die Peitsche gegen ihn zu erheben. Es kam aber nicht zum Schlag. Jack riß plötzlich das Gespann mitsamt dem Leithund herum und ging auf den Mann los, der an diesem Tag keine Lust mehr hatte, mein Gespann zu treiben.

Einmal erschreckte er uns sehr, als er auf dem dünnen Eis über einer Spalte im Winnipeg-See einbrach. Während der vorhergehenden Nacht, die wir im Freien zubrachten, wurden wir oft durch lautes Krachen gestört, das wie ferner Donner oder wie Kanonenschüsse klang. Die Indianer antworteten auf meine Frage: »Eis kracht, große Kälte, offene Stellen, vorsichtig sein.«

Wenn nämlich die Kälte sehr groß ist, so zieht sich das oft meterdicke Eis so stark zusammen, daß es plötzlich mit großer Gewalt bricht. Die Eisspalten sind manchmal mehrere Kilometer lang, aber gewöhnlich kaum einen Meter breit. Für Reisende sind diese Spalten sehr gefährlich, besonders bei Nacht, denn es dauert immer einige Zeit, bis das Wasser wieder so dick gefroren ist, daß man den Übergang wagen kann. Das Schlimmste ist, daß der Reisende die Spalten erst bemerkt, wenn er hineinfällt. Es gibt deshalb oft Unglücksfälle.

In einer Nacht hatte ich das Amt des Führers übernommen, da mein Indianerführer sich das Knie schwer verletzt hatte. Während ich meinem Gespann in der Richtung auf den Polarstern vorauslief, blickte ich zufällig hinunter und wunderte mich, daß die Sterne sich so hell im Eis spiegelten. Auf einmal merkte ich, daß ich unmittelbar vor mir nicht Eis, sondern Wasser hatte. Ich hielt plötzlich an, drehte mich um, und schrie den mir auf dem Fuß folgenden Indianern und Hunden »Halt!« zu. Selbst die alten erfahrenen Indianer wunderten sich, daß ich nicht verunglückt war. Der Spalt mußte erst in den letzten Stunden entstanden sein, denn es war nicht einmal eine ganz dünne Eisdecke darauf. Wir mußten einen langen Umweg machen, ehe wir einen Übergang fanden.

Ein andermal war bei einer solchen Gelegenheit Kuna, von dem ich später sprechen werde, der Leithund. Jack war der zweite und ihm folgten Kuffy und Cäsar. Der Führer war ein leichtfüßiger Indianer, der über ein dünnes Eis, das keinen Weißen trüge, ungefährdet laufen konnte. Plötzlich kamen wir an eine ziemlich neue Spalte; sie war jedoch schon so dick überfroren, daß der Führer, der einige hundert Meter voraus war, glücklich hinüberkam. Als mein Gespann ankam, hielt das Eis gerade noch, bis Kuna die andere Seite erreicht hatte. Dann brach es unter Jack und der arme Kerl kam ganz unter Wasser, allerdings nur für einen Augenblick, aber das war gerade genug bei dieser Kälte. Mit erstaunlicher Klugheit taten die Hunde was in dieser Not das Beste war: Kuna stemmte sich mit aller Kraft am Eis fest, während die Hunde hinter Jack zurückzogen, so weit es ihre Riemen und Halsbänder erlaubten. Durch die gespannten Riemen wurde so Jack über Wasser gehalten.

Wir luden schnell einen Schlitten ab und nachdem wir die Hunde losgespannt hatten, schoben ihn die Indianer vorsichtig über die Spalte, so daß seine beiden Enden auf dem festen Eis ruhten und er eine Brücke bildete, auf der man zuerst Jack und dann die andern Hunde hinüberbrachte. Zuletzt folgte auch ich. Jack war in einem kläglichen Zustand. Sein glänzendes, kohlschwarzes Fell bekam durch die Kälte im Nu einen weißen Überzeug. Wir waren noch 20 Kilometer vom Ufer entfernt und hier auf dem Eis konnte man nichts für das edle Tier tun, das mich hilfeflehend anschaute.

»Dem Ufer zu,« rief ich, »und ein neues Flanellhemd dem Indianer, der vor mir ankommt und ein Feuer bereit hat, damit man den armen, frierenden Jack auftauen kann!«

Sogleich war alles im Lauf. Ein neues Flanellhemd ist etwas Großes für einen Indianer und so knallten die Peitschen und bildeten die Begleitung zu den aufmunternden Rufen der Treiber. Jack, den sein dicker Eismantel beschwerte, war zuerst betäubt und mutlos, aber bald raffte er sich auf. Er schien zu wissen, daß es sein Leben galt und daß er um jeden Preis schnell das Ufer erreichen mußte. Also zog er an mit einer Tatkraft, die uns alle zur Bewunderung nötigte. Das ganze Gespann und der Schlitten seines Herrn mußte dieses Rennen ums Leben mitmachen. Als wir vom See in den Wald hinaufrannten, waren wir den andern Zügen um wenigstens zwei Kilometer voraus und kein Indianer gewann ein neues Hemd.

Mit großer Geschwindigkeit hieben wir Holz und bald brannte ein helles Feuer, vor das man für Jack, der immer noch ganz weiß war, eine Büffelhaut legte. Gewöhnlich gehen die Hunde nicht gern so nah an das Feuer, weil sie fürchten, sich die Haare zu versengen, und doch konnte bei der schrecklichen Kälte Jack nur ganz nahe am Feuer auftauen. Ich fürchtete, ich würde Schwierigkeiten haben und es würde mir am Ende nicht gelingen, den edlen Hund zu retten. Aber meine Angst löste sich bald in Lachen auf, denn Jack erwies sich so klug, daß wir alle, die wir doch seinen Verstand kannten, erstaunt waren. Sobald er gemerkt hatte, daß das Büffelfell und das Feuer seinetwegen da waren, machte er sich beides zunutze. Zuerst ging er auf seinen vier Füßen hin und her und brachte abwechselnd verschiedene Körperteile möglichst nah ans Feuer, aber vorsichtig, um sich nicht zu brennen. Als dies nicht schnell genug zum Ziel führte, richtete er sich wie ein Tanzbär auf den Hinterbeinen auf und hüpfte um das Feuer herum, dem er bald seine Vorderseite, bald seine Rückseite zukehrte. Unter dem Einfluß der starken Hitze schmolzen bald große Eisklumpen und das Wasser floß an Jacks Hinterbeinen hinunter auf das Fell. Nun bewegte er sich sehr geschickt auf die trockenen Stellen des Fells, hielt sich aber dabei immer möglichst nah bei dem Feuer.

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Wir beobachteten von der anderen Seite her die merkwürdigen Bewegungen des Hundes. Wenn ich sage, daß wir bis zu Tränen lachten, drücke ich mich noch sehr mild aus. Aber Jack war das ganz einerlei. Für ihn war die Sache ein ernstes Geschäft, und er ließ nicht nach, bis alles Eis geschmolzen und sein Fell ganz trocken war. Während er so beschäftigt war, gönnte er keinem von uns einen Blick, und wir, froh, daß er die Sache ohne Hilfe besorgte, ließen ihn in Ruhe. Als er sich trocken fühlte, spannten wir ihn schnell ein und setzten die Reise fort. Sein kaltes Bad hatte ihm nicht geschadet, aber er war von da an immer vorsichtig, wenn das Eis nicht ganz sicher schien. Sein Abenteuer und die merkwürdige Geschicklichkeit, mit der er ums Feuer herumhüpfte, war jahrelang eine Lieblingsgeschichte der Indianer, wenn sie ums Lagerfeuer saßen.

Der häufige Wechsel unserer Küchenmädchen war für Jack immer etwas Unverständliches. Es war ihm nicht ganz geheuer, wenn er sah, wie eine fremde Indianerin nur so hereinkam und mit dem Geschirr hantierte, als wäre es ihr eigen. Die Mädchen blieben meistens nur ein halbes Jahr, denn die jungen Indianer bemühten sich sehr, recht bald eine Frau zu bekommen, die von der Missionarsfrau geschult worden war. Man mußte also Jack begreiflich machen, daß er artig sein mußte und daß er den jungen Indianerinnen keine Hindernisse in den Weg legen durfte. – Es war köstlich zu sehen, wie er sie beobachtete, bis er herausgefunden hatte, wie er sie ein bißchen necken konnte.

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Einen Sommer hatten wir ein dickes, gutmütiges Mädchen, das wir Marie nannten. Jack wußte zuerst nicht, wie er ihr beikommen sollte. Sie behandelte ihn mit Gleichgültigkeit, was ihm sehr demütigend war. Die andern Mädchen hatten sich vor dem riesigen Burschen gefürchtet und ihm den Willen getan, aber Marie schrie ihn an: »Geh mir aus dem Weg!« wie sie es zu dem kleinsten Hund gesagt hätte. Dies ärgerte Jack, aber er wagte nicht, sie zur Vergeltung auch nur anzuknurren. Endlich hatte er aber eine Schwäche bei ihr wahrgenommen. Meine Frau hatte ihr eine besondere Belohnung versprochen, wenn sie die Küche recht sauber halte, und nun verbrachte sie alle ihre übrige Zeit damit, den Küchenboden zu scheuern. Wie Jack das merkte, weiß ich nicht, aber bald war es seine größte Freude, mit möglichst schmutzigen Füßen, oder triefend naß von einem Bad im See in die Küche zu kommen und zu Maries Jammer und seiner Freude den reinen Küchenboden zu beschmutzen.

Oder er legte sich, wenn Marie gerade fegte, groß und breit auf den Boden, und bewegte sich nicht von der Stelle, selbst wenn Marie die anderen Hunde draußen fütterte oder durch lautes Rufen zu heftigem Bellen anreizte. Einmal war es ihr doch gelungen, ihn hinauszulocken, und sie hatte dann die Tür so fest verschlossen, daß all sein Rütteln an der Klinke nichts half. Da holte er von der Holzbeuge ein großes Scheit und schlug damit so an die Tür, daß Marie schließlich fürchtete, sie könnte zerbrechen, und ihm aufmachte.

Stolz schritt Jack herein, das Scheit im Maul. Er legte es in die Holzkiste und streckte sich dann aus an der Stelle, wo er am meisten im Weg war.

Nun ging's dem Mädchen endlich über den Spaß. Sie kam in meine Stube und berichtete in ihrer Muttersprache und in ihrer bilderreichen Weise, wie Jack sie immer ärgere und hindere. Um ihn in Ordnung zu bringen, benützte ich die Hilfe meines munteren vierjährigen Söhnleins, an dem Jack mit großer Liebe und Treue hing. Der kleinste Wunsch des Jungen war ihm Gesetz. Ich ging zu dem Kleinen, der eben am Spiel war, und sagte: »Eduardchen, sage Jack, er müsse artig sein. Er dürfe nicht immer Marie necken und er habe in der Küche überhaupt nichts zu tun.«

Der Kleine hörte die Geschichte an und kam Marie zu Hilfe, während wir vom Nebenzimmer aus zusahen. Eduard ging zu Jack hin, der immer noch ausgestreckt dalag, packte ihn beim Ohr und sagte majestätisch wie ein König: »Schäm dich, Jack. Du bist unartig, wenn du Marie immer ärgerst und sie nicht ihren Boden scheuern läßt. Gleich steh auf!« Jack gehorchte dem Kleinen, der ihn am Ohr in die Studierstube führte. Hier schalt er ihn noch einmal und schloß mit den Worten: »Also hörst du, Jack, du gehörst nicht in die Küche.«

Und Jack gehorchte wirklich diesem Gebot.

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