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Frühsommer war's im Tale wieder, Der Wald geschmückt, der Himmel blau, Im Laube wogt' es auf und nieder, Und an den Gräsern hing der Tau. Weit ausgespannte Segel blinkten Stromauf, stromunter auf dem Rhein, Die Kränze vor den Schenken winkten, Und durst'ge Wandrer kehrten ein. Es war das alte lust'ge Leben Mit seinem schwärmenden Genuß, Wie's rauscht und rollt im Land der Reben Und an dem ewig jungen Fluß. Nur Heinrich wollte nichts erfreuen, Nicht Vogellied, nicht Blütenglanz, Und nichts verschlug, ihn zu zerstreuen, Nicht Becher oder Kirmestanz. Ihm wollte Lurlei seit dem Tage Der Königswahl nicht aus dem Sinn, Auf Schritt und Tritt trug er die Frage Mit sich herum: wo war sie hin? All die unzähligen Geschichten Von ihrem Nixentum am Rhein, Die mit ausführlichen Berichten Todbringend arger Zauberei'n Das Tal durchschwirrten allerwegen, Vermochten nicht, sein treues Herz So aus dem Tiefsten aufzuregen, Als wie der eine große Schmerz Seit der Entdeckung an ihm nagte, Daß Lurlei, die er zwanzig Jahr Als Bruder nur zu lieben wagte, Nun doch nicht seine Schwester war. Zwar lindernd Öl war's auf den Wogen, Die wild durchstürmten seine Brust, Daß ihn doch Lurlei nicht betrogen, Weil sie es selber nicht gewußt. Doch hätten sie's zur rechten Stunde Gewußt, daß sie nicht blutsverwandt, Sie hätten sich zum Lebensbunde Wohl längst geeint mit Herz und Hand. Und hätt' auch, wenn der Wunsch erwachte, Der Vater offen ihm vertraut, Was er von ihrer Herkunft dachte, Er hätte fest darauf gebaut, Daß er mit seiner Lieb' und Treue Sie von der Nixenart geheilt, Und wenn das nicht, auch ohne Reue Das schlimmste Los mit ihr geteilt. Nun war's zu spät; was beide trennte, Unwiderruflich war's geschehn, Und doch, ein Stern am Firmamente, Stand Hoffnung noch auf Wiedersehn In Heinrichs Nacht mit hellem Schimmer, Der ihm aus Lurleis Augen kam; Das war kein Abschied schon für immer, Den sie bei Rhense von ihm nahm. In ihrem Blick hatt' er's gelesen, Dem letzten, den er vor ihr sah; Er kannte sie, klar lag ihr Wesen, Ihr ganzes Leben vor ihm da. Daß einst im Wasser es begonnen, Erfuhr er staunend hinterher, Doch daß es darin auch zerronnen, Das glaubt' er nun und nimmermehr. Die kühne Schwimmerin ertrinken, Die Taucherin in Strom und Bucht?! Ihr bot des Rheines Wellenblinken Nur einen sichern Weg zur Flucht. Was in der Wut sie da gesprochen, Da man als Hexe sie verschrie'n, Den Stab schon über sie gebrochen, Gab ihr Verzweiflung ein im Fliehn. Was aber jetzt man von ihr sagte, Daß sie sich hie und da gezeigt, In Not und Tod die Männer jagte, War er zu glauben sehr geneigt. Seit Winters Ende spülte wieder So manchen Toten aus der Rhein, Und immer sollten Lurleis Lieder Die Mörder der Ertränkten sein. Das Suchen hatt' er aufgegeben, Das lange Zeit er rastlos trieb, Doch hofft' er, daß ihr Widerstreben, Sich ihm zu nah'n, nicht dauernd blieb, Und wünschte sich, ihr machtvoll Singen Einmal zu hören, sollt' es auch Unfehlbar ihn ums Leben bringen Und er vergehn in Klang und Hauch. An jener kühlen Uferstelle Der Tag versank; die Berge hüben |
Am Berge blinkt das Abendrot, Die Sonne geht zur Ruh, Fahr' unten dort in deinem Boot Mir nicht vorüber du! Einsam hier oben halt' ich Wacht Und harr' in Liebe dein, Und meine Sehnsucht Tag und Nacht Ist tiefer als der Rhein. Oh kämest du herauf zu mir, Wo auf der Erde festem Grund Komm, laß uns beide wohlgemut |
Auf und hinab wie halb von Sinnen Von dem berückenden Gesang, Das andre Ufer zu gewinnen, Heinrich in seinen Nachen sprang. Zum höchsten spannt' er alle Kräfte Wie ein Verfolgter auf der Flucht, Es bogen sich die Ruderschäfte Am Bord von seiner Stöße Wucht. Er fuhr um Strudel hin und Schnellen Und steuerte mit fester Hand Durchs tosende Gesprüh der Wellen Zum mühevoll erreichten Land. Dann wandt' er sich in Hast und Eile Seitwärts zu jener engen Kluft Und kletterte hinan die Steile, Als ging' es senkrecht in die Luft. Wo Strauch und Wurzel halten wollte, Krallt' er sich mit den Händen ein, Und unter seinen Füßen rollte Hinunter Erdreich und Gestein. Vermessen war's, doch ward's gewonnen, Das wolkenhoch gewagte Spiel, Und eh er des sich recht besonnen, War Heinrich am ersehnten Ziel. Die Sonne drüben war gesunken, »Heinrich! Dich hab' ich nicht gerufen, »So hättest – hättest wirklich alle, »Verlange nicht nach weitrer Kunde, »Reiß' mir das Herz in tausend Stücke, Dumpf aus der offnen Tiefe schallet Im Öden ihrer Felsenwohnung »Was wollt ihr?« spricht sie zu den Schemen, Die Schatten flattern hin und wider »Bringt sie doch her aus Brust und Kammer Die Geister in den Wolken strecken »An meinen Schwur wollt ihr mich mahnen? Sie schütteln ihre blut'gen Locken Da regt der Wind die breiten Schwingen, Heinrich, des Abstiegs Fährlichkeiten |
Am Himmel wandelt Der Sterne Heer Und strahlt und leuchtet Auf Land und Meer. Sie messen die Zeiten, Sie wissen und leiten Mit ewigem Blick Der Menschen Geschick. Mal schließet einer Wer aus den Armen |
Beim schwebenden Gesang erzittert Ihm schwer und ahnungsvoll das Herz, Von der Geliebten Hauch umwittert, Fühlt er der Trennung bittern Schmerz. Die Wogen werfen nach Belieben Den Nachen, weil er ungelenkt, Von Strom und Gegenstrom getrieben, Sich zwischen Wirbeln hebt und senkt. |
Was blüht, das welket, Vom Winde zerstiebt; Dich hielt ich am Herzen, Dich hab' ich geliebt. Nun mußt du geben Dein Blut und Leben, Hoch oben hier Versing' ich's dir. |
Heinrich, von Liebesweh ergriffen, Hat nur für Lurlei Aug' und Ohr, Sehnsüchtig, mitten in den Riffen, Schaut er zur Sängerin empor. |
Die Wellen brausen Um deinen Kahn, Und ihr Vollbringen Ist rasch getan. Sieh her! noch blinket – Und jetzt schon sinket Dein Stern zur Ruh, – So sink' auch du! |
Da packt im Augenblick den Nachen Ein Strudel, daß er sausend kreist, Sich aufbäumt und der schwarze Rachen Heinrich hinab zur Tiefe reißt. – Auf weiß umschäumter Klippenbarre, Lurlei erhebt sich, sitzt noch lange |
Still trage den Toten In unserm Geleit, Hast selbst ihn entboten Und uns ihn geweiht. Wir Trauernden können Nun endlich dir gönnen, Von Lieben und Leiden Auf ewig zu scheiden. Nun throne hoch oben Nach Martern und Müh'n, Laß Sturm dich umtoben Und Lenz dich umblühn. Jahrhunderte spinnen Ihr Garn und verrinnen, Kalt wirst du sie sehen So kommen wie gehen. Wir Wellen im Rhein Beim sinkenden Schein, Wir wollen den süßen Liedern dir lauschen Und wollen zu Füßen Dir fluten und rauschen Und rauschen und rauschen. – |
Nun will die Nacht im Finstern walten, Der ganze Himmel ist bedeckt, In des Gewitters schwere Falten Hat schüchtern sich der Mond versteckt. Es blitzt, die ersten Donner rollen; Hoch wieder auf dem Felsen steht Bewegungslos im Schauervollen Lurlei und spricht, vom Sturm umweht: »Ich hab' mein blutend Herz bezwungen, Dem Liebsten auch beim Wiedersehn Hab' ich das Todeslied gesungen, Hab', unerweicht von seinem Flehn, Ihn um der Liebe Glück betrogen, Im Wellenkampf ihn rasch besiegt Und selbst ihm aus der Brust gesogen Den letzten Hauch, – das Opfer liegt! Nun, Schicksal, laß hier oben hausend Mich meinen Schwur erfülln mit Macht, Gib tausend nun und aber tausend Mir für den einen dieser Nacht! Ich will sie fangen und verderben Mit listig lockendem Gesang, Gebrochnen Herzens solln sie sterben, Ersticken in der Sehnsucht Drang. So lang dort unten noch im Grunde Die Wellen rauschen ums Gestein, So lang solln auch aus Lurleis Munde Noch Lieder klingen auf dem Rhein!« |