Julius Wolff
Lurlei
Julius Wolff

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XIV.
In der Tiefe.

                    Weitschicht'ge Höhlung im Gestein
Erhellt gedämpften Lichtes Schein,
Verborgen ist, woher es stammt,
Kein Öl und keine Kerze flammt,
Nicht Ampel oder Leuchte hängt
Hier am Gewölb, von außen drängt
Es sich herein durch Felsenrippen,
Durch Erz und Adern in den Klippen.
Zerklüftet ist von Sprung und Spalt
Der Grotte räumige Gestalt;
Die Decke flimmert feucht von Tau,
Die Wände schimmern nebelgrau,
Verlaufen hinten schwarz wie Nacht
In einen gähnend tiefen Schacht.
Nicht Tisch, nicht Stuhl noch Ruhebank
Verdienen eines Gastes Dank;
Am Boden nur zur Lagerstelle
Sind sammetweiche Otterfelle
Gebreitet über Schilf und Moos.
Da sitzt Igorn; auf ihrem Schoß
Das rundumlockte Haupt gebettet,
An ihre weiße Brust gerettet,
Liegt nun mit lilienbleichen Wangen
Lurlei, von tiefem Schlaf umfangen.
Die Nixe hält im Arm ihr Kind,
Und wie es atmet leicht und lind,
Schaut sie es an mit Lieb' und Acht,
Ob bald die Schläferin erwacht.
Jetzt regt sich Lurlei, seufzt und schlägt
Die Augen auf, erstaunt und frägt,
Noch halb im Traum. »Wo sind sie hin?
Ich bin doch nun die Königin.«
Die Mutter dann erkennend: »du?
Igorne, sahst du auch mit zu?«
Sie streicht sich über Stirn und Haar
Und blickt umher, nun wach und klar,
Und schrickt empor. – »Wo bin ich hier?«
Igorne spricht: »du bist bei mir,
Bist wohl behütet und geborgen,
Erlöst von allen Erdensorgen.«
»Bei dir?« fragt Lurlei, und beginnen
Muß sie aufs neu, sich zu besinnen.
»Was ist dies für ein steinern Haus?
Was ist das für ein dumpf Gebraus,
Das seltsam mir zu Ohren dringt
Und wie aus weiter Ferne klingt?«

»Es ist des Wassers mächtig Rauschen,
Den Wirbeln und den Strudeln lauschen
Kannst du hier unten, wie sie oben
Am Tageslicht um Klippen toben.
Hoch steigt grad über uns zum Rand
Des Lurlenberges jähe Wand,
Wir sind in diesem Felsenrund
Im Tiefen auf des Rheines Grund.«
Lurlei blickt sie verwundert an
Und fragt sie. »Wieviel Zeit verrann –?«

»Du warfst dich gestern in den Rhein,
Ich fing dich auf, ich ganz allein,
Und trug stromauf dich her, weil da –«

»Weil er mir untreu ward! ach ja!
Nun weiß ich alles, – am Königsstuhl!
Ich wünscht' ihn in der Hölle Pfuhl,
Den Falschen, der mir Liebe log,
Mit seinem Treuschwur mich betrog.«

»Vergiß ihn, süßes Wogenkind!
Wohl uns, daß wir bei'nander sind!
Mir ist, da ich dich wieder habe,
Versöhnten Schicksals Liebesgabe,
Als ob zu meiner Lust im Rhein
Der Freuden höchste kehrten ein
Und jauchzend jede Welle riefe:
Sei uns willkommen in der Tiefe!«

»Vergessen, Mutter? nimmermehr!
So lang' der Rhein nicht wellenleer!
Du sagtest unterm Vollmond mir,
Der Weg stünd' offen mir zu dir,
So lang' ich noch als Jungfrau käme.
Sieh! daß ich dich beim Worte nähme,
Sprang ich bei Rhense in den Rhein,
Jungfräulich, unberührt und rein.
Jetzt frag' ich: darf ich weiter leben?
Ist ewige Jugend mir gegeben?
Und ist, der Menschen Erdgeschlecht
Zu überdauern, nun mein Recht?«
Sie sah der Mutter ins Gesicht,
Als meldet' ihr das Weltgericht
Im nächsten Wort aus diesem Munde
Nun Urteilsspruch und Schicksalskunde.
Die Nixe streichelte der Bangen
Mit frohem Lächeln Kinn und Wangen
Und sprach. »Ja, Lurlei! ja! du bist
Entledigt aller Zeit und Frist
Und bist mit Jugendreiz gefeit
Und Zauberkraft in Ewigkeit!«
»Oh Dank!« ein heller Jubelschrei
Rang sich aus Lurleis Busen frei.
»Wir wollen,« fuhr Igorne fort,
»Uns wonniglich von Ort zu Ort
Im Strom auf weichen Wellen wiegen,
Uns schwimmend Seit' an Seite schmiegen
Und in der Schwestern munterm Chor
Hernieder tauchen und empor,
Ein gaukelnd Spiel –« »Halt ein, Igorn!«
Rief Lurlei wie gereizt zum Zorn,
»Ich seh' im Geist ein andres Bild,
Und nicht wie du bin ich gewillt.
Die Ewigkeit, die Kraft und Kunst,
Die mir verliehn des Schicksals Gunst,
Brauch' ich zu einem andern Tun,
Und davon will ich nimmer ruhn;
Treibt eures hier, – mein gaukelnd Spiel
Hat bittern Ernst als einzig Ziel.«
»Ein andres Tun? und Spiel zum Trug?
Was meinst du, Lurlei?« forscht' und frug
Igorn bestürzten Angesichts.

»Was, Mutter? . . . Rache!! – weiter nichts!«
Das Wort, wie's in der Grotte schallte,
Gewaltig erst, dann leiser hallte,
Als wenn's vielstimmig widerklänge
Durch endlos lange Felsengänge.

»An ihm willst du dich rächen noch
Als Nixe, frei von seinem Joch?«

»An ihm und allem ohne Wahl,
Was Mann heißt in der Sonne Strahl!
Für jedes Weh und Herzeleid,
Für jeden frech gebrochnen Eid,
Für jedes falsche Liebeswort,
Geflüstert hier, geschworen dort,
Für jeden Händedruck und Kuß,
Um den ein Mädchen weinen muß,
Für jede treu vergessne Tat,
Für jeden schändlichen Verrat,
Von einem Mann verübt auf Erden,
Will ich die Rächerin jetzt werden!
Das Weib, dem einer Liebe lügt,
Das einer ohne Treu betrügt,
Die Jungfrau, die dem Schwure traut,
Beseligt als verschwiegne Braut
Mit ihres Herzens voller Glut
An des Geliebten Brust geruht,
Und wie er ihr den Rücken kehrt,
In Angst und Sehnsucht sich verzehrt
Und hofft und harrt und hangt und bangt,
Ob nichts zu ihr von ihm gelangt,
Der ihre Liebe ganz besaß
Und, fern von ihr, sie längst vergaß,
Die blühend einst, nun welkt und bleicht,
Endlich der Hoffnung Flagge streicht,
In Gram und Bitternis verdirbt,
Verlassen altert, einsam stirbt, –
Das ganze weibliche Geschlecht,
Verkauft, verraten, ohne Recht,
Will ich in alle Ewigkeit
Am Manne rächen weit und breit!«
 

Igorne schüttelte das Haupt:
»Und darum wiederum beraubt,
Und wohl auf lange, soll ich sein
Des Trostes, daß du gänzlich mein?
Was kümmert dich der Menschen Tun?
Wie die sich plagen, wie sie ruhn,
Ob sie sich hassen und verderben,
Ob sie sich lieben, wie sie sterben,
Wie sie ihr elend Leben führen, –
Uns Nixen kann es nimmer rühren.
Darum willst du dich mir versagen?
Willst immer noch den Kranz nicht tragen
Von Wasserrosen, hier gepflückt?
Der jede Nixenstirne schmückt?
O Lurlei! kaum bist du entflohn
Der schnöden Staubwelt, deren Lohn
Nur Undank ist und Neid und Trug,
Und wieder treibt ein wilder Zug
Von Leidenschaft dich schon zurück
Aus dem noch nicht erprobten Glück
Wunschloser Nixenseligkeit
Zu Herzensqual, in Leid und Streit?
Versuch' es erst, mit uns zu leben,
Wirst nimmermehr von hinnen streben!«
»O Mutter, spare jedes Wort!«
Sprach Lurlei, »mächtig treibt's mich fort,
Verloren dünkt mich jeder Tag,
Da nicht die Untreu trifft ein Schlag.«

»Du weißt nicht, eigensinnig Kind,
Wie schön und hold die Schwestern sind.
Wie froh sie spielen hier im Rhein,
In Flut, in Grotten und Gestein;
Vor deinen Augen soll's geschehn,
Du sollst sie hören, sollst sie sehn!«
Nun schlug sie mit der flachen Hand
Eilfertig an die Felsenwand,
Daß laut wie Hammerklang es rief,
Der in der Ferne sich verlief.
Und bald auch Lurleis Ohr vernahm
Ein Tönen, das von weiten kam,
Bald näher drang und lustig klang
Wie Harfenschlag und Rundgesang.
Ein blendend Licht ward in der Halle,
Sie blinkt' und blitzte von Kristalle,
Schien größer noch, als wie zuvor,
Daß sich der Blick darin verlor.
Und sieh! und sieh! auf einmal sprangen
Und schwirrten flink herein und schwangen
Wie Schmetterlinge sich aus Lüften,
Aus tiefen Gängen, finstern Klüften,
Aus Rissen und aus Felsenspalten,
Nur leicht geschürzt um Schoß und Hüften
Mit spinnwebdünnen Schleiers Falten,
Die allerreizendsten Gestalten.
Von Nixen eine große Schar,
An Wuchs und Antlitz wunderbar,
Im langen, aufgelösten Haar
Von dunklem oder lichtem Glanz
Den vollen Wasserrosenkranz,
Begann um Lurlei Spiel und Tanz.
Bald reichten sie zu ihren Weisen
Die Hände sich, in Reih'n und Kreisen
Sich rankend auf verschlungnen Gleisen,
Bald schwebten einzeln auf und nieder
Voll Anmut alle hin und wieder
Im Ebenmaß der schlanken Glieder.
Es war ein zierliches Erpassen,
Ein stürmisch glühendes Umfassen,
Gefälliges Entschlüpfenlassen,
Gemessner Schleifschritt, trippelnd Gehn,
Geschickte Wendung, wirbelnd Drehn,
Behender Sprung auf spitzen Zeh'n,
Ein federnd Schnellen, schaukelnd Wippen,
Ein tändelnd Flattern, schelmisch Nippen,
Holdselig Lächeln auf den Lippen.
Der jungen Leiber schwankes Biegen,
Der schönen Körper üppig Wiegen,
Geschmeidig Winden, kosig Schmiegen,
Es sah sich an, als wenn sie flögen,
Auf Wogen durch die Fluten zögen
Und schlängelnd sich um Klippen bögen.
Dazu im Takte hell erklang
Begleitend der Bewegung Gang
Ein wunderlieblicher Gesang.

                  Fröhlich durch die kühlen Wogen
Schweifen wir daher, dahin,
Schwingen uns in weitem Bogen,
Kommen mit Gesang gezogen
Und mit neckisch leichtem Sinn.
In der Tiefe trautem Dunkel
Leuchtet rotes Goldgefunkel,
Muschel blinkt und Perle glänzt,
Und im holden Dämmerscheine
Schimmern grünlich die Gesteine,
Moosbewachsen, schilfbekränzt.

Oben spiegeln sich die Berge,
Daß ihr Bild gekräuselt schwimmt,
Unten siedeln sich die Zwerge,
Und es lauscht hinab der Ferge,
Ob er Ruf und Rat vernimmt.
Bronnen rauschen, rieseln, schäumen,
Und die weißen Rosen träumen,
Wo's am Ufer still und glatt.
Fischlein huscht durch ihr Geschlinge,
Unkenkön'gin mit dem Ringe
Sitzt und sonnt sich auf dem Blatt.

Komm zu aller Freuden Quelle!
Nur in Fluten kannst du blühn,
Wo im Spiel der flüss'gen Welle
Weiche Tropfen silberhelle
Dir um Brust und Nacken sprühn.
Schmeichelnd wollen wir dich herzen,
Mit dir schäkern, mit dir scherzen
Und uns tummeln Tag und Nacht,
Wollen führen dich im Reigen
Und dir lustig, listig zeigen,
Wie im Strom die Nixe lacht.

                      Es hatte zauberhaft geklungen
Wie Glöcklein, sanft vom Wind geschwungen,
Wie Lied von Nachtigallenzungen,
Artig erheiternd, zärtlich rührend,
Mit Freuden lockend, rasch verführend
Und jede Lust im Herzen schürend.
Und wie sich all die Füßchen schwangen,
Sich all die blanken Arme schlangen,
Die Busen wallten und die Wangen
In den Gesichtern rosig blühten,
Die Locken flogen, Augen sprühten,
Die schmucken Tänzerinnen glühten!
Zu Lurlei hin war das ein Blicken,
Ein Winken, Blinzeln, Lächeln, Nicken,
Als wollten sie sie ganz umstricken.
Zuletzt vor ihr, sie anzuflehn,
Blieb alles starr im Bilde stehn,
Als wär' ein Zauberschlag geschehn.
Die Nixen standen, schwebten, knieten,
Sich ihr behilflich darzubieten,
Und alle baten stumm und rieten:
Bleib hier, bleib hier im grünen Rhein,
Uns Schwester und Gespiel zu sein.
 

Lurlei verharrte stumm und kühl,
Kein liebend schwesterlich Gefühl
Zwang, hier zu bleiben, ihren Sinn.
Igorn sah fragend zu ihr hin;
Sie aber wehrte mit der Hand
Und schüttelte das Haupt und stand,
Die Wimpern halb gesenkt im Neigen;
Im weiten Raum war tiefes Schweigen. –
Als wieder sie den Blick erhoben,
War alles um sie her verstoben,
Grau wieder war das Felsgestein
Und mit Igorne sie allein.
»Ich kann's nicht, Mutter!« sprach sie fest,
»Mein Herz will Rache bis zum Rest!
Und kann ich auch nicht alle würgen,
Die treulos sind, für viele bürgen
Soll mancher mir, mit Todesqualen
Mag einer für den andern zahlen!«

»Wie aber soll es dir gelingen,
Das Ungeheure zu vollbringen?«

Sie lächelte so schadenfroh,
So boshaft blitzend lichterloh
Und sagte. »Das ist leicht getan;
Aus Liebesdrang und Liebeswahn
Will ich mir starke Waffen schmieden
Und tödlich seine Gifte sieden,
Die durchs Gehör, durch Mund und Augen
In Mark und Bein und Blut sich saugen.
Der Schönheit siegende Gewalt
Nutz' ich in wechselnder Gestalt,
Daß ich für eines jeden Sinn
Begehrenswert und köstlich bin.
Mit List will ich die Männer kirren,
Mit allen Reizen sie verwirren,
Mit Liebesliedern sie betören,
Das sie nichts andres sehn und hören
Und blindlings in die Fallen gehn,
Die lockend für sie offen stehn.
Doch den, der glaubt, darin gefangen,
Schnell meine Gunst auch zu erlangen,
Den laß' ich zappeln, lechzen, schmachten,
Mit Seufzen nach Erhörung trachten
Und mach' es, wie es Untreu macht,
Zeig' ihm, was ihn zur Glut entfacht,
Der Wunscherfüllung taumelnd Glück,
Und stoß' ihn dicht davor zurück;
Nichts soll er haben, als allein
Verschmähter Liebe Spott und Pein.
Schwört er, antwort' ich, daß ihm graut,
Ringt er die Hände, lach' ich laut
Und hetz' ihn aus der Hoffnung Schein
In die Verzweiflung ganz hinein,
Daß Sehnsucht ihm das Herz verzehrt
Und das Gehirn zum Wahnsinn kehrt,
Bis er gebrochen sich verkriecht
Und jämmerlich zu Tode siecht.«
 

Im Winkel saß Igorn gekauert,
Von Lurleis Worten tief durchschauert,
Die vor ihr außer Rand und Band
Mit tückischem Frohlocken stand,
Als hätte sie, von Druck befreit,
In haßgetränkter Grausamkeit
Mit ihrem ausgesprochnen Plan
Der Rache Werk schon halb getan.

»Furchtbar ist, Lurlei, was du sinnst,
Verrat und Mord ist, was du spinnst!
Willst wechselnd Antlitz und Gewand
Als fahrend Weib durchziehn das Land
Und in der Hand den Todesspeer,
Würgengel sein dem Männerheer?«

»Nicht fahrend Weib, ich zieh' nicht aus
Auf Männerjagd von Haus zu Haus;
Doch wer sein wallend Herz nicht wahrt,
Wer meines Wesens Sinn und Art
Nicht widersteht, wer mich nicht flieht,
Wenn er mich hört, wenn er mich sieht,
Der wird geködert und umgarnt,
Eh ihn des Zaubers Wittrung warnt.
Fortlebend in der Zeiten Lauf
Tauch' hier und dort ich plötzlich auf,
Gesicht annehmend und Gestalt,
Bekannt im Kreise jung und alt.
Und wenn in Schloß, in Hütt' und Haus
Bei Sang und Spiel, bei Tanz und Schmaus
Umgeht ein liebelockend Weib,
So steckt mein Geist in ihrem Leib,
Und keiner ahnt in seinem Wahn,
Daß Lurlei es ihm angetan.«
 

Kaum war des letzten Wortes Ton
Den Lippen Lurleis noch entflohn,
Als ein gewaltig Brausen klang,
Ein Donnern aus der Tiefe drang,
Das dröhnte, schütterte und rollte,
Als ob der Fels zerbersten sollte.
Und in der Grotte Hintergrund
Erstrahlte jetzt aus tiefem Schlund
Ein Feuerschein wie Morgenrot,
Wie Glut aus einem Schmiedeschlot,
Und wieder ward in Glanz und Glast
Die Höhle weit, der Decke Last,
Gewölbt zur Kuppel, hob sich schnell,
Von Golde glitzernd sonnenhell.
Wie Gold auch funkelte die Wand,
Die rings begrünt von Reben stand
Gleich einer sommerlichen Laube,
Wo schwellend Traube hing bei Traube
Und Rosen blühten, deren Duft
Wie Frühlingshauch durchzog die Luft.
Und da – da kam aus dem Gestein
Den Gang daher der Vater Rhein
Und trat in seiner Königspracht,
Umringt von Nixen und bewacht
Von bärt'gen Zwergen ohne Zahl,
Machtvoll erhaben in den Saal.
Des hohen Greises Gliederbau
Verhüllt' ein Mantel, himmelblau,
Mit goldnen Sternen übersät
Und Runen auf den Saum genäht.
Sein Haupt umschlang ein Rebenkranz,
Lang wallt' in lichtem Silberglanz
Sein Haar und Bart, sein Angesicht
War ernst und stolz, er nickte nicht,
Als sich Igorne tief verneigte
Und Lurlei Furcht und Schrecken zeigte.
Vor seiner mitgebrachten Schar
Stand er hoch aufrecht, groß und klar
Blickt' er auf Lurlei, wandt' in Ruh
Sich ihr mit diesen Worten zu:

                    »Wunsch und Wille, frei enthüllt,
Sei dir fort und fort erfüllt,
Und mit Zaubers Mög' und Macht
Sei bedungen und bedacht!
Einer, den dein Herz verstieß,
Weil er treulos dich verließ,
Schwur bei meinem Wogenkleid
Frevelnd einen falschen Eid.
Nimmer sei ihm das verziehn;
Laß ihn nicht der Straf' entfliehn,
Räch' an ihm Verrat und Not,
Treib' mit Trug ihn in den Tod.

Aber über dich verhängt
Sei der Fluch, der schwer verfängt:

Wenn du einem Untreu lohnst,
Will ich, daß du keinen schonst,
Keinen, der zu dir sich wagt,
Liebend dich um Liebe fragt!

Weil um flüchtig Menschenlos
Du verschmäht der Tiefe Schoß,
Sei, so weit die Welt sich spannt,
Auf den Lurlenberg gebannt!
Schweif' umher, schweb' ab und zu,
Doch nur oben finde Ruh;
Einsam lauernd auf der Lei
Sitz' und singe, Lorelei! –

Tausche nun mit mir zum Bund
Schwur um Schwur von Mund zu Mund
Und empfange, was dich feit
Zu der Jugend Ewigkeit!«

              In einem weiten Ringe schlossen
Sich schnell die lieblichen Genossen
Und standen alle Hand in Hand,
Ein wunderhold lebendig Band,
Um Lurlei und den Vater Rhein,
Die Zwerge knieten hinterdrein.
Da gab in seiner Nixen Kreise
Der Stromgott feierlicher Weise
Lurlei nach Schicksalsspruch und Schluß
Auf Stirn und Mund den Weihekuß,
Und Siegel war es hohem Eid,
Stumm, doch unlöslich in der Zeit.

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