Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Graf Dieter Katzenellenbogen Saß auf der größten Burg am Rhein, Und seiner Grafschaft Grenzen zogen Sich weit herum ins Land hinein. Streng hielt er die von ihm Belehnten Als Zwing- und Schirmherr unter Bann, Rheinzölle hatt' er, Zins und Zehnten Von Bauer und von Rittersmann. Auf Rheinfels mußten sie erscheinen, Ein jeder an bestimmtem Tag, Mit ihren Gülten, großen, kleinen, Nach Pflichtgebot und Lehnsvertrag. Sie hatten Korn und Wein zu bringen Und Vieh und Fische, Huhn und Ei, Auch Hausgerät und Eisenklingen Und seltner Dinge mancherlei; Auf vierbespanntem Ochsenwagen Zaunköniglein an seidnem Band, Maikäfer und, im Kampf zu tragen, Zwei Harnischhandschuh' linker Hand. Gewöhnlich ward der Tag zum Feste Mit seiner Wirte würd'gem Glanz, Geladen wurden edle Gäste Zu frohem Spiel, zu Schmaus und Tanz. Die Bürger Sankt Goars entsandten, Sich ihrer Dienstbarkeit bewußt, Zum Lehnsherrn ihre Amtsverwandten An einem Sonntag im August. Ein Meister trug aus jeder Gilde, Die Brust behängt als ihr Genoß Mit seines Handwerks Wappenschilde, Die Gaben seiner Zunft aufs Schloß. Der Bürgermeister aber führte Den Hofeszug, und üblich war's, Daß man auch eine Jungfrau kürte, Um Namens aller Frau'n Goars Als ihrer Huld'gung sichtlich Zeichen Der Gräfin einen Blumenstrauß Mit einem Sprüchlein darzureichen Aus eignem Herzen frisch heraus. So oft die Wahl auf sie gefallen, War sie von Lurlei abgelehnt, Doch diesmal ward sie unter allen Am meisten von ihr selbst ersehnt. Ihr schien der eine Tag im Jahre Wie keiner dazu angetan, Sich dem erlauchten Elternpaare Lothars auf hohem Schloß zu nahn. Sie hoffte, daß beim Niedersteigen Sie Braut des Grafensohnes hieß, Wenn überhaupt dann nach dem Reigen Die Gräfin sie noch von sich ließ. Es ward gestillt auch ihr Verlangen, Sie ward erwählt und Peter auch, Den größten Lachs, den man gefangen, Dem Herrn zu zolln nach Pflicht und Brauch. Der Lehnstag kam, und Lurlei schickte »Von Graf Lothar?« frug Dankmod weiter, »Den Dank, den wohl ich dem Bereiter »Lurlei, was soll ich davon denken? Den Bürgermeister an der Spitze, Hier waren Herren schon und Damen Beim Aufmarsch schon der Abgesandten |
»Frau'n und Mädchen von Sankt Goar Bringen Euch dienstlich Grüße dar, Wünschen von Herzen treu ergeben Euch Gesundheit und langes Leben Und erflehn des Himmels Segen Aller Zeiten, aller Wegen Eurem gnadenreichen Haus; Des zum Zeichen nehmt den Strauß! Und er sei in Eurer Hand Hohen Glückes Unterpfand, Das in Euren Hulden winkt Der, die Euch zu Füßen sinkt!« |
Der letzte Satz verklang so leise, Daß ihn die Gräfin kaum verstand, Die schnell in ihrer güt'gen Weise Die Knie'nde aufhob an der Hand. Sie sprach, nachdem sie angenommen Den bandgeschmückten Blumenstrauß: »Dank, liebe Lurlei! sei willkommen! Und oh! wie herrlich siehst du aus! Gold im Gelock und Gold im Kleide, – Bist du vielleicht ein Feenkind? Gab zauberkräftig dir die Seide Ein Elfe, der dir wohlgesinnt?« Lurlei, die ahnungslosen Fragen Sich günstig deutend und darob Erschrocken doch, fand nichts zu sagen Auf ihres Aussehns schmeichelnd Lob. Jetzt winkend zu den Gästen blickte Die Gräfin, aber als sie sah, Daß die's nicht merkte, der sie nickte, Rief sie hinüber. »Gisela!« In Lurlei wollte schier erlahmen Herzschlag und alle Lebensspur, Als ob ein Blitz mit diesem Namen Aus heiterm Himmel niederfuhr. Sie hier im Schloß!? – und alles drehte Sich wohl um sie? – doch welche war's? Da kam sie – ha! – dieselbe, stete, Die Unzertrennliche Lothars! Ein lieblich Mädchen, braun von Haare, Schlank und von seiner Züge Schnitt, Mit einem samtnen Augenpaare Und langen, dunklen Wimpern, schritt Auf Lurlei zu mit raschem Fuße In einem schwebend leichten Gang Und bot mit anmutvollem Gruße Die Hand ihr freundlich zum Empfang. Lurlei, in feindlich dunklem Triebe, Reicht' ihre kaum; die Herrin sah's Und sprach: »'s ist Gräfin Schönburg, liebe! Die ich zu nennen dir vergaß. Sieh, Gisela, dies Fischermädchen!« Fuhr sie dann fort, »es heißt gemein, Daß sie die Schönste sei im Städtchen, Ach nein! die Schönst' am ganzen Rhein. Ich glaub's; hast du im Röm'schen Reiche Schon jemals solch ein Haar gesehn?« Dabei ließ sie die Hand, die weiche, Durch Lurleis goldne Wellen gehn. »Fräulein, die Gräfin liebt zu scherzen, So sehn nicht Fischermädchen aus,« Sprach Gisela mit frohem Herzen, »Auf welcher Burg seid Ihr zu Haus?« »Da hast du's, Lurlei!« fiel mit Lachen Die Gräfin Agnes wieder ein, »Wahr ist's, daß Kleider Leute machen, Schaust wirklich wie ein Burgfräulein!« Lurlei war zweifelnd und verlegen, Ob ihr denn hier ein Spott geschah, Und konnte doch des Irrtums wegen Nicht böse sein auf Gisela. Sie kämpfte, ob sie's sagen sollte, Jetzt, hier, mit freiem, stolzem Mut, Daß auch in ihren Adern rollte Halb Grafen- und halb Königsblut. Allein ein bitterer Gedanke Fuhr augenblicks ihr durch den Sinn Und stellte sich als feste Schranke Vor die Entdeckung warnend hin. Dann mußte sie die Mutter nennen Und was ihr diese offenbart Von ihrer Herkunft und bekennen, Daß sie nur halb von Menschenart. Und dies Geheimnis, hier enthüllet, Hätt' all' im Saale, die's gehört, Mit Grau'n vorm Nixenkind erfüllet Und jede Hoffnung ihr zerstört. Da fühlte sie zum ersten Male Den Schatten, der am hellen Tag Wie grauer Nebelduft im Tale Spukhaft auf ihrem Leben lag. Es stand gleich einem mildumflossnen, Süßsanften Veilchen Gisela Vor ihr, der üppig aufgeschlossnen, Doch dornumstarrten Rose, da. Der dunkelblauen Augen Scheinen Sah froh und freundlich in die Welt, Und in der Brust der Jugendreinen War alles klar und glückerhellt. Sie aber, schuldlos auch, umstrickte Das Schicksal mit geheimem Leid, Und wie auf Gisela sie blickte, Wuchs ihr im Herzen Haß und Neid. Doch Antwort gab sie auf die Frage, Auf welcher Burg sie denn zu Haus. »Ihr irrt; aufwuchs ich wie im Hage Die frischen Blumen hier im Strauß In eines Fischers Haus und Garten, In Berg und Tal und Waldesgrün, Und wie die Blumen darauf warten, So freut auch mich des Frühlings Blühn.« Jetzt nahte sich dem kleinen Kreise |
Es pirscht' im Forst alleine ein junger Jägersmann, Am Born auf moos'gem Steine traf er ein Mägdlein an. Gleich saß er bei ihr nieder, gleich nahm er sie in Arm, Sie litt's und küßt' ihn wieder mit Lippen, rot und warm. »Du sollst die Krone tragen, du bist die Schönst' im Land, »Daß Gott! ach hab' Erbarmen, du reicher Königssohn! »Nein, nein! du wirst alsbalde mein herzenstraut Gemahl, Es harrte nun in Bangen auf ihren Schatz die Maid, Doch was er ihr am Bronnen gelobt als ihr Genoß, |
Hinreißend hatte sie gesungen Mit süßem Klang, mit voller Kraft, Und bald auch war der Ton durchdrungen Von tief verhaltner Leidenschaft. Als sie ihr wuchtig Lied beendet, Ging ein Gemurmel durch die Reih'n, Und lauter Beifall ward gespendet, Lothar nur stimmte nicht mit ein. Er nahte nicht, zog rasch besonnen Sie nicht zu seinen Eltern hin: Hier ist die Maid vom Waldesbronnen Und meines Herzens Königin! Ach nein! sie hatt' umsonst gesungen; Der Stimme sehnsuchtsvoller Klang Hatt' allen hier das Herz bezwungen, Nur dem nicht, dessentwilln sie sang. Graf Dieter trat ihr froh entgegen, Am Schloß an einer scharfen Ecke |