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Nun war es Sommer gewesen, Längst war zum neuen Wein Die letzte Traube gelesen Im herbstlichen Sonnenschein. Rasch kürzer wurden die Tage, Falb war und welk das Laub, Die spätesten Blumen im Hage Sanken entblättert zu Staub. Feuchtkalte Nebel hingen Im Tal und auf dem Rhein, Tiefschleppende Wolken gingen Schwerfällig ins Land hinein. Anhaltend schlackernder Regen Den grauen Himmel umspann, Daß es auf Wegen und Stegen, Von Bergen und Felsen rann. Verschleiert schaute nieder Burg Katz auf Fluß und Forst, Mit triefendem Gefieder Ein Falk auf nassem Horst. Und unter ihrem Dache Lothar und Gisela, Im dämmrigen Gemache Trübselig saßen sie da. Zwei Monde waren verstrichen Seit ihrem Hochzeitsmahl, Und schon war ihnen erblichen Des Glückes warmer Strahl. Die Gräfin saß im Erker, Sah traurig ins Tal hinab Wie aus vergittertem Kerker Auf ihrer Hoffnung Grab. Der Graf, der saß beiseite Mißmutig am Kamin, Daß ihm der Brand der Scheite Das finstre Gesicht beschien. Er saß, das Haupt in Sorgen Schwer auf die Hand gestützt, Ein Schuldner, dem kein Borgen Und kein Verschreiben nützt. Es drückt' ein frostig Schweigen Sich an den Wänden entlang, Nur daß im Sinken und Steigen Das Feuer summt' und sang, Die aufgeschichteten Kloben Prasselnd fielen zuhauf Und knisternde Funken stoben Den weiten Rauchfang hinauf. Der Graf starrt' in das Feuer; Aus Flammen und Rauch hervor Tauchten ihm Abenteuer, Gesicht' und Bilder empor. In wehenden Feuerflocken Sah er ein schmerzvoll Haupt, Umflattert von goldnen Locken, Das Antlitz von Asche bestaubt. Der Flammen Züngeln und Saugen, Der Kohlen Glimmen und Glühn Mahnt' ihn an ein Paar Augen Und ihrer Blicke Sprühn. Und wenn er dann, geblendet Vom langen ins Feuer Sehn, Den Blick ins Dunkle gewendet, So sah er ein Weib dort stehn, Die Arme sehnend, suchend Ihm weit entgegen gestreckt Oder ihn wild verfluchend Zornwütig empor gereckt. Er wußt' es wohl, wer lohend Im Feuer sich vor ihm wand, Er wußt' es auch, wer drohend Im Dunkeln hinter ihm stand. Wie langsam ihm versanken Die trägen Stunden im Haus. Niemals aus den Gedanken Kam Lurlei ihm heraus. Er sah sie auch allnächtig Im Traum, die schöne Gestalt Holdselig, liebesmächtig Mit all ihrer Reize Gewalt. Im Mondlicht sah er sie weben Und bei der Sterne Glanz, In Lüften fahren und schweben In gaukelndem Elfentanz. Und wenn mit leisem Säuseln Der Wind die Burg umschlich, In welker Blätter Kräuseln Durch hohe Wipfel strich, So glaubt' er auch zu hören Nachts ihren süßen Gesang, Er hätte mögen schwören, Daß vor dem Fenster es klang: |
Der Mond ist voll, der Mond ist hell, Nun komm heraus, mein Trautgesell, Daß wir uns heiß umfassen. Mir gehn die Augen her und hin, Ob ich denn gar so einsam bin, Kann ja von dir nicht lassen. Es tanzt im Nebel auf den Höh'n. Der Mond ist hell, der Mond ist voll, |
Lothar im weichen Flaume Krümmt sich und windet sich Und seufzt und lallt im Traume: »Ich komme, – wart' auf mich!« Dann fährt er auf vom Pfühle Mit schreckverstörtem Sinn, Mit dumpfem Schmerzgefühle Und horcht zum Fenster hin. Ihn dünkt, er hört ein Klopfen Mit Fingern heimlich, sacht, Ist's Wind? sind's Regentropfen? Doch sternhell ist die Nacht. Es fließt im Dämmermatten Wie weißer Wolken Zug, Es huscht vorüber ein Schatten Wie leiser Eulenflug. In mürrischem Ruhverlangen Wirft sich herum der Graf, Doch kaum hat ihn umfangen Der unterbrochne Schlaf, Kommt wieder auch auf Schwingen Die geisterhafte Mär, Das Segeln und das Singen Vorm Fenster hin und her. |
Es flüstert im Schilf, es wispert im Rohr: »Wo ist dein Liebster geblieben? Und warum versperrt er dir Riegel und Tor? Er muß ja noch immer dich lieben!« So rauscht es in Wellen, so säuselt's im Tann, Schnell öffne das Pförtchen und laß mich herein! Mir nahte noch nimmer und nirgendwo Der Minnigste bist du, der Schönste von all'n |
Es rüttelt und zieht den Grafen Zu neuer Qual empor, Die schmeichelnden Töne trafen Ganz deutlich an sein Ohr. 's ist Lurleis Glockenstimme, Er kennt sie nur allzu gut, Die herzensgefährliche, schlimme, Und ihm wird schwer zumut. Er weiß sich's nicht zu deuten; Hat sie ihm nicht geflucht, Vor vielen tausend Leuten Den Tod im Rhein gesucht? Sie kann nicht wiederkommen, Seit ihren Fluch sie sprach, Sie hat sich das Leben genommen, Weil er die Treue brach! Geht denn mit Flattern und Fliegen Und täuschendem Gesang Ihr Geist, dem Grab entstiegen, Nun spukend die Nächte lang? Oder ob ruhlos irrend Sie doch noch an ihm hängt, Die Tote liebegirrend Sich an den Lebenden drängt? Wie soll sich davor retten Der schwer verstrickte Mann, Und wie zerreißen die Ketten? Schon wieder hebt es an: |
Hoch am Himmel glühn die Sterne, Sehn mich wanken durch die Nacht, Denn du bist und bleibst mir ferne, Und ich hätte doch so gerne Deiner Seele Traum bewacht. Hörst du nicht mein Flehn und Klagen? Meine Augen stehn in Tränen, |
Dem Lauschenden geht dies Singen Ganz eigen ergreifend ein, – Wolln um den Verstand ihn bringen Die buhlenden Melodei'n? Das Flüstern und das Winken, Das Locken mit lächelndem Mund, All seine Sinne trinken Es dürstend bis auf den Grund. Er sieht leibhaftig im Traume, Wie mit der Schönheit Sieg Aus blinkendem Wellenschaume Die kyprische Göttin stieg, Lurlei vor Augen ihm schweben, Dem schwelgenden Blick enthüllt, Sehnsüchtig entgegen ihm streben, Von Liebesverlangen erfüllt. Doch will er sie umfangen, Glaubt er, sie wäre sein, So ist in Dunst zergangen Ihr schimmernd Fleisch und Bein. Und neben sich, bleich von Kummer, Beim Morgendämmerschein Sieht er in leisem Schlummer Sein Weib, schuldlos und rein. Da packt ihn das Entsetzen, Das Mitleid faßt ihn an, In Wahnsinn muß ihn hetzen, Was er nicht tragen kann. Er fühlt's mit reuigen Schmerzen: Zu ihr zog ihn ein Wahn, Er ist mit seinem Herzen Der andern untertan, Und fühlt: wem je berücket Ein Dämon Seel' und Leib, Den freuet und beglücket Nie mehr ein sterblich Weib. Nicht lange bleibt verborgen |
Was willst du hier am klaren Born? Dein Herz ist trüb und schwer, Die Blüt' ist hin, es starrt der Dorn, Die Welt ist liebeleer. Hier vor des Waldes Ohren Hast du mir Treu geschworen, Bist ewig nun verloren, Ich lasse dich nicht mehr! Weil Liebe du gelogen hast, Dein Wort war hold und minniglich, Du gingst und nahmst ein ander Weib |
Der Graf in hartem Büßen Ist auf den Stein gebannt, Machtlos an Händen und Füßen, Wie auf die Folter gespannt. Er ächzt und stöhnt und sendet Ratlos den Blick umher, Und wie der Sang geendet, Erhebt er matt und schwer Sich von dem Sitz und schwanket Heimwärts durchs Waldgeheg, Und wie von Dornen umranket Dünkt's ihn ein Marterweg. Mit wissenden Fingern zeigen Im Tal und den Berg hinan Die Bäume mit ihren Zweigen Auf den beschämten Mann. Es geht ein Schnarren und Schnaufen, Ein Zischeln von Blatt zu Blatt: »Seht doch den Helden laufen, Der Liebe gelogen hat!« Er zieht ins Antlitz die Gogel Vor dem Gespött und Gelach, Doch flattert wie ein Vogel Zum Hohn das Lied ihm nach. Bald pfeift es ihm zur Linken, Bald schmettert's rechts hervor Und schrillt wie Flöten und Zinken Ihm kreischend in das Ohr: »Ich will dich hetzen und jagen, Ich will mit Leid dich schlagen, Am Leben sollst du verzagen!« Wie unter gestohlnen Lasten Flüchtet er keuchend waldein Und stößt im Rennen und Hasten Stolpernd an Wurzel und Stein. Im angstgepeitschten Schritte Bricht kalter Schweiß ihm aus, Doch weiter bei jedem Tritte Schallt's aus der Wipfel Gebraus: »Magst schlafen oder schweifen, Ich will ans Herz dir greifen, Gib mir mein Glück heraus!« Die Sträucher rauschen und knacken, So stürmt er wie der Hirsch Mit des Geweihes Zacken, Gescheucht auf spornender Pirsch, Wenn Hifthorn und Geläute Den stillen Forst durchklingt Und näher und näher die Meute Auf seiner Fährte springt. Das Wams hängt ihm in Fetzen, Fast kann er schon nicht mehr, Doch immer mit Stacheln und Hetzen Gellt's schaurig hinter ihm her. »Ich will ans Herz dir greifen, Gib mir mein Glück heraus!« Erschöpft, halb aufgerieben Bis vor sein festes Haus Hat's ihn verfolgt und getrieben. »Gib mir mein Glück heraus!« Endlich gerettet, geborgen In seinen vier Wänden drin, Wirft er in fiebernden Sorgen Verzweifelnd aufs Lager sich hin. O Jammer! o Pein und Plage! Der Nebel ist gestiegen, |
Das Tal durchhallt mein trauernd Lied, Waldein, waldaus zu fragen, Warum wohl Herz von Herz sich schied, Die Brust an Brust geschlagen. Zerrissen liegen Kranz und Strauß, Und schaurig schallt im Windsgebraus Trostlosen Schicksals Klagen Waldein, waldaus. Mich hält, was einst zu dir mich trieb, Dir läßt es auch nicht länger Ruh, |
»Bis an das Ende der Erde!« Antwortet jauchzend Lothar, »Oh daß ich selig werde! Dein, dein auf immerdar! Lurlei, du Liebe, du Süße! Find' ich dich endlich doch? Ich küsse dir Hände und Füße! Lurlei, du liebst mich noch?« In seinem Freudenrausche, Daß die Geliebte lebt Und wieder zum Herzenstausche Nach ihm den Ruf erhebt, Springt, daß in Steinen und Stufen Geröll vom Abhang scharrt, Dahin er, wo Entzücken Ohn Maßen seiner harrt. Doch sie ist nicht zur Stelle, Nichts rührt sich auf dem Stand, Und nirgends schimmert helle Durch Dämmrung ihr Gewand. Im letzten Abendstrahle Sucht er, – hier war's doch, hier! Da, höher hinauf im Tale, Tönt wieder Gesang von ihr. |
Du fragst, ob ich dich liebe? Weißt du es nicht schon lang? Sagt dir's der Stimme Klang Aus innerstem Herzenstriebe Nicht zitternd, freudenbang? Der Fluch aus meinem Munde, |
Mein Herz ist dein! nie hab' ich Zu lieben dich aufgehört, Nur meine Hand vergab ich, Von einem Wahn betört. Komm! stille mein nagend Wehe, Zeig' mir dein Angesicht, Daß ich dich wiedersehe! Wo bist du? ich finde dich nicht.« |
Willst meinen Leib du umwinden, So steige nur bergan; Wer sichten und suchen kann, Weiß auch die Liebste zu finden, Zum Weibe komme der Mann! |
Es klingt so vielversprechend, Ermutigend ihm ins Ohr, Gestrüpp und Gerank durchbrechend Stürmt wieder er empor Mit heiß erregten Sinnen Und mit unbändigem Blut, Die Liebste zu gewinnen, Daß sie in Armen ihm ruht. Er sieht sie schatten und schweben Lautlos um Busch und Baum Und immer weiter streben Im herbstlichen Waldesraum. Jetzt bleibt zu kurzem Rasten Sie lauschend im Dickicht stehn, Jetzt wieder mit Eilen und Hasten Scheint sie voran zu gehn. Und wie er auch sich sputet, – Hat er sie fast erreicht, Merkt er, daß unvermutet Sie wieder ihm entweicht. Doch als er bis zur Stirne Des Bergs ihr nachgejagt, Da hält er mit brennendem Hirne, Schöpft Atem endlich und fragt: »Du willst noch immer weiter? Des weiß ich keinen Rat, Daß erst du winkst dem Begleiter Und flüchtest, wenn er naht. Wohin willst du mich führen? Und warum wartest du nicht? Ich kann nicht wittern und spüren, Der Wald ist dunkel und dicht.« |
Ich wittre für uns beide Den Weg zur Waldesscheide, Ich spüre mit sichrem Sinne Den Platz für unsre Minne, Ich führe dich mit Gesange, Du folge seinem Klange! |
Lothar mit tastenden Tritten Folgt sehnend ihrem Lied, Das wie mit Geisterschritten Vor ihm hinwandelnd zieht. Es führt ihn auf dem Kamme Noch tiefer ins Dunkel hinein, Vorbei manch altem Stamme Und über Stock und Stein. Der letzte Schimmer erlischet Auf pfadlos finstrem Gang, Mit Lurleis Lied vermischet Sich tönend der Lüfte Gesang. Der Wind macht in den Zweigen Dazu das Saitenspiel, Ein zauberumsponnener Reigen Führt zum verborgnen Ziel. Getragen von tiefem Brausen Das helle Singen schallt, Begleitet von Surren und Sausen, Durchdringt's den schauernden Wald. |
Es wuchs auf einem rauhen Stein Ein Röslein, duftumflossen, Hat sich in Tau und Sonnenschein Zur Rose voll erschlossen. Sie wartet dein am Waldesrand, Komm, pflücke sie mit rascher Hand. Sie blüht für dich allein. Du bist am Herzen krank und wund, O seligsüße Trunkenheit |
Wie auch im Sang sich kündet Verheißungsvolle Huld, Spricht doch, davon entzündet, Lothar in Ungeduld. »Du schwebst und schlüpfst behende, Lockst mit geschwindem Wort Und nötigst mich ohn' Ende Durch Nacht und Wildnis fort. Es schwirrt ein heimlich Grauen Um dunklen Waldessteg, Sag', soll ich dir vertrauen, Wohin geht unser Weg?« |
Bekränzt mit Veilchen und Rosen, Gerüstet zum Hochzeitsfest, Harrt unser zu minnigem Kosen Im Fels ein behagliches Nest. Da schimmern und spiegeln die Wände, Nichts fehlt in dem gastlichen Horte, Frischauf und tapfer gerungen! |
Mit Singen immer gleitet Sie schemenhaft voran, In Hoffen immer schreitet Ihr nach der gläubige Mann. Sie kirrt ihn fort, bald eben Und durch Geklüfte bald, Und zu Geräusch und Leben Erwacht der hohe Wald. Die alten Bäume rütteln Die Kronen, halb entlaubt, Die Sträucher schwingen und schütteln, Es rischelt drin und schnaubt, Und fuchtelnde Zweige schlagen Dem Grafen ins Gesicht, Als ging's an Kopf und Kragen, Er aber ruhet nicht; Er muß durch all das Wogen Gradaus und kreuz und quer, Von einer Kraft gezogen, Die stärker ist, als er. Lurlei scheint siegestrunken, Ihr Lied durchrast die Nacht, Als sprengt' es mit stiebenden Funken Zu Roß in die tosende Schlacht. |
Blase, du Sturmwind, Die Melodei Zu meines Herzens Jauchzendem Schrei! Fächle den Busen mir, Kühle die Stirn, Wirble mir wilde Gedanken ins Hirn! Jage mich, trage mich Hin durch die Nacht, Wettre mich, schmettre mich Nieder mit Macht! Wieder doch flieg' ich Gegen dich an, Beugest mich nimmer, Immer voran Schweb' ich der Sehnsucht, Schleierverhüllt, Bis ich ihr glühend Begehren erfüllt. Wälder vernichten, Länder verwehn Kannst du im Wüten, Mich läßt du stehn! Was meinem Weben Hindernis schafft, Wirket mir doppelt Lebendige Kraft. Alles, was Odem hat, Betet zu mir, Unüberwindlich Trotz' ich auch dir! Nimmer gebietest du, Nimmer mir Halt, Ich bin der Liebe Göttergewalt! – Kommst du, Geliebter? |
»Vorwärts nur meinetwegen! Ich komme schon hinterdrein, Durch Hölle dem Himmel entgegen, Er kann nicht weit mehr sein!« Und immer zu noch geht er, Wie, weiß er selber kaum, Bald stürzt er und bald steht er Und wandelt wie im Traum. Der Wald wird lichter, es dämmert Nun wieder ein matter Schein, Doch immer heftiger hämmert Der Wind von außen herein. Endlich in niedrer Gruppe Steht da der letzte Baum, Kahl hebt die Bergeskuppe Sich an des Gebüsches Saum. Entblößte Klippen liegen Verstreut auf ödem Rain, Knieholz und Wurzeln schmiegen Verkrüppelt sich ans Gestein. Der Sturm mit Fauchen und Pfeifen Fegt über das tote Gefild, Zerfetzte Wolkenstreifen Umflattern das düstre Bild. Abschließend streckt sich im Bogen Der nahen Grenze Lauf, Von Finsternis umzogen, Als hörte die Welt dort auf. Der Graf, enttäuscht, verdrossen, |
Ich liebe dich! oh komm in meine Hütte, Zu meines Lagers traulich stillem Raum, Daß ich mit Glut und Glück dich überschütte Und wir uns ruhn in wonnesüßem Traum! Du sollst dein Haupt an meine Schulter legen Und sollst dich satt an meinen Lippen trinken, Die Nacht ist ahnungsvoll, des Mondes Helle |
Ihm flammt das Herz, er schreitet Glückselig noch weiter hinaus, Sie wartet sein! er breitet Die Arme nach ihr aus Und hält sie fast umwunden, Da ist sie – o Schimpf und Spott! Ihm unter den Händen entschwunden Und er – barmherziger Gott! Er steht – und sieht's mit Schrecken – Hart an des Abgrunds Rand, Die Flügel der Nacht verdecken Den Sturz der Felsenwand. Was er für Dunkel gewähnet, Ist Leere, bodenlos, Die ihm entgegengähnet Aus schwindelnder Tiefe Schoß. Ein Schritt noch, . . . er schaudert und stieret, Gekühlt ist seine Glut, Vor solcher Tücke gefrieret Ihm in den Adern das Blut. »Dreh' dich um!« – aus dem Wesenlosen Ruft's also gebietend, nah; Er tut's, – in Sturmestosen Steht Lurlei vor ihm da. Scharf hebt sich ab vom Dunkeln Die hohe Weibesgestalt, Er sieht das Blitzen und Funkeln In ihrer Augen Gewalt. Sie singt nicht wie noch eben, Sie spricht mit wildem Hohn, Laut durch das Wehn und Weben Schallt ihrer Stimme Ton: »Da bin ich, – des Todes Scherge! Erkennst du dies Gestein? Stehst auf dem Lurlenberge, Dort unten schäumt der Rhein! Hierher wollt' ich dich haben, Kehrst nimmermehr zurück, Der Rhein soll dich begraben, Wie du es schwurst im Glück. Nun leer' auf die Neige den Becher, Den ich dir lange gemischt, Und trinke dich satt, du Zecher, Dort unten an Strudel und Gischt! Nun küsse dir blutig die Lippen In letzter, zuckender Lust Und fliege den starrenden Klippen Im Schwung an die steinerne Brust! Falsch waren meine Lieder, Falsch wie dein Wort und Sinn; Brichst keiner die Treue wieder, Verräter, fahre hin!« Ein Kreischen, ein Winseln und Sausen Geht durch der Lüfte Meer, Ein Stoß, ein Donnern und Brausen, Der Platz am Rand ist leer. Hoch über des Abgrundes Rachen Vom ragenden Felsenturm Fliegt ein frohlockendes Lachen Hinaus in den heulenden Sturm. |