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Die Bärin hat ihre Notunterkunft zu dauerndem Stande gewandelt und hebt sich nun dort auf erhaben aushorchendem Rücken jeden guten Morgen ein frisches Lager aus. Einmal von Fichtenjungstrupp überschirmt, ein andermal von Wurfboden überdacht, ist sie sicherer Fänger jeden Lautes aus den tiefen Gründen unter sich.
Die Jungen haben auch schon gelernt, abends heimliche Gänge mit ihr bis in die Talbeeren, in die Grashänge zu messen und morgens in scharfem Gang die Sicherheit der Höhen zu gewinnen.
An jene Begegnung mit dem Menschen erinnert sie sich deutlich genug, trotzdem schon einige Tage und Nächte hinweggestrichen sind. Und sie wird sie noch den ganzen Sommer in Erinnerung behalten. Es sind nicht nur Heidel- und Erdbeere, es ist nicht nur Gras, was ihrem weiten Umgang Gehalt gibt, es ist auch noch manch zufälliges Allerlei, was spendet: eine abgestandene Forelle am Bachesrand, die guten Reste eines Urhahns nach unverdientem Tode durch den schlimmen Edelmarder. Es sind daneben auch noch seltenere Gerichte: So trifft es sich, daß sie zu viert bei sorglichem Wind auf leisen Sohlen nachtwandeln, als Mutter plötzlich lüstern, aber deutlich anzeigt. Nur Ruhe, nur Verhaltung! Schleichend wie zum Sprung rückt sie näher – ein jäher Satz, in einem der zweite und dritte – ein rascher, aber schonender Schlag unter eine Schirmfichte, und als Rauhbautz und Geschwisterchen herangehoppelt kommen, findet sich in niedrigem Pott ein zappelndes rotes kleines Wesen, das noch lebendes Blut in sich hat. Was tun? Rauhbautz springt als erster zu, schlägt glänzenden Äugleins wilderwacht in das angstfiepende Ding, das erste Lebewesen, das er tötet: ein Rehkitzchen, kaum drei Tage alt. Und unten schallt das Angstgeschrei der Ricke. Mutter aber sieht gerne zu, wie die drei sich bleckend und fauchend, am sprudelnden Schweiß der Beute berauschen.
So lernt ihr!
Es ergibt sich, daß sie durch arg zerrissenes Buchengelände streichen. Kleistrige Nebel hängen sich in die Kanten des Bodens, hagelhartes Wetter zieht heran, die Bäume trotzen gegen den Wind auf, und dumpfe Regennacht verschwemmt jeden Tritt. Bärinmutter trottet glühäugend, hochgespannt voran, den Wind vor der Nase. Fern erzittert der Donner. Solche Nacht ist eine Nacht der Sicherheit, Nacht bester Zufallsmöglichkeiten, Nacht des Raubes, Nacht des Bären. Weiß leuchten die Buchensäulen vor der Nebelwand. Die Alte verhofft. Ein eigener Laut ist ihr plötzlich zu Gehör gelangt, ein Laut, nicht von Wind und nicht vom Baum kommend; ein leises Gequieke ist es, ganz fern noch, fast unhörbar, aber ihr hat er sich doch unfehlbar verraten. Wie sie so dasteht, quillt es unten zwischen den Graustämmen schemenhaft schwarz hervor, ein Stück, zwei Stück und dahinter eine lange Schlange gestreifter Glieder. Die Alte weiß Bescheid: süßholzwurzelnde Sauen mit Frischlingen. Eine befehlende Wendung noch zurück, und sie sinkt weich in sich ein, verschwindet wie vom Boden eingesaugt; die Jungen stocken bewegungslos wie gerammte Pflöcke. Unter schiefem Wind rückt es näher. Kein Windfang empfindet den Gegner. Dumpf murrend, hellauf quiekend zieht es unten heran. Die weißen Buchen regen sich schwarz und rostbraun von unzähligem Gewimmel.
Die Alte lauert. Immer noch trübt keine falsche Luft den Frieden der Bäume. Der Fang klafft, die Lefzen hangen, die Seher gleiten trunken mit. Nun sind die breiten dunkeln Bachen gerade im Gefälle. Die Alte mißt die Entfernung. Noch ist sie groß. Weiter bewegt sich der Gliederwurm. Wie gelähmt starren die Jungen. Jetzt oder nicht mehr! Es wird zu spät. Mit Gebrüll und Dröhnen fährt die Alte in mächtigem Satz aus dem Boden. Die Leitbachen haben im zufahrenden Sturm den Feind erkannt. Da gibt's kein Wehren. Blind besessen stürmen sie zu Tal, die Frischlinge mitreißend. Aber wie in einem einzigen Sprung fliegt die Alte, kaum den Boden streifend, durch die Luft, mitten hinein in das Gewühl der Schwarzbrut – hinterher trennen sich aufhoppend drei Stücke ab von ihr. Im Schlage verzuckt ein Frischling. Einer prellt zurück, gerade vor Rauhbautz hin. Der springt zu, blindverwegen, sinnlos, schwingt blitzgeschwind aus und trifft so glücklich vor das Gebrech des Verblüfften, daß der sich in der Flucht überrollt. Schon sitzt ihm der kleine Angreifer an der Drossel und erstickt das schneidende Gequiek in blutdurstigem Würgen. Die Jagd ist davon. Keuchend, den Lecker abhängend, in verklärender Genugtuung sitzt die Alte auf den Keulen und betrachtet befriedigt das blutwürzige Schlachtfeld, auf dem Rauhbautz Sieger ist, Sieger im ersten Kampf gegen gesundes Leben, während sich die beiden anderen in Mutters Heil teilen. Mutter läßt sie sich ansacken – sie brauchen ja noch wenig –, dann frißt sie den Rest gemächlich in der Ruhe erquickender Entspannung hinunter ...