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Im Steinkohlenbecken

Einhundertundein nebelschauernde Herbste waren im Gehirn des urgreisen Moschul Dumitru Calota vermerkt, des ältesten Hirten im Bergrunde, der es am besten wußte, wie es einst gewesen und wie es dann hereingebrochen war über den Frieden des Schiltales.

Der Retesatgebirgsstumpf und die Mandrakeilspitze behüteten zwischen sich den Jahrmillionenschatz der schwarzen Diamanten im tiefgefalteten Schoß, und nichts in diesem lieblichen, von himmelhohen Buchenbergen umschlossenen Erdenwinkel, dem Wiegenbett der einander angetrauten Quellflüsse, konnte noch verraten, welch ungeheure Licht- und Kraftquellen der Erschließung entgegentrauerten. Sanfte Talweiden, dünnbewachsene Einödhöfe, eine blaue Rauchsäule, eine Bohlenkirche auf bescheidener Anhöhe, Schafgeblök, verlassenes Viehgeglocke, hie und da ein Hundeboll, ein juchender Hirtenruf – so sah das damals von weitem aus, so hörte sich das von den überragenden Höhen an, so kannte es der Bär, so schätzte er es ein.

Wenn die verfemelte Buche streute, wenn der scharfe Nord die müden Bäume abblätterte, wenn mit Spinnglastfäden silbrig besteppte Wiesen sich in dicken Reifhauch kleideten, wenn um die ragenden Gipfel die Stöbernebel hetzten und die armen zerstreuten Einödhöfe sich nach langer, sommerlicher Vereinsamung wieder mit Viehgestampf belebten, dann nahm auch der Bär, der Herr der Urwälder, hatte er es des körnigen Maises wegen nicht früher schon getan, nicht Anstand, zu Tal zu steigen und sich an den herbstlichen Fruchtsegnungen des Landes zu beteiligen oder sein Mitrecht an dem Getier dieses Beckens weiterhin zu wahren.

Rubinrote Vogelbeeren auf Bruchlichten, Hagebutten wie Blutstropfen im Geheck, taufunkelnde Goldkugeln an wilden Apfelbäumen, ein wolliges Schaf aus der Hürde, eine verspätete Kuh im Gebüsch, das war Herbstgericht und Zukost, wie er es seit immer gewöhnt war, bevor er auch von dieser Habe sich durch tiefen Winterschlaf in bergstiller Zurückgezogenheit der Winterhöhle auszuruhen für angebracht sah.

Der Hirte ergab sich der Überlieferung, er wehrte sich mit Knüttel, brennendem Kienspan und Gejohl gegen den Dieb und Räuber »Hoţ mare«; schlug der aber trotzdem ein, ertrug er es grollend und schimpfend, doch er änderte es nicht; und wenn ihm gestern der Bär die eine abgebliebene Kuh riß, überschlief er sorgenlos den Fall: »Ce să fac«! »Was soll ich denn machen?«

So erzählte es oft genug der greise Dumitru Calota, als sich langsam aber stet der eiserne Lindwurm an der Pestera-boli-Höhle vorbei durch langen unterirdischen Gang in das Schilbecken einfraß und sich heißhungrig in die schwarze Kohle bohrte, als fremdes Gesindel sich beutegierig einnistete und die Berge ab- und davonzutragen begann. »Die Welt wird schlechter mit jedem Tage«, sagte er immer, der tiefgebeugte Alte. »Früher war es besser!« Und darin war er ganz einig mit dem Bären, dem alten König dieser Wälder.


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