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10

Eine eingerahmte Fotografie ist nicht schwer zu finden, und schwarze Kästen, in denen Damen ihre Schmuckstücke aufbewahren, sind keine Stecknadeln, die man übersehen könnte. Mr. Mason hätte gern den Sergeanten Elk mitgenommen, aber der war schon mit Inspektor Bray weggegangen.

Wachtposten waren ausgestellt, um den Häuserblock zu beobachten, in dem Louis Landors Wohnung lag. Bray hatte telefonisch gemeldet, daß bis jetzt weder Mr. noch Mrs. Landor nach Hause gekommen waren. Etwas mußte dort nicht stimmen, denn das Dienstmädchen war zurückgekehrt und hatte an der Wohnungstür geklingelt. Sie erzählte Bray, daß sie schon frühzeitig fortgeschickt worden wäre, und daß es zwischen den beiden Gatten, die bis dahin in glücklicher Ehe gelebt hätten, eine Auseinandersetzung gegeben habe. Man hatte ihr gesagt, daß sie erst spät zurückkommen sollte. Bray überredete sie, die Nacht bei ihrer Schwester zu verbringen, die in der Nähe wohnte.

»Etwas Wichtiges hat sie mir mitgeteilt«, sagte der Inspektor am Telefon. »Die Wohnung steckt voller Raritäten aus Südamerika. Und wenn ihre Erzählung wahr ist, sind auch zwei Messer dabei, die genau dem Mordmesser gleichen. Sie sollen in der Diele hängen. Sie beschrieb die Scheide genau und sagte, daß beide die Initialen Landors trügen. Es seien Preise, die er sich in Südamerika geholt habe. Er soll längere Zeit dort gelebt haben.«

»Hängen Sie jetzt ein«, erwiderte Mason. »Berichten Sie mir später wieder hierher oder nach Scotland Yard. Ich stelle jetzt Nachforschungen auf eigene Faust an.«

Auf dem Tisch lag der Inhalt von Mrs. Westons Handtasche. Auch die Injektionsspritze lag dabei, die Dr. Marford gefunden hatte. Sie war alt und sah sehr abgenützt aus, und doch hatte Marford ausdrücklich festgestellt, daß die Frau noch nicht lange morphiumsüchtig sein konnte. Er hatte nur zwei Einstiche an ihrem Unterarm gefunden.

Außerdem lagen noch ein paar Briefe und Rechnungen eines Modegeschäftes im Westen daneben. Offenbar kleidete sich Lorna Weston sehr gut und verwandte viel Geld für ihre persönlichen Bedürfnisse. Ein paar Banknoten, etwas Silbergeld und ein Schlüsselbund vervollständigten den Inhalt.

Den Schlüsselbund steckte Mason in die Tasche und machte sich mit Sergeant Shale auf, um die Wohnung Lorna Westons zu durchsuchen.

Sie wohnte in einer kleinen Villenstraße in der besten Gegend von Tidal Basin. Mason fiel der Luxus auf, mit dem die Räume ausgestattet waren. Die Wände waren mit kostbaren Stoffen bespannt, und überall hingen schwere Bronzekronleuchter. Der Chefinspektor konnte sich ausrechnen, daß eine derartige Einrichtung nicht von einer berufstätigen Frau bestritten werden konnte.

Mrs. Albert hatte gesagt, daß Lorna Weston vor einiger Zeit zu Geld gekommen sei. Das mochte ja eine genügende Erklärung für die Ausstattung der Wohnung sein. Aber es blieb dann immer noch die Frage zu beantworten, warum sie überhaupt in dieser traurigen Gegend wohnte.

Er öffnete die Schublade des kleinen Damenschreibtisches, fand jedoch nichts, was der Mühe wert gewesen wäre. Aber im Schlafzimmer erwartete ihn eine große Überraschung. Die Fächer des Frisiertisches waren herausgezogen, und die Spiegeltür des Kleiderschrankes stand weit offen. Auf dem Flur lagen Kleider verstreut, und zwischen all der Unordnung stand ein schwarzer Kasten. Mason eilte auf ihn zu. Der Deckel war aufgebrochen, und der Inhalt durchwühlt worden. Von einer eingerahmten Fotografie war nichts zu sehen. Eine Papprolle fiel Mason auf. Er schaute hindurch, aber sie war leer. Er vermutete, daß eine Heiratsurkunde darin aufbewahrt worden war. Und so unglücklich eine Ehe auch sein mochte, keine Frau trennt sich freiwillig von diesem Dokument.

Er sah sich gerade nach Fingerabdrucken um, als er ein Paar weiße Baumwollhandschuhe auf dem Bett entdeckte. Der Einbrecher hatte sich also gegen jedes Risiko geschützt. Wann mochte er gekommen sein, und wie war er in die Wohnung gelangt? Weder die Wohnungstür noch die Haustür waren aufgebrochen, nur der schwarze Kasten war gewaltsam geöffnet worden.

»Unten klopft jemand«, sagte Shale. »Soll ich einmal nachsehen, wer es ist?«

»Nein, warten Sie. Ich will selbst gehen.«

Mason eilte die Treppe hinunter und öffnete. Draußen stand eine Frau, die einen Schal um den Kopf gebunden hatte, um sich gegen den Regen zu schützen. Sie schaute Mason ängstlich an und trat einen Schritt zurück.

»Ist hier alles in Ordnung?« fragte sie nervös.

»Keineswegs. Aber beunruhigen Sie sich nicht, ich bin Polizeibeamter.«

Sie atmete erleichtert auf.

»Ich bin die Verwalterin des Hauses gegenüber. Die Dame ist aufs Land gereist, und ich habe mir schon überlegt, ob ich nicht die Polizei rufen solle.«

»Haben Sie denn gesehen, daß jemand in die Wohnung eingebrochen ist?« fragte Mason schnell.

»Ich habe gesehen, wie ein Mann herauskam. Ich hätte mich allerdings nicht weiter um ihn gekümmert, wenn er nicht dieses weiße Ding um den Kopf gehabt hätte.«

»Was für ein weißes Ding? Eine weiße Maske?«

»Das kann ich nicht gerade beschwören, aber jedenfalls hatte er etwas Weißes vor seinem Gesicht. Das habe ich deutlich gesehen, als er an der Straßenlaterne vorbeiging. Ich habe nämlich schon den ganzen Abend Zahnschmerzen und mich deshalb wieder ins Wohnzimmer gesetzt ...«

Er unterbrach sie kurz.

»Wann haben Sie denn den Fremden herauskommen sehen?«

Sie sagte, daß es vor kaum einer Viertelstunde gewesen sei. Später hatte sie auch Mason und Shale beobachtet und war deshalb herübergekommen. Der Chefinspektor fragte noch, wie der Mann gekleidet war, und ihre Beschreibung klang ihm sehr vertraut: ein langer Mantel, der fast bis zur Erde reichte, ein schwarzer Filzhut und eine weiße Maske. Nur ein Kennzeichen war ihm neu: der Mann hinkte stark. Er war nicht in einem Auto gekommen und entfernte sich auch zu Fuß. Die Richtung, in der er verschwunden war, lag entgegengesetzt zu dem Weg, den die beiden Detektive eingeschlagen hatten.

Shale war heruntergekommen und hatte die Angaben der Frau mitstenographiert. Dann gingen die beiden Beamten in die Wohnung zurück und durchsuchten alles noch einmal eingehend in der Hoffnung, daß Weißgesicht noch etwas anderes als seine Handschuhe zurückgelassen hätte. Mason legte sie vorsichtig in einem Briefumschlag und steckte ihn ein.

»Eins ist jetzt klar«, meinte er. »Weißgesicht ist tatsächlich in Tidal Basin zu Hause.«

»Die Bewohner der Gegend sind fest davon überzeugt«, erwiderte Shale. »Die kleinen Diebe und Einbrecher hier verehren ihn geradezu!«

Mason kehrte etwas verwirrt zur Polizeiwache zurück. Die beiden Gegenstände, die zur weiteren Aufklärung des Verbrechens dienen konnten, hatte er in dem Safe eingeschlossen, und als er zurückkam, nahm er den Ring und die Glasröhre heraus. Dr. Rudd konnte ihm vielleicht etwas über den Inhalt der Ampulle sagen. Er öffnete die Tür und rief den diensttuenden Sergeanten.

»Dr. Rudd hat sich wohl schon schlafen gelegt?« fragte er.

»Nein. Vor einer Viertelstunde hat er angerufen und gesagt, daß er noch einmal auf die Wache kommen werde. Er habe eine Theorie, wer der Täter sei.«

Mason seufzte.

»Die wird ja wieder aufregend genug sein! Rufen Sie ihn an und bitten Sie ihn, gleich herzukommen. Erwähnen Sie aber nichts von der Theorie. Er soll feststellen, was für eine Medizin das ist.«

Dann betrachtete er den Rubinring durch ein Vergrößerungsglas, aber dadurch wurde er auch nicht klüger. Quigley wußte etwas von dem Ring, daran zweifelte er nicht im geringsten.

Der Sergeant vom Dienst öffnete die Tür wieder und schaute herein.

»Dr. Rudd ist schon vor fünf Minuten von seinem Haus fortgegangen. Außerdem ist eine Nachricht von Scotland Yard für Sie da.«

Es war eine Mitteilung vom Ermittlungsbüro. Man hatte den geheimnisvollen Donald identifiziert.

»Er heißt Donald Bateman«, berichtete ein Detektiv. »Vor drei Wochen ist er aus Südafrika angekommen. Er logiert im Little Norfolk Hotel in der Norfolk Street. Die Personalbeschreibung stimmt genau mit der überein, die Sie uns gegeben haben, Mr. Mason.«

»Er ist nicht zufällig gerade im Hotel?«

»Nein, wir haben uns erkundigt. Er ist heute abend im Gesellschaftsanzug ausgegangen und hat hinterlassen, daß er nicht vor Mitternacht zurückkommen werde. Seitdem ist er nicht wieder dort erschienen.«

»Geben Sie die Nachricht zum Erkennungsdienst durch«, sagte Mason. »Vielleicht haben wir ein Aktenstück über ihn. Vor allem schicken Sie einen Beamten ins Hotel. Wenn Bateman bis morgen früh um sieben nicht zurückkommt, sollen seine Koffer zum Cannon-Row-Revier gebracht werden. Ich komme dann hin und sehe sie an.«

Damit legte er auf.

»Nun wissen wir wenigstens den Namen. Hat Bray eigentlich schon angeläutet?« fragte er den Sergeanten.

»Nein.«

Mason ging in das Büro des Inspektors zurück und betrachtete wieder den Ring und die Glasröhre.

»Dieser Michael weiß alles über den Ring. Er ist ja fast umgefallen, als er ihn gefunden hat.«

»Woher mögen nur der Ring und die Ampulle gekommen sein?« fragte Shale.

»Wahrscheinlich hatte Bateman beide Gegenstände in der Hand, als er hinstürzte, und sie rollten dann in den Rinnstein. Sie wären auch nicht entdeckt worden, wenn Michael sie nicht gefunden hätte. Der Junge hat wirklich einen fabelhaften Instinkt für solche Dinge.«

Er schaute auf seine Uhr.

»Liegt die Wohnung Dr. Rudds eigentlich weit entfernt von hier?«

»Kaum vier Minuten zu gehen«, erwiderte Shale.

»Dann müßte er doch längst hier sein. Klingeln Sie noch einmal bei ihm an.«

Aber Dr. Rudds Haushälterin bestand darauf, daß er vor zehn Minuten gegangen sei.

»Dann halten Sie einmal auf der Straße Umschau, ob Sie ihn dort sehen«, beauftragte Mason den Sergeanten.

Er wurde plötzlich sehr ernst, denn er mißtraute den Theorien dieses Arztes; aber noch mehr mißtraute er dessen Geschwätzigkeit. Ein Mann, der dauernd sprach und dabei nur einen begrenzten Horizont hatte, mußte unweigerlich irgendwelche Geheimnisse ausplaudern, die die Polizei nicht bekannt werden lassen wollte. Mason hoffte nur, daß Rudd nicht unterwegs einen Freund getroffen hatte. Ungefähr zehn Minuten später kam Shale zurück. Er war bis zum Haus des Doktors gegangen, hatte aber nichts von ihm sehen können, obwohl der Weg verhältnismäßig kurz und übersichtlich war.

»Vielleicht ist er bei Dr. Marford. Rufen Sie einmal dort an.«

Aber auch Marford konnte keine Erklärung geben. Er sagte, er sei in seinem Arbeitszimmer gewesen und Rudd habe im Vorbeigehen an sein Fenster geklopft und ihm gute Nacht gewünscht.

»Er hat mich ordentlich erschreckt«, beschwerte sich Marford. »Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wer es sein könnte, bis ich aufstand und die Vorhänge zurückzog.«

Seine Klinik lag kaum zweihundert Meter von der Polizeiwache entfernt, aber man konnte den Weg noch um fünfzig Meter abkürzen, wenn man durch Gallows Alley ging. Da aber nur die heruntergekommenen Leute, die dort wohnten, diese schmutzige, verrufene Gasse benutzten, war anzunehmen, daß Rudd den längeren Weg gewählt hatte.

In Gallows Alley besaß ein Chinese ein kleines Haus, in dem er unglaublich viele Landsleute einquartiert hatte. In einem anderen Haus lebten vier bis fünf italienische Familien zusammen, und auch in den übrigen Wohnungen hausten Menschen der verschiedensten Nationalität. Man sagte, daß die Polizisten diese Gasse nur zu zweit abpatrouillierten. Aber das stimmte nicht. Sie gingen überhaupt nicht hin, oder höchstens dann, wenn ein Mord aufzuklären war.

Dr. Marford war einer der wenigen Leute, die tags und nachts die Gasse unangefochten passieren durften. Er hätte allerdings haarsträubende Dinge erzählen können, die er in dem engen Durchgang gesehen und gehört hatte. Aber er schwieg darüber.

»Ich glaube nicht, daß er diesen Weg benützt hat«, erwiderte Marford auf Masons Frage. »Aber wenn Sie einen Zweifel haben, will ich auf jeden Fall einmal selbst nachsehen.«

Wieder verging eine halbe Stunde, ohne daß eine Nachricht kam. Viertel vor zwei schickte Chefinspektor Mason alle Reserven aus, um nach dem Doktor zu suchen. Auf telefonischen Anruf kamen Polizeimotorboote, die die Wasserseite abpatrouillierten. Aber es war nichts von Rudd zu entdecken. Er war verschwunden, als ob ihn die Erde verschluckt hätte.

Diese Situation fand Mike Quigley vor, als er auf der Wache erschien. Er ging sofort zu Mason und erzählte ihm offen, was er von dem Ring wußte. Der Chefinspektor hörte ihm resigniert zu.

»Warum haben Sie mir das nun verheimlicht? Das konnten Sie doch wirklich gleich sagen. Daß der Mann Donald Bateman heißt, habe ich allerdings inzwischen auch selbst herausgebracht. Allmählich kommt schon etwas Licht in die Sache -- hallo, Doktor!«

Es war Marford, der sich nach seinem Kollegen erkundigen wollte.

»Wir haben immer noch nichts gehört«, sagte Mason. »Wahrscheinlich hat er entdeckt, daß der Mörder ein Ire war, und ist mit dem Nachtdampfer nach Irland gefahren, um den Mann dort aufzutreiben. Nehmen Sie Platz und trinken Sie Kaffee mit uns.« Er schob ihm eine dampfende Tasse hin. »Mir ist es jetzt auch gleich, wohin er gegangen ist. Ich bin müde. Wenn nur wenigstens dieser Mr. Landor beizeiten nach Hause käme und die Wahrheit erzählen würde! Dann hätten wir am Morgen alle Fäden in der Hand. Aber wenn er seinen Paß und seine dreitausend Pfund in einem Privatflugzeug nach dem Kontinent geschafft hat, bleibt dieser Mord wohl unaufgeklärt. Dann können die Zeitungsreporter wieder ihre Federn wetzen.«

Dr. Marford trank seinen Kaffee aus und ging bald darauf wieder, denn die zweite Geburt war fällig.

Mason begleitete ihn zur Tür.

»Haben Sie sich noch weiter mit dem Fall beschäftigt?« fragte er.

»Ja. Und ich habe jetzt nicht nur eine Theorie, sondern eine feste Überzeugung. Ich kann den Beweis nicht erbringen, aber ich glaube, ich kann sagen, wer der Mörder ist.«

»Ich möchte nur wissen, ob Sie an dieselbe Person denken wie ich.«

Marford lächelte.

»Um seinetwillen hoffe ich das nicht.«

»Das heißt also, daß Sie uns das Resultat Ihrer Schlußfolgerungen nicht mitteilen wollen?«

»Ich bin Arzt und kein Detektiv.«

Mason kam ins Büro zurück und wärmte seine Hände am Kamin.

»Noch keine Nachricht von Bray oder Elk gekommen?«

Er schaute auf seine Uhr, die halb drei zeigte. Fast begann er daran zu zweifeln, daß Mr. Landor jemals in seine Wohnung zurückkehren würde.

Schließlich machte er sich in Quigleys Begleitung auf den Weg nach Gallows Alley. Es regnete nicht mehr, aber die Stärke des Windes hatte nicht abgenommen.

Der Eingang in die enge Gasse sah düster und abstoßend aus, und das kalte Licht einer einsamen Straßenlaterne verstärkte nur den unheimlichen Eindruck. Als die beiden weitergingen, hörten sie plötzlich die heisere Stimme einer Frau, die ein Spottlied auf die Polizei sang.

Mason hatte sich schon immer gewundert, wie gut diese Leute im Dunkeln sehen konnten.

»Sie sind wie die Ratten«, sagte Mike, der seine Gedanken erraten hatte.

Sie hörten wieder Kichern und höhnisches Lachen.

»Sie scheinen überhaupt nicht zu schlafen«, erwiderte Mason verzweifelt. »Es war zu meiner Zeit dasselbe. Man konnte tags oder nachts durch die Gasse gehen, man wurde immer von irgend jemand beobachtet.«

Plötzlich drehte er sich um und rief einen Namen. Eine verschwommene Gestalt löste sich aus dem Dunkel.

»Ich dachte mir doch, daß Sie es sind«, sagte Mason. »Wie geht es denn?«

»Schlecht, Mr. Mason, sehr schlecht«, erwiderte eine weinerliche Stimme.

»Haben Sie Dr. Rudd heute nacht gesehen?«

»Den Polizeidoktor? Nein, Mr. Mason, wir haben ihn nicht gesehen. Niemand kommt die Gasse entlang. Alle fürchten sich, die Leute hier aufzuwecken!«

Wieder Kichern und höhnisches Lachen.

Vor Nr. 9 machte Mason halt. Ein Mann lehnte mit dem Rücken an der Haustür und schnarchte. Er hatte eine alte Decke über seine Knie gelegt, und irgendein Spaßvogel hatte eine leere Blechbüchse über seinem Kopf aufgehängt.

»Wenn sie nicht herunterfällt und ihn aufweckt, wird ihm der alte Wicks einen gehörigen Denkzettel geben, wenn er ihn hier findet!« meinte Mason. »Da reden die Leute immer über die Chinesen im Osten. Aber sie sind wirklich die einzigen anständigen Leute in Gallows Alley, mit Ausnahme des alten Gregory.«

Sie gingen den Weg zurück, den sie gekommen waren, und stießen wieder auf den Mann, mit dem Mason vorher gesprochen hatte.

»Weißgesicht ist heute abend wieder unterwegs, Mr. Mason«, sagte er.

»So?« entgegnete der Chefinspektor höflich.

»Sie behandeln uns nicht richtig, Mr. Mason. Sie kommen immer hierher und erwarten, daß wir alles für Sie auskundschaften sollen. Und wenn Sie uns besser behandelten, würden Sie auch etwas hören. Was ist denn mit dem alten Gregory los? Das wissen Sie nicht, wie? Und sonst weiß es auch niemand.«

Mit dieser geheimnisvollen Bemerkung verschwand er.

»Der Mann ist verrückt. Nein, ich kenne seinen Namen nicht. Aber er ist wirklich verrückt. Zum Teufel, was soll denn mit dem alten Gregory los sein?«

Mike wußte es auch nicht. Er kannte den Chauffeur natürlich, denn Gregory Wicks war eine stadtbekannte Persönlichkeit.

Mason wurde nervös. Ein Detektiv hat ein instinktives Empfinden dafür, ob das, was er hört, wahr ist. Und Mason hatte das Gefühl, daß hinter der Andeutung des Mannes etwas steckte. Denn von Gregory Wicks schlecht zu sprechen oder ihn gar zu verdächtigen, war in gewissem Sinne Verrat.


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