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›John B. Wanager, ein Sprecher des Finanzministeriums, teilt mit, daß falsche Banknoten im Wert von zwanzig Millionen Dollar im Umlauf sind. Diese Nachricht hat größte Bestürzung in Bankkreisen hervorgerufen. Wallstreet zeigte sich sehr beunruhigt. Die Geldscheine sind so vorzüglich gefälscht und gedruckt, daß man nur mit Spezialgeräten in der Lage ist, die Fälschung zu entdecken. Sie müssen irgendwo in riesigen Mengen gedruckt werden, und verschiedenerlei Umstände deuten darauf hin, daß dies in Europa geschieht. Auf irgendeine Weise werden die Scheine unter Umgehung der Zollkontrolle ins Land gebracht und mit Hilfe eines glänzend organisierten Verteilersystems auf den Markt geworfen.‹

Wentworth Gold las diesen Absatz in einer New Yorker Zeitung, aber er regte sich nicht so sehr darüber auf, wie er es noch am Tage vorher getan hätte. Ursache seiner Zuversicht war ein Telegramm, das er in aller Frühe von Maple bekommen hatte. Er war im Begriff gewesen, der Aufforderung nachzukommen, die in dem Telegramm enthalten war, als ihm vom amerikanischen Konsulat ein Brief mit dem Zeitungsausschnitt zugeschickt wurde. Die Sache war nun also allgemein bekannt. Lieber wäre es ihm gewesen, wenn er die Angelegenheit hätte aufklären können, ohne daß viel davon in die breite Öffentlichkeit gedrungen wäre.

Er fuhr zu dem Haus in Peckham und war überrascht, als ihm die Tür von Verity Maple geöffnet wurde. Sie sah kränklich aus, doch bevor er sie danach fragen konnte, stürzte Maple auf ihn zu.

»Kommen Sie herein, Mr. Gold. Ich hab's herausgebracht!«

Erregt packte ihn Maple am Arm und zog ihn in die Küche. Wie gewöhnlich war der Küchentisch bedeckt mit allen möglichen Apparaturen. Maple griff zielsicher in das Durcheinander und nahm ein kleines Schälchen in die Hand, das mit einer farblosen Flüssigkeit gefüllt war. Vorsichtig stellte er es neben ein Häufchen neuer Banknoten.

»Geben Sie genau Obacht!« flüsterte er heiser.

Er tauchte den Finger in die Flüssigkeit und befeuchtete eine Banknote nach der andern jeweils an der linken Ecke. Die erste Note zeigte außer einem kleinen nassen Fleck kein Ergebnis; bei der zweiten war es nicht anders.

»Echte Scheine – echte Scheine«, stieß Maple hervor. Ein triumphierendes Lächeln lag über seinem Gesicht.

Bei dem dritten Geldschein, den Maple mit der Flüssigkeit in Berührung brachte, zeigte sich eine Reaktion, mit der Maple gerechnet haben mußte: Die Stelle, auf die er seinen Finger gedrückt hatte, verfärbte sich lila.

»Das ist die Einwirkung der Flüssigkeit auf das Wasserzeichen«, sagte Maple und probierte es noch mit einem andern Schein. Wieder zeigte sich die gleiche Verfärbung.

Als er alle Banknoten untersucht hatte, breitete er sie auf dem Tisch aus. Ein Teil hatte sich verfärbt, ein Teil nicht.

»Verstehen Sie?« sagte er dann stolz. »Das ist meine Entdeckung, Mr. Gold – die Flüssigkeit hier hat die Eigenschaft, das Wasserzeichen der gefälschten Banknoten zu verfärben.« Er kicherte leise. »In jeder Bank, in jedem Geschäft Amerikas wird eine Zeitlang so ein Schälchen stehen müssen, mit dessen Hilfe man jede Fälschung sofort kenntlich machen kann.«

Gold erkannte sofort die Bedeutung von Maples Entdeckung. Die Methode war ein wenig umständlich, aber sie war wirksam. Mit ihrer Hilfe konnte man in Kürze jede falsche Banknote identifizieren.

»Geben Sie mir das Rezept Ihrer Wundertinktur, es muß sofort an die zuständigen Stellen weitergeleitet werden«, sagte Gold eifrig.

»Nicht so hastig, lassen Sie mir Zeit bis heute abend. Dies hier ist das erste Ergebnis meiner Versuche, ich muß die Rezeptur jetzt noch genau ausarbeiten.«

Gold sah auf seine Uhr; er hätte gern gewartet, bis es soweit war. Jetzt sah er das Ende der Falschmünzerbande vor sich, die ihm so viel Sorge gemacht hatte, und ärgerte sich über jeden Zeitverlust.

»Ich fahre gleich aufs Konsulat. Wann soll ich zurückkommen?«

»Gegen neun Uhr«, sagte Maple.

Verity war bei dieser Unterredung nicht anwesend. Er sah sie im Vorübergehen in dem kleinen Wohnzimmer. Sie saß am Fenster und blickte nachdenklich auf die Straße hinaus.

»Ich möchte mich noch ein wenig mit Ihrer Nichte unterhalten«, sagte er zu Maple und ging in das Wohnzimmer.

Sie sah auf, als er eintrat.

»Wie ich höre, haben Sie Ihre Stelle bei Helder wieder aufgegeben?«

Sie nickte. »Ja, ich bin weggegangen.«

Er wartete, ob sie ihm mehr erzählen würde.

»War er mit Ihnen nicht zufrieden?«

Sie wurde rot.

»Bitte sprechen wir nicht mehr darüber«, bat sie.

»Hm!« meinte Gold. »Es tut mir leid, daß ich Ihnen geraten habe, zu ihm zu gehen.«

Er verließ das Haus und ging zur Peckham Rye Station.

Seine Laune hatte sich sichtlich gebessert, und er schritt aus wie jemand, der keine Sorgen kennt. Er merkte nicht, daß ihm zwei Männer gefolgt waren, die ihn beobachteten, bis er den Bahnhof betrat und auf dem Bahnsteig verschwand.

Der eine hatte dunkle, kurzgeschnittene Haare und eine Narbe am Kinn. Der andere hätte seinem Aussehen nach ohne weiteres für einen Engländer gelten können, doch als er einen Passanten nach der nächsten Telefonzelle, fragte, sprach er mit stark ausländischem Akzent.

Die beiden Männer gingen die High Street hinunter, fanden eine Telefonzelle, und während der eine telefonierte, betrachtete der andere aufmerksam die Auslage eines Geschäfts.

Um sechs Uhr abends erhielt Verity Maple ein Telegramm mit der Aufforderung, nach London zu kommen. Sie ging weg und ließ ihren 0»kel allein bei seiner Arbeit zurück. Einige Stunden später benutzte sie auf dem Rückweg denselben Zug wie Wentworth Gold.

Er traf sie auf dem Bahnsteig der Victoria Station.

»Schön, daß ich Sie getroffen habe«, sagte er. »Ich verspreche Ihnen auch, nicht mehr über Ihren Chef zu reden. Ich weiß einiges über ihn und kann mir vorstellen, daß er Sie belästigt hat.«

»Es scheint mein Schicksal zu sein, daß ich von allen möglichen Leuten belästigt werde«, entgegnete sie mit einem schwachen Lächeln.

»Warum, was ist denn passiert?« fragte er, als sie zusammen in einem Abteil saßen.

Sie nahm das Telegramm aus ihrer Handtasche und gab es ihm. »Ich muß Sie sofort sprechen«, stand dort. Den unterzeichneten Namen kannte Gold nicht.

»Wer hat es geschickt?«

»Einer der Nachlaßverwalter Lord Dellboroughs. Ich dachte natürlich, daß man von mir als seiner früheren Sekretärin eine Auskunft haben wollte – aber ich fuhr ganz vergeblich hin.«

»Warum denn?«

Sie faltete das Telegramm wieder zusammen und steckte es in ihre Tasche zurück.

»Man hatte gar nicht nach mir verlangt. Das Telegramm war nur ein Vorwand.«

»Ein Vorwand?« fragte Gold verwundert. Da stimmte doch etwas nicht ... Aus irgendeinem Grund hatte sie jemand von zu Hause fortgelockt.

Sobald der Zug in den Bahnhof eingefahren war, sprang er heraus und lief mit Verity zum nächsten Taxistand.

»Cristal Palace Road – und fahren Sie so schnell wie möglich.«

Verity sah ihn verwundert an.

»Warum haben Sie es denn so eilig?«

»Oh, nichts ...«

Der Wagen bremste vor dem Haus, und Gold stieg aus. Er nahm sich kaum die Zeit, Verity herauszuhelfen. Dem Chauffeur warf er ein Geldstück zu und lief sofort zur Haustür.

»Warten Sie hier«, rief er Verity über die Schulter zu. »Geben Sie mir den Schlüssel.«

Sie gab ihm den Schlüssel und blieb stehen. Er öffnete und machte einen Schritt in den dunklen Hausgang – sie sah gerade noch, daß er eine Pistole aus der Hüfttasche zog, dann war er verschwunden.

Vorsichtig tastete sich Gold den finsteren Gang entlang, bis er an die Küchentür stieß. Er drückte auf die Klinke und versuchte vorsichtig, die Tür zu öffnen – irgend etwas setzte ihm Widerstand entgegen. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen die Tür, bis sie langsam nachgab.

Er fand den Lichtschalter und übersah gleich darauf die Situation. Maple lag betrunken auf dem Boden, eine leere Whiskyflasche erklärte seinen Zustand hinreichend.

Gold lief zum Tisch.

Das Schälchen war verschwunden, ebenso die Banknoten, mit denen Maple experimentiert hatte.

Gold fluchte zusammenhanglos – genau das war es, was er befürchtet hatte.

Er versuchte Maple aufzuheben, aber das war zwecklos. Der Mann hing so schlaff in seinen Armen wie ein Mehlsack. Ärgerlich ging er zu dem Mädchen zurück, das ihn ängstlich ansah.

»Ihrem Onkel geht es nicht gut«, erklärte er. »Haben Sie Freunde, zu denen ich Sie bringen kann?«

Es war nicht notwendig, ihr zu erklären, was mit ihrem Onkel los war. Sie hatte ähnliche Situationen schon oft genug erlebt.

»Ich – ich habe ein paar Bekannte in der Stadt ...«, flüsterte sie.

Er nickte, schloß die Tür und begleitete sie zum Bahnhof. Erst als er sie sicher in einem Abteil untergebracht hatte, kehrte er zu dem Haus zurück.

Als sein Taxi in die Christal Palace Road einbog, fuhr ein anderes Auto in entgegengesetzter Richtung schnell an ihm vorbei.

Er erreichte das Haus, schloß wieder auf und ging hinein. Im Gang stieß er mit dem Fuß an einen Gegenstand und hob ihn auf. Es war ein feiner Stahlstichel, wie ihn Graveure verwenden.

Er steckte ihn in die Tasche und ging in die Küche.

Aber der Raum war leer – Tom Maple war verschwunden.


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