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8

Helder klingelte, und die junge Dame, die gerade einen Artikel ins Englische übersetzte, unterbrach ein wenig ungehalten ihre Arbeit und ging in sein Büro. Er hatte sie heute schon zweimal gerufen und war jedesmal sehr liebenswürdig zu ihr gewesen.

Als sie eintrat, blätterte er in einem Katalog über Druckereimaschinen.

»Ach, Miss Maple«, sagte er freundlich. »Ich habe nach Ihnen geklingelt, um Ihnen zu sagen, daß ich mit Ihrer Arbeit wirklich sehr zufrieden bin.«

Es waren erst drei Tage vergangen, seit sie ihre neue Stellung angetreten hatte, und sie ärgerte sich fast über dieses Lob.

»Nehmen Sie doch bitte Platz.« Er legte den Katalog beiseite. »Ich habe einiges mit Ihnen zu besprechen.«

»Danke, ich bleibe lieber stehen«, entgegnete sie.

»Wie Sie wünschen. Es stört Sie doch hoffentlich nicht, daß ich sitzen bleibe? Also – erstens möchte ich Ihnen sagen, daß ich Ihnen statt der vereinbarten drei Pfund vier Pfund wöchentlich zahlen werde.«

»Ich denke, Sie zahlen mir genug für meine Arbeit. Es ist doch wirklich nicht viel zu tun.«

»Mit der Zeit wird es mehr Arbeit geben. Wir befinden uns augenblicklich in der stillen Saison. Nebenbei – sind Sie nicht die Nichte einer sehr bekannten Persönlichkeit?«

Sie wurde rot.

»Ich meine das nicht ironisch«, fügte er hastig hinzu. »Thomas Maple hat tatsächlich einen außerordentlichen Ruf. Soviel ich weiß, hat er die neuen österreichischen Banknoten graviert?«

»Ich kümmere mich wenig um die Geschäfte meines Onkels«, erwiderte sie. »Es ist mir nur bekannt, daß er früher Platten für Banknoten graviert hat.«

»Früher?«

»Er lebt jetzt ganz zurückgezogen. Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, Mr. Helder, möchte ich lieber nicht über meinen Onkel sprechen.«

Er lächelte wohlwollend.

»Meine liebe Miss Maple, ich wollte mich nicht in Ihre Privatangelegenheiten einmischen, aber interessante Leute beschäftigen mich nun einmal.«

Er schaute sie an. Sie war wirklich außerordentlich hübsch, und er betrachtete es als einen persönlichen Erfolg, daß er sie für sein Büro hatte gewinnen können.

»Ich werde Sie Verity nennen«, sagte er plötzlich.

Sie wurde rot und sah zur Seite.

Er ging auf sie zu und legte ihr seine Hände auf die Schultern, während sie ihn starr vor Schrecken anblickte.

»Verity, wir müssen gute Freunde werden. Aber – zuvor möchte ich, daß Sie mich besser kennenlernen.«

Bevor sie eine abwehrende Bewegung machen konnte, legte er den Arm um sie. Sie stieß einen Schrei aus.

»Seien Sie doch ruhig«, flüsterte er aufgeregt. »Sie machen ja die Leute im ganzen Haus aufmerksam!« Er war wütend über sich selbst. Wie hatte er nur so die Beherrschung verlieren können.

Ohne ein weiteres Wort rannte sie zur Tür, doch bevor sie diese öffnen konnte, hatte er sie eingeholt und gepackt.

»Lassen Sie sich ja nicht einfallen, irgend jemandem etwas zu erzählen – auch Ihrem Onkel nicht! Verstehen Sie mich?« Er schüttelte sie wild hin und her. »Und morgen früh kommen Sie wie gewöhnlich wieder hierher. Wenn Sie es nicht tun, werde ich Sie finden – und dann gnade Ihnen Gott! Ich brauche nur gewisse Dinge, die ich weiß, den Leuten zu erzählen ...«

»Lassen Sie mich gehen«, bat sie leise.

Er riß sie wieder an sich; es war ihm anzusehen, daß er nicht mehr richtig wußte, was er tat.

Sie schrie, so laut sie konnte – in diesem Augenblick öffnete sich mit einem Ruck die Tür, und Comstock Bell kam herein.

Helder ließ Verity sofort los. Er war jetzt so blaß wie sie und zitterte an allen Gliedern. Der Blick, mit dem Bell die Szene überflog, sagte ihm, daß er durchschaut war.

»Das Mädchen hat sich mir in die Arme geworfen«, begann er keuchend. »Wirklich ...«

Bell sah von ihm zu Verity hinüber, die totenbleich und mit geschlossenen Augen an der Wand lehnte.

»Helder, Sie sind ein dreckiger Lügner. Glauben Sie vielleicht, Sie könnten mich hinters Licht führen? Sie haben sich wie ein Schuft benommen, und das sind Sie ja schließlich auch. Jeder weiß das.«

Verity öffnete die Augen und sah ihn an; einen Augenblick lang begegneten sich ihre Blicke, dann schwankte sie und machte einige taumelnde Schritte auf ihn zu. Bell fing sie auf trug sie in das Nebenzimmer und setzte sie in einen Sessel. Sie fühlte sich bald wieder wohler und dankte ihm für seine Hilfe. Er sah sie nachdenklich und interessiert an.

»Erholen Sie sich hier ein wenig«, sagte er dann freundlich. Ich werde Helder solange beschäftigen. Wenn Sie sich wieder besser fühlen, verlassen Sie schnell das Haus, nehmen ein Taxi und fahren heim.«

Sie nickte, und er ging in Helders Büro hinüber, wo Helder ärgerlich und wütend an seinem Schreibtisch saß. Comstock Bell schloß die Tür hinter sich und schaute ihn verächtlich an.

»Sie sind doch wirklich ein elender Schuft«, sagte er. »Eigentlich sollte ich Sie am Kragen packen und Zum Fenster hinauswerfen.«

Helder erwiderte nichts. Er schaute Bell nur von unten herauf mit einem haßerfüllten Blick an.

Comstock Bell zog sich einen Stuhl in die Nähe des Schreibtisches und setzte sich.

»Da ich nun einmal hier bin, möchte ich doch noch die Sache besprechen, wegen der ich herkam.«

Helder nahm sich zusammen. Obwohl er wußte, daß Bell der letzte war, der solche Geschichten weitererzählte, kam ihm doch zum Bewußtsein, daß ihn dieser Mann jetzt völlig in der Hand hatte. Es würde einen Skandal ohnegleichen geben.

»Über das, was ich gerade gesehen habe, will ich mit Ihnen nicht mehr reden«, begann Bell. »Wenigstens vorerst nicht... Jetzt erzählen Sie mir vor allem, was Sie über Willetts wissen ...«

»Interessiert Sie das wirklich so sehr?« entgegnete Helder mißmutig.

»Ich möchte alles wissen, was mit Willetts zusammenhängt«, entgegnete Comstock Bell ruhig.

Helder stand auf und ging in seinem Büro auf und ab. Er mußte versuchen, unter allen Umständen Herr der Situation zu bleiben. Plötzlich drehte er sich um.

»Willetts war der Mann, der unter Umständen, die Ihnen bekannt sind, eine Fünfzigpfundnote fälschte. Das ist allerdings schon lange Zeit her, aber die Polizei hat jetzt einen Haftbefehl gegen ihn erlassen.«

»Das ist mir bekannt.«

Bell verriet keinerlei Erregung.

»Außerdem habe ich Grund zu der Annahme, daß Sie von den Fälschungen wußten oder sogar daran beteiligt waren.«

»So, nehmen Sie das an?« fragte Bell.

»Sie haben Willetts finanziert – und jetzt beabsichtigen Sie aus irgendeinem Grund, ihn anzuzeigen.«

»Wer erzählte Ihnen denn das?«

»Ich habe es zufällig herausgebracht und erhielt vorige Nacht den Beweis dafür.«

»Was ist das für ein Beweis?«

»Sie waren doch gestern im Terriers-Klub, nicht wahr?«

»Stimmt, ich hielt mich einige Zeit dort auf.«

»Sie schrieben einen Brief, trotz Ihrer angeblich verletzten Hand.«

Er zog ein Fach seines Schreibtisches auf und holte ein Löschblatt heraus.

»Damit haben Sie den Brief abgelöscht«, sagte er triumphierend. »Soll ich Ihnen sagen, was darin steht?«

»Machen Sie sich keine Mühe«, erwiderte Bell kühl.

»Sie schrieben folgendes an Morrison von Scotland Yard: Der Mann, den Sie in Verbindung mit der Fälschung einer Fünfzigpfundnote bringen können, ist Harold Willetts. Er arbeitet augenblicklich als Börsenmakler in der Little Painter Street. In acht Tagen wird er vermutlich in die Stadt zurückkommen, und Sie werden in seinem Büro und bei ihm selbst genug Belastungsmaterial finden, um ihn des Verbrechens überführen zu können.«

Helder faltete das Löschblatt zusammen, das er gegen das Licht gehalten hatte, und legte es in die Schublade zurück.

»Haben Sie das geschrieben?«

»Vielleicht.«

»Es war wirklich ein Glückszufall, daß ich in den Besitz dieses ›Duplikats‹ kam. Und Sie«, fuhr er fort, »wagen es, mir Vorschriften darüber zu machen, was ich tun und lassen soll. Ein Mensch, der einen anderen verrät, um sich selbst zu retten! Mr. Bell« – er lehnte sich über den Schreibtisch, und seine Stimme zitterte vor Wut – »ich könnte Sie ruinieren, wenn ich wollte!«

Comstock Bell schwieg einen Augenblick.

»Das wiederholen Sie besser nicht noch einmal«, sagte er dann langsam und betonte jedes Wort.

Helder ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen und starrte ihn an. Bell nahm seinen Hut und ging zur Tür.

»Das Fälschen von Geldscheinen scheint in unseren Kreisen allgemein beliebt zu sein«, sagte er und sah Helder verächtlich an. »Die einen machen sich ein Vergnügen daraus – andere betreiben es kaltblütig aus Profitgier.«

Er wählte alle seine Worte mit großer Überlegung.

»Ich habe erfahren, daß Sie eine kleine Druckerei in Shropshire besitzen. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, so schließen Sie dieses Geschäft und bringen Ihre Zeichner und Graveure in eine weniger gefährliche Umgebung.«


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