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Selbst Wilbur Smith wußte nicht sehr viel von den Scheinen mit dem gelben Stempel auf der Rückseite, aber alles, war es wußte, erzählte er, als sie sich nach einer halben Stunde in einem Restaurant gegenübersaßen.
»Als ich das erste Mal einen solchen Stempel sah, hatte er tatsächlich Goldfarbe. Er war auf die Rückseite einer Tausenddollarnote gedruckt und mit Goldbronze eingepudert worden. Außerdem stand noch mit grüner Farbe das Wort ›Hades‹ darunter. Übrigens kannst du im Lexikon nachlesen, was dort unter ›Hades‹ steht. Diese Tausenddollarnote kam auf seltsame Weise in meine Hand. Im Osten wohnte eine arme Frau, die als Dienstmädchen in einem der Brooklyn-Hotels arbeitete. Sie erzählte mir eine sonderbare Geschichte. Als sie eines Abends nach Hause zurückkehrte, kam ein Mann hinter ihr her, steckte ihr einen Stoß Banknoten in die Hand und ging weiter. Verblüfft lief sie in ihre Wohnung und machte Licht. Als sie dann die Scheine genauer betrachtete und zählte, stellte sich heraus, daß er ihr die Summe von hunderttausend Dollar in die Hand gedrückt hatte. Sie traute ihren Augen nicht und nahm an, daß sich jemand einen Scherz mit ihr gemacht hätte. Sie glaubte wie du, daß es sich um falsches Geld handelte, legte es unter ihr Kissen und nahm sich vor, am nächsten Morgen jemand danach zu fragen, ob es sich um echte Banknoten handelte. In der Nacht wachte sie aber plötzlich auf, denn sie hörte, daß sich jemand in ihrem Schlafzimmer befand. Sie wollte gerade um Hilfe schreien, als ihr jemand sagte, sie solle sich ruhig verhalten. Dann wurde eine Taschenlampe angeknipst, und die Frau sah, daß nicht nur einer, sondern drei Leute mit schwarzen Masken vor ihrem Bett standen.«
Frank sah den Detektiv erstaunt an.
»Sag mal, willst du mich zum besten halten?«
Wilbur Smith schüttelte den Kopf.
»Nein, ich spreche vollkommen ernst. Die Leute fragten, wo sie das Geld hätte. Sie war sprachlos vor Schrecken, als sie die Revolver sah, die auf sie gerichtet waren, und zeigte unter das Kissen. Dann fiel sie in Ohnmacht. Als sie wieder zu sich kam, war das Geld verschwunden bis auf eine Banknote, die die drei Räuber in der Eile übersehen haben mußten. Sie brachte den Schein am nächsten Tag zum Polizeipräsidium und erzählte dort ihre seltsame Geschichte. Mein Chef glaubte, daß sie die Geschichte erfunden und die Banknote aus dem Hotel gestohlen hätte, in dem sie arbeitete. Er nahm an, daß sie später Gewissensbisse bekam und sich dann diese Geschichte ausdachte, um sich herauszureden.«
»Und hatte er recht?«
»Nein. Ich nahm die Aufklärung des Falles in die Hand und erkundigte mich in dem Hotel. Es fehlte kein Geld, und die Leitung stellte der Frau das beste Zeugnis aus. Sie war absolut ehrlich trotz ihrer Armut. Es blieb uns nichts anderes übrig, als ihr die Tausenddollarnote zurückzugeben. Damals bekam ich zum erstenmal den Stempel mit dem goldenen Hades zu sehen.
Das zweite Mal geschah es unter ähnlich sonderbaren Umständen. Die Banknoten befanden sich im Besitz eines gewissen Henry Laste, eines gewerbsmäßigen Spielers. Einer unserer uniformierten Polizisten hatte ihn in betrunkenem Zustand auf der Straße aufgelesen und zur Polizeistation gebracht. Zufällig kam ich gerade dazu. Als die Taschen des Mannes durchsucht wurden, fand man acht solcher Banknoten zu je tausend Dollar. Wir sorgten dafür, daß er wieder nüchtern wurde, und dann erzählte er uns eine geradezu unglaubliche Geschichte. Seine Frau hätte diese Banknoten zwischen den Blättern eines Buches in einer öffentlichen Bibliothek gefunden. Er machte diese Aussage etwa um acht Uhr morgens, und ich selbst war dabei, als das Protokoll ausgefertigt wurde. Ich ging sofort zu seiner Wohnung, um seine Frau auszufragen. Er wohnte in einem Mietshaus; als wir aber an die Tür klopften, erhielten wir keine Antwort. Ich ahnte, daß etwas Besonderes hinter all diesen merkwürdigen Vorgängen stecken mußte, ging zu dem Verwalter des Hauses und bat ihn, die Tür mit dem Hauptschlüssel zu öffnen.«
»War die Frau ausgegangen?«
Wilbur schüttelte den Kopf.
»Wir fanden sie in der Wohnung, aber sie war tot. Eine Kugel aus einer automatischen Pistole hatte sie mitten ins Herz getroffen. Alle Räume waren durchsucht, die Schubladen umgekehrt, die Kleiderschränke aufgerissen. Die einzelnen Jacken und Hosen lagen auf dem Boden verstreut . . .«
»Ach, das ist der berüchtigte Higgins-Mord«, erwiderte Alwin atemlos.
Wilbur nickte ernst.
»Ja, der berüchtigte Higgins-Mord.«
»Und hast du weitere Banknoten in der Wohnung entdeckt?«
»Nein. Wir wollten den Mann unter Anklage stellen, diesen Mord verübt zu haben, aber es fiel ihm nicht schwer, ein Alibi beizubringen. Er war in einer Spielhölle gewesen und hatte dort zuviel getrunken. Um ein Uhr hatte ihn der Polizist auf der Straße gefunden; zehn Minuten nach zwei wurde der Mord verübt. Ausnahmsweise war es möglich, diesen Zeitpunkt so genau festzustellen. Der Schuß, mit dem die arme Frau niedergestreckt wurde, war aus nächster Nähe abgegeben worden und hatte solche Durchschlagskraft gehabt, daß er noch einen Wecker auf dem Nachttisch traf und dadurch zum Stehen brachte. Die Zeiger standen auf zehn Minuten nach zwei.«
Die beiden saßen sich eine Weile schweigend gegenüber und sahen sich an. Die Unterhaltung der Gäste und das Klappern von Geschirr klang Frank Alwin in den Ohren, und plötzlich kam ihm zum Bewußtsein, daß auch er in Gefahr schwebte.
»Ich verstehe«, sagte er langsam. »Alle Leute, die mit diesen gestempelten Banknoten in Berührung kommen, wurden . . .«
»Überfallen«, versetzte der Detektiv. »Und aus diesem Grund werde ich dich heute abend auch nicht aus den Augen lassen, Frank.«
Die beiden waren seit vielen Jahren miteinander befreundet. Frank Alwin war Schauspieler im Coliseum-Majestic-Theater, und dem Detektiv Wilbur Smith war es gelungen, mehr Verbrecher zu fassen als irgendein anderer Angestellter des Polizeipräsidiums.
Frank Alwin hatte während des Krieges drei Jahre lang im Geheimen Nachrichtendienst gedient, und wenn er nicht ein so glänzender Schauspieler gewesen wäre und ein so großes Vermögen besessen hätte, würde er sich bei der Polizei mindestens ebenso ausgezeichnet haben wie sein Freund.
»Mir ist die ganze Sache unheimlich«, sagte Alwin nach einer Weile. »Wer war denn eigentlich dieser Pluto?«
»Der Gott der Unterwelt. Ich habe herausgebracht, daß es tatsächlich auch heutzutage noch überspannte Leute gibt, die ihn verehren. Man müßte einmal in einem Lexikon genau nachsehen, welche Rolle er in der antiken Mythologie gespielt hat.«
In diesem Augenblick trat ein Kellner an den Tisch.
»Mr. Alwin, Sie werden am Telefon verlangt.«
Frank erhob sich, und der Detektiv wollte ihm folgen.
»Mach dir nur keine unnötigen Sorgen«, lachte Frank. »Die werden mich durchs Telefon nicht erschießen können. Und auf keinen Fall bekommen sie das Geld, da du es ja selbst in der Tasche hast.«
Zwei Minuten vergingen, und Frank Alwin kehrte nicht zurück.
Nach fünf Minuten wurde Wilbur unruhig und winkte einem Kellner.
»Gehen Sie einmal in die Vorhalle und sehen Sie nach, ob Mr. Alwin noch in der Telefonzelle ist.«
Der Mann kam kurz darauf wieder zurück.
»Mr. Alwin ist nicht dort.«
»Zum Teufel, was soll denn das heißen? Er ist nicht dort?«
Wilbur Smith sprang auf, stieß hastig den Stuhl zur Seite und lief in die große Halle. Der Portier an der Tür sagte, er hätte nicht beobachtet, daß Mr. Alwin hinausgegangen wäre. In den letzten fünf Minuten war er allerdings nicht auf seinem Posten gewesen. Dagegen hatte er draußen ein Auto gesehen, das vor dem Hoteleingang wartete. Bei seiner Rückkehr war es verschwunden.
Wilbur Smith eilte auf die verlassene Straße hinaus, aber obwohl er sich nach allen Seiten umschaute, konnte er doch niemand sehen. Der Hoteleingang wurde von zwei großen Bogenlampen hell erleuchtet. Am Rand des Gehsteigs sah Wilbur etwas liegen, ging darauf zu, bückte sich und hob es auf. Es war Franks Hut, zusammengeballt und feucht. Der Detektiv trug ihn näher ans Licht – ein Blick genügte ihm. Mit einer Hand hatte er das Innere berührt, und als er sie herauszog, war sie rot von Blut.