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Wir haben in Paris Geld, um ganze Reiche zu kaufen, wir sehen täglich, was unserer Stadt fehlt, und wir tun nichts als kritisieren. Da gehen wir am Louvre vorüber und seufzen darüber, daß das Wunderwerk der Fassade Ludwigs XIV. hinter gotischen und vandalischen Gebäuden versteckt liegt. Mit Recht erröten wir darüber, daß unsere öffentlichen Märkte in engen Straßen liegen und uns durch Unsauberkeit, Unordnung, schlechte Düfte belästigen. Große Stadtviertel verlangen gebieterisch öffentliche Plätze. Und während der Triumphbogen des Saint-Denis-Tores, das Reiterstandbild Heinrichs des Großen, Heinrich der Große – Heinrich IV. – frz. König, der erste Bourbone, spielte in den Hugenottenkriegen als Feldherr eine bedeutende Rolle, um König zu werden, mußte er zum Katholizismus übertreten. Er baute das vom Bürgerkrieg zerrüttete Land wieder auf und sicherte durch das Edikt von Nantes allgemeine Religionsfreiheit, es wurden mehrere Attentate auf ihn verübt, dem von 1610 erlag er schließlich. die beiden Brücken und prächtigen Uferstraßen, während der Louvre, die Tuilerien, die Elysäischen Felder die Schönheiten des alten Roms erreichen oder übertreffen, stellt der dunkle, zusammengepferchte, scheußliche Kern unserer Stadt noch das Zeitalter der rückständigsten Barbarei dar. Das sagen wir unaufhörlich. Wie lange wollen wir es noch sagen, ohne Hand anzulegen?
Wem kommt es zu, die Stadt schöner zu gestalten als den Bewohnern, denen sie Wohlstand und Genüsse in verschwenderischer Fülle bietet? Es ist Zeit, daß die Männer, die an der Spitze der üppigsten Hauptstadt Europas stehen, sie auch zur komfortabelsten und prächtigsten machen. Ist es nicht eine Schande, daß wir uns mit etwas Feuerwerk begnügen, das wir vor einem häßlichen Gebäude auf einem Platz abbrennen, der für Hinrichtungen von Verbrechern bestimmt ist? Man stecke sich seine Ziele etwas höher. Wir brauchen nicht bloß einen Platz und ein Standbild des Königs, von dem man in Paris schon lange redet, während London uns das Beispiel gibt, wie man handelt, sogar mitten im Krieg. Wir brauchen öffentliche Märkte, wir brauchen Springbrunnen und zwar solche, die auch Wasser spenden, regelmäßige Straßenzüge und Straßenkreuzungen, Schauspielhäuser; man muß die engen, verpesteten Straßen erweitern, die Monumentalbauten, die man nicht sieht, frei legen, neue bauen, die man aber auch sieht.
Aber alle diese Projekte stoßen auf spießbürgerliche Gesinnung, auf die gemeine Angst vor den Kosten für das, was man doch einmal unternehmen muß, koste es was es wolle. Aber es ist ganz sicher, daß das den Staat nichts kostet. Das Geld, das man an diese Arbeiten wendet, wird jedenfalls nicht Fremden ausbezahlt. Ja, wenn man das Eisen aus Deutschland und die Steine aus England kommen lassen müßte, dann wollte ich es noch gelten lassen, daß man in diesem unwürdigen Stillstand verkommt. Aber der Staat verliert ja gar nichts, er gewinnt bei diesen Arbeiten. Alle Armen werden in wertvoller Weise beschäftigt, mit dem Umlauf vermehrt sich das Geld. Das Volk, das arbeitet, ist immer das reichste Volk.
Aber wo soll man die Kapitalien hernehmen? Da, wo die römischen Könige sie holten, als sie in den Zeiten der Armut jene unterirdischen Gewölbe bauten, die noch sechs Jahrhunderte später die Bewunderung des reich gewordenen, des triumphierenden Rom erregten. Sind wir am Ende weniger gewerbefleißig als die alten Ägypter, deren Pyramiden ich ja nicht rühmen will, weil sie bloß geschmacklose Prunkbauten waren, aber an deren wunderbare Nutzbauten ich erinnern möchte? Ist denn weniger Geld in Paris als seinerzeit im neuzeitlichen Rom, als es Sankt Peter baute, dieses Meisterwerk der Pracht und des Geschmacks und so viele andere Werke der Baukunst, in denen das Nützliche, das Edle und das Wohlgefällige sich vereinigen? London war nicht so reich wie Paris, als seine Aldermänner Aldermann – generell der Anführer einer Gruppe, z. B. bei der Hanse oder im Handwerk die Sankt-Pauls-Kirche bauten, diese zweite Kathedrale Europas, vor der wir uns mit unserer gotischen schämen müssen. Wo wir Kapitalien hernehmen sollen? Ja, fehlt es uns denn an solchen, wenn es gilt, Wohnräume und Wagen vergolden zu lassen, wenn wir alle Tage Festmähler geben, die der Gesundheit und dem Vermögen nur schaden und die uns schließlich ganz geistlos machen; ja, wenn wir nur an den Umlauf des Geldes, das im Spiel drauf geht, denken? Nach meiner Berechnung sind in zehntausend Häusern wenigstens tausend Francs in Gewinn und Verlust pro Haus und pro Jahr im Umlauf (es könnte auch die zehnfache Summe sein); dieser Posten allein beläuft sich auf zehn Millionen, die man leicht flüssig machen könnte.
Heinrich IV. hatte vierzig Millionen Livres in seiner Schatzkasse; die Bürger von Paris haben sicher sechsmal so viel in gemünztem Geld. Also können die reichen Pariser Bürger ein Wunder von Pracht aus ihrer Stadt machen, wenn sie nur ein bißchen von ihrem Überfluß hergeben. Wird ein begüterter Mann zu sagen wagen, wenn es sich um den Vorteil des Publikums und seinen eigenen handelt: »Hundert Franken sind mir zuviel.« Wenn er so gering ist, so zu denken, so wird er nicht so schamlos sein, so zu sagen. Es handelt sich also nur darum, die Gelder, die da sind, flüssig zu machen, wofür es hundert Mittel und Wege gibt – und in weniger als zehn Jahren ist Paris das Wunder der Welt.
Als London von den Flammen zerstört wurde, London von den Flammen zerstört – London, der Große Brand von: 1666 verwüstete ein verheerendes Feuer 13.000 Gebäude sagte Europa: »Der Wiederaufbau braucht mindestens zwanzig Jahre.« In zwei Jahren erstand es wieder, und zwar prächtig. Wenn halb Paris verbrennen würde, wir würden es wieder aufbauen, stolz und wohnlich. Und heute wollen wir ihm nicht die Behaglichkeit und den Glanz geben, die es braucht, mit Kosten, die tausendmal geringer sind? Und ein solches Unternehmen wäre doch eine Ehre für die Nation wie für die Pariser Stadtkörperschaft; es würde die Künste fördern, würde die Fremden von den Enden Europas anlocken, würde den Staat reicher und nicht ärmer machen, würde tausend unwürdige Faulenzer an die Arbeit gewöhnen, die jetzt ihr elendes Leben nur auf das heillose, strafwürdige Bettlerhandwerk gründen und die ein Schandfleck für die Stadt sind. Möchte sich doch in unserer Riesenstadt ein Mann finden, der dieses von allen Bürgern ersehnte und von allen Bürgern vernachlässigte Werk in die Hand nimmt! Wenn man aber nichts tut, als bei Tisch davon reden, fromme Wünsche aussprechen oder gar schlechte Witze darüber reißen, dann freilich, dann muß man weinen auf den Trümmern Jerusalems.