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Was ist die Seele? Haben wir eine Seele?

Ich muß gestehen, nachdem ich den unfehlbaren Aristoteles, den Doctor evangelicus, doctor evangelicus – Thomas von Aquin den göttlichen Plato Plato – Platon, griech. Philosoph, gilt als Begründer der Metaphysik, † v.C. 347 gelesen hatte, habe ich alle diese Beinamen als Spitznamen betrachtet. Ich sah in allen Philosophen, die von der menschlichen Seele redeten, nur anmaßende, geschwätzige Blinde, die einem einreden wollen, sie haben einen Adlerblick und andere, die ihnen aufs Wort glauben und sich einbilden, sie sehen auch etwas.

Unter diese Lehrmeister des Irrtums rechne ich ungeniert Descartes und Malebranche ein. Der erstere versichert uns, die Seele des Menschen sei eine Substanz, deren Wesen das Denken sei, die immer denke und die sich schon im Mutterleib mit schönen metaphysischen Ideen und schönen logischen Axiomen abgebe, die sie nachher wieder vergesse. Pater Malebranche seinerseits ist fest überzeugt, daß wir alles in Gott sehen. Und er hat Anhänger gefunden, weil gerade die kühnsten Fabeln von der Phantastik der Menschen am willigsten hingenommen werden. So haben verschiedene Philosophen den Roman der menschlichen Seele geschrieben. Endlich kam ein Weiser der bescheidentlich ihre Geschichte geschrieben hat. Ich will einen Abriß dieser Geschichte geben, so wie ich sie erfaßt habe. Ich weiß sehr wohl, daß nicht jedermann die Weltanschauung Lockes Locke – John Locke, engl. Philosoph, Vertreter der englischen Aufklärung, gilt als Begründer des Empirismus, Hauptwerk » Über den menschlichen Verstand«. Noch vor Montesquieu trat er für die Trennung von Legislative und Exekutive ein, seine Staatsrechtslehre beeinflußte die amerikanische Unabhängigkeitserklärung und wirkt bis in unsere Zeit nach, † 1704 teilt. Auch könnte es wohl so sein, daß Locke recht hätte gegen die Philosophen Descartes und Malebranche und unrecht gegen die theologische Fakultät, gegen die Sorbonne. Sorbonne – die theologische Fakultät der Pariser Universität, im 18. Jahrhundert sehr einflußreich Ich rede ja auch nur erleuchtet vom Licht der Philosophie, nicht vom Licht der Offenbarung des Glaubens. Mir kommt es nur zu, nach Menschenart zu denken; die Theologen entscheiden göttlich; das ist etwas ganz anderes. Vernunft und Glauben sind ganz verschiedener Wesensart. Kurz gesagt: diesen kleinen Auszug aus Locke würde ich mit der Zensur belegen, wenn ich Theologe wäre; ich nehme ihn ja auch nur einen Augenblick als Hypothese an, als einfache philosophische Mutmaßung, menschlich geredet. Es handelt sich also darum, was die Seele ist.

1. Das Wort Seele gehört zu den Worten, die jedermann braucht, ohne sie zu verstehen. Wir verstehen nur die Dinge, von denen wir eine Vorstellung haben. Von der Seele, vom Geist haben wir keine Vorstellung; also verstehen wir sie nicht.

2. Nun hat es uns beliebt, Seele jene Fähigkeit des Fühlens und Denkens zu nennen, wie wir die Fähigkeit zu leben Leben und die Fähigkeit zu wollen Willen nennen.

Nun sind Vernunftkünstler gekommen und haben gesagt: der Mensch ist eine Zusammensetzung von Materie und Geist; die Materie ist ausgedehnt und teilbar; der Geist ist weder ausgedehnt noch teilbar; also ist er, so sagen sie, von anderer Wesensart. Der Mensch ist eine Vereinigung von Wesen, die nicht füreinander geschaffen sind und die Gott vereinigt trotz ihrem gegensätzlichen Wesen. Wir sehen wenig vom Körper, wir sehen die Seele gar nicht; sie hat keine Teile, also ist sie ewig; sie hat reine, geistige Ideen, also erhält sie diese nicht von der Materie; sie erhält sie auch nicht von sich selbst; also gibt Gott sie ihr; also bringt sie schon bei der Geburt die Ideen von Gott mit und vom Unendlichen und die anderen allgemeinen Ideen.

Immer, nach Menschenweise zu reden, antworte ich diesen Herren, daß sie sehr viel wissen. Zuerst sagen sie uns, daß es eine Seele gibt, und dann, was das bedeutet. Sie sprechen den Namen Materie aus und dann entscheiden sie frisch und frei, was diese Materie ist. Und ich sage zu ihnen: Ihr kennt weder Geist noch Materie. Unter Geist könnt ihr euch nichts vorstellen als die Fähigkeit zu denken; unter Materie könnt ihr euch nur ein gewisses Nebeneinander von Eigenschaften, Farben, Abmessungen, Dichtegraden denken; es hat euch beliebt, das Materie zu nennen, und ihr habt der Materie und der Seele Grenzen gesteckt, ehe ihr auch nur ihres Daseins sicher seid.

Von der Materie lehrt ihr von oben herab, sie habe nur Ausdehnung und Dichte, und ich sage euch bescheiden, sie ist noch tausend anderer Eigenschaften fähig, die ihr nicht kennt und ich auch nicht. Ihr sagt, die Seele sei unteilbar und ewig; ihr setzt voraus, was in Frage steht. Ihr seid ungefähr wie ein Professor, der noch nie ein Uhrwerk gesehen hatte und nun auf einmal eine englische Repetieruhr Repetieruhr – eine Uhr, die keine fest eingestellten akustische Signale hat (z. B. Glockenschlag aller Stunden), sondern die zu jedem beliebigen Zeitpunkt per Knopfdruck Stunde und Viertelstunde signalisiert unter die Hände bekäme. Unser Mann, ein guter peripatetischer peripatetisch – sich auf Aristoteles berufend Philosoph, staunt über die Genauigkeit, mit der die Zeiger die Zeit einteilen und bezeichnen und noch mehr darüber, daß ein Knopf, auf den man mit dem Finger drückt, genau die Stunden schlagen läßt, auf die der Zeiger weist. Mein Philosoph beweist unfehlbar, daß in der Uhr eine Seele ist, die sie lenkt und ihre Federn führt. Er führt den wissenschaftlichen Beweis für seine Meinung durch Vergleichung mit den Engeln, die die himmlischen Sphären in Bewegung setzen und läßt in der Schule schöne Thesen über die Seele der Uhren verfechten. Einer seiner Schüler öffnet die Uhr; man findet nur Federn darin und hält doch immer an der Anschauung von den Uhrenseelen fest, die nun einmal für erwiesen gilt. Ich bin der Schüler, der die Uhr öffnet, die man Mensch nennt und der, statt kühn das Unverständliche begrifflich festzulegen, langsam zu untersuchen sich bemüht, was wir erforschen wollen.

Nehmen wir ein Kind im Augenblick seiner Geburt und folgen wir Schritt für Schritt den Fortschritten seines Verstandes. Ihr beehrt mich mit der Mitteilung, Gott habe sich die Mühe genommen, eine Seele zu schaffen, um sie in dem Körper unterzubringen, wenn er etwa sechs Wochen alt ist; diese Seele sei bei ihrem Eintreffen mit metaphysischen Ideen versehen, kenne also den Geist, die abstrakten Gedanken, das Unendliche ganz klar und deutlich; sei, mit einem Wort, eine hochgelehrte Person. Leider verläßt sie die Gebärmutter in krasser Unwissenheit; anderthalb Jahre hat sie gebraucht, um nur die Brüste der Amme kennenzulernen; und will man diese Seele, wenn sie zwanzig Jahre alt ist, an alle die wissenschaftlichen Gedanken erinnern, über die sie zur Zeit der Vereinigung mit ihrem Körper verfügte, so ist sie manchmal so vernagelt, daß sie keine einzige mehr faßt. Es gibt ganze Völker, die nie einen einzigen von diesen Gedanken hatten. Wahrlich, woran dachte auch die Seele Descartes' und Malebranches, Malebranche – Nicolas Malebranche, franz. Philosoph, † 1715 als sie auf solche Träume verfiel. Doch nun weiter mit dem kleinen Kind.

An dem Tag, da seine Mutter mit ihm und mit seiner Seele niedergekommen ist, kamen im Haus auch ein Hund, eine Katze und ein Zeisig auf die Welt. Nach anderthalb Jahren mache ich aus dem Hund einen ausgezeichneten Jäger; nach einem Jahr pfeift der Zeisig eine Melodie, nach sechs Wochen schon macht die Katze ihre Kunststückchen; nur das Kind kann noch nach vier Jahren nichts. Ich, ein ungebildeter Mensch, der ich diesen wunderbaren Unterschied bemerke, und der ich noch nie ein Kind gesehen habe, ich glaube zuerst, Katze, Hund und Zeisig seien sehr verständige Geschöpfe und das kleine Kind sei ein Automat. Allmählich aber bemerke ich, daß das Kind Gedanken und Gedächtnis hat und dieselben Triebe wie die Tiere, und dann gestehe ich, daß es wie ein vernünftiges Geschöpf ist. Es teilt mir verschiedene Gedanken durch einige Worte mit, die es gelernt hat, wie mir mein Hund durch abgewandelte Laute ganz deutlich seine verschiedenen Bedürfnisse kundgibt. Sechs- bis siebenjährig verbindet das Kind in seinem Hirn fast eben so viele Gedanken als mein Jagdhund in dem seinigen. Mit dem Alter kommt es schließlich zu einer Unmasse von Kenntnissen. Was soll ich nun von ihm denken? Soll ich glauben, daß es von ganz verschiedener Wesensart ist? Gewiß nicht! Denn man sehe sich nur einerseits einen Newton, andererseits einen Dummkopf an. Und doch behauptet ihr, sie seien von derselben Wesensart, und es sei nur ein Gradunterschied zwischen ihnen. Um mich der Wahrscheinlichkeit meiner Mutmaßung zu versichern, untersuche ich meinen Hund und mein Kind im wachen Zustand und im Schlaf. Ich probiere es bei beiden mit einem außergewöhnlich starken Aderlaß; dann scheinen ihre Gedanken mit dem Blute zu verströmen. Rufe ich sie in diesem Zustand an, so antworten sie mir nicht mehr. Entziehe ich ihnen noch einige Unzen, so haben meine zwei Maschinen, die vorher eine Masse Gedanken und Triebe jeder Art hatten, keine Empfindung mehr. Dann untersuche ich meine beiden Tiere im Schlaf; der Hund hat nach reichlichem Fressen Träume; er jagt und bellt hinter seiner Beute her. Mein junger Mann im selben Fall redet mit seinem Schatz und liebelt mit ihm. Nach mäßigen Mahlzeiten träumt keins von beiden. Kurz, ich sehe, daß ihre Fähigkeit wahrzunehmen, zu fühlen, ihre Gedanken auszudrücken sich in ihnen allmählich entwickelt und ebenso stufenweise abnimmt. Die Ähnlichkeiten zwischen ihnen sind hundertmal größer als die zwischen irgend einem genialen Menschen und einem ausgesprochenen Dummkopf. Was für eine Ansicht soll ich mir also von ihrer Wesensart bilden? Diejenige, auf die alle Völker zuerst verfallen sind, ehe ägyptische Staatsweisheit die Lehre vom geistigen Wesen der Seele und von ihrer Unsterblichkeit aufbrachte. Ja, ich werde mich aus guten Gründen des Verdachtes nicht erwehren können, daß Archimedes und ein Maulwurf zwar verschiedenen Arten, aber derselben Gattung angehören; gerade wie eine Eiche und ein Senfkorn nach denselben Prinzipien gebildet sind, nur daß die eine eine große Pflanze ist, das andere eine kleine. Ich werde denken, Gott habe bestimmte Teile von Geist bestimmten Teilen von Materie verliehen, die zum Denken organisiert ist; ich werde glauben, daß die Materie Sinnesempfindungen nach Maßgabe der Feinheit der Sinne hat, daß den Sinnen der Umfang unserer Gedankentätigkeit entspricht; ich werde glauben, daß die Auster weniger Empfindungen und Sinne hat, weil ihre Seele an ihrer Schale haftet und sie daher keine fünf Sinne braucht. Viele Tiere haben nur zwei Sinne; wir haben fünf, was noch recht wenig ist. In anderen Welten mögen andere Tiere sich einer Zahl von zwanzig bis dreißig Sinnen erfreuen; andere vollkommenere Gattungen mögen Sinne in unbegrenzter Zahl haben.

Mir scheint es, daß man so am natürlichsten darüber philosophiert, oder richtiger, seine Vermutungen anstellt. Es hat sicher lange gebraucht, bis die Menschen auf die sinnreiche Erdichtung eines Wesens kamen, das wir selbst sind, das alles in uns tut, das nicht ganz unser Selbst ist, und das uns überlebt. So ist man auch erst allmählich dazu gekommen, einen solchen Gedanken auszuhecken. Zuerst bedeutete das Wort Seele das Leben und war uns und den Tieren gemeinsam. Dann schuf uns unser Hochmut eine besondere Seele, während wir uns für die andern Geschöpfe eine substantielle Form ausdachten. Dieser menschliche Hochmut fragt, was diese Kraft der Sinneswahrnehmung und des Gefühls ist, die er beim Menschen Seele und beim rohen Tier Instinkt heißt. Ich werde diese Frage lösen, wenn die Physiker mir erst sagen, was der Ton ist und was das Licht, der Raum, der Körper und die Zeit. Ich sage im Sinn des weisen Locke: Die Philosophie besteht darin, daß man nicht weiter geht als die Fackel der Physik uns leuchtet. Ich bemerke wohl natürliche Wirkungen; aber ich gestehe, daß ich die ersten Prinzipien so wenig verstehe wie ihr. Nur soviel weiß ich, daß ich nicht mehreren Ursachen, insbesondere nicht unbekannten Ursachen zuschreiben darf, was ich einer bekannten Ursache zuschreiben kann; nun kann ich aber meinem Körper die Fähigkeit zu denken und zu empfinden zuschreiben; also darf ich sie nicht in einer anderen Substanz suchen, die man Seele oder Geist nennt und die ich mir nicht im mindesten vorstellen kann. Ihr entrüstet euch über diesen Satz; ihr findet also etwas Gottloses in dem Gedanken, daß der Körper denken kann. Aber was wollt ihr sagen, würde Locke antworten, wenn man euch selbst des Unglaubens schuldig fände, euch, die ihr die Macht Gottes zu beschränken wagt. Wo ist der Mensch auf Erden, der so töricht und gottlos ist zu behaupten, es sei Gott unmöglich, der Materie Empfindung und Denkkraft zu verleihen. Ihr schwachen und verwegenen Köpfe, ihr gebt vor, die Materie denke nicht, weil ihr nicht verstehen könnt, daß Materie, sie sei gestaltet wie sie wolle, denken könne.

Ihr großen Philosophen, die ihr Gott die Macht absprecht und zugleich behauptet, Gott könne aus einem Stein einen Engel machen, Engel aus einem Stein machen – Mat. 3,9: »Ich sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken.« seht ihr nicht, daß eurer eigenen Meinung nach Gott in diesem Falle nichts anderes täte, als einem Stein die Kraft des Denkens verleihen. Würde nämlich die Materie des Steins nicht bleiben, so wäre kein Stein mehr da, der Stein wäre vernichtet und ein Engel geschaffen. Dreht und wendet euch wie ihr wollt, ihr müsst zweierlei eingestehen, eure Unwissenheit und die ungeheure Macht des Schöpfers; eure Unwissenheit, die sich gegen denkende Materie empört, und die Macht des Schöpfers, dem doch sicher das nicht unmöglich ist.

Ihr, die ihr wisst, daß Materie nicht zu nichts wird, ihr bestreitet Gott die Kraft, in dieser Materie die schönste Fähigkeit zu erhalten, mit der er sie geschmückt hat. Die Ausdehnung besteht doch wohl ohne Körper, da es ja Philosophen gibt, die an den leeren Raum glauben; die Eigenschaften können doch wohl ohne die Substanz bestehen – unter den Christen, die an die Transsubstantion Transsubstantion – die Verwandlung von Brot und Wein in Fleisch und Blut Jesu, ein kannibalistischer Ritus, der beim Heiligen Abendmahl vollzogen wird glauben. Gott, sagt ihr, kann nichts tun, was einen Widerspruch in sich schließt. Da müßte man mehr verstehen als ihr versteht. Stellt euch wie ihr wollt, ihr wisst nie mehr als das, daß ihr Körper seid, und daß ihr denkt.

Gar viele, die in ihrer Schulweisheit so selbstsicher geworden sind und ihre Schlußfolgerungen für Orakel ansehen und ihren Aberglauben für Religion, betrachten Locke als einen gefährlichen Religionsverächter. Diese Abergläubischen sind in der Gesellschaft das, was die Feiglinge in einem Heer sind; panische Angst ist in ihnen und geht von ihnen aus. Sie sollen wissen, daß es nicht die Überzeugungen der Philosophen sind, die der Religion jemals Eintrag tun. Es steht fest, daß das Licht von der Sonne kommt, und daß die Planeten sich um dieses Gestirn drehen; darum liest man mit nicht geringerer Erbauung in der Bibel, daß das Licht vor der Sonne Das Licht vor der Sonne – Mose 1: ... Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war. ... Und Gott sprach: Es werde Lichter an der Feste des Himmels, die da scheinen Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre und seinen Lichter an der Feste des Himmels, daß sie scheinen auf Erden. Und es geschah also. Und Gott machte zwei große Lichter: ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch Sterne. ... geschaffen wurde und daß die Sonne stillstand über dem Dorfe Gibeon. Stillstand der Sonne – Josua 10, 12: Da redete Josua mit dem Herrn des Tages, da der Herr die Amoriter dahingab vor den Kindern Israel, und sprach vor dem gegenwärtigen Israel: »Sonne, stehe still zu Gibeon, und Mond, im Tal Alajon!« Da stand die Sonne und der Mond still, bis daß sich das Volk an seinen Feinden rächte. Ist dies nicht geschrieben im Buch des Frommen? Also stand die Sonne mitten am Himmel und verzog unterzugehen beinahe einen ganzen Tag. Und war kein Tag diesem gleich, weder zuvor noch darnach, da der Herr der Stimme eines Mannes gehorchte; denn der Herr stritt für Israel. Josua aber zog wieder ins Lager Gilgal und das ganze Israel mit ihm. Es ist erwiesen, daß der Regenbogen sich mit Naturnotwendigkeit durch den Regen bildet; darum verehrt man doch den heiligen Text, der besagt, daß Gott nach der Sintflut seinen Bogen in die Wolken Regenbogen – Mose 1, 9: Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken: der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. Und wenn es kommt, daß ich Wolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. ... Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe ... setzte zum Zeichen, daß keine Überschwemmung mehr kommen sollte.

Das heilige Geheimnis der Dreieinigkeit und der Eucharistie Eucharistie – Abendmahl, s. o. Transsubstantion mögen bekannten Beweisgängen noch so sehr zuwiderlaufen, sie werden trotzdem von den katholischen Philosophen ehrfürchtig hingenommen, die wissen, daß Vernunft und Glaube von verschiedener Wesensart sind. Das Volk der Gegenfüßler Volk der Gegenfüßler – 1992 nahm die Catholica in Gestalt einer Rede des Papstes erstmalig Kenntnis vom realen Weltbild, seitdem ist die Erde keine flache Scheibe mehr. Er, Johannes Paul II., rehabilitierte Galileo Galilei und entschuldigte sich für die an ihm begangenen Ungeheuerlichkeiten (Verbot der Forschung und Hausarrest, Androhung der Folter). Vom gegenwärtigen Papst (Doktor Ratzinger) sind Namhaftmachungen und Bitten um Vergebung der unendlich vielen Verbrechen der katholischen Kirche nicht zu erwarten. ist von Päpsten und Konzilien verdammt worden; und dann haben die Päpste wieder die Antipoden anerkannt und haben ihnen eben die christliche Religion bringen lassen, die man für verloren ansah, falls sich ein Mensch fände, dem, wie es damals hieß, der Kopf nach unten und die Füße nach oben wachsen, und der, wie der sehr wenig philosophische heilige Augustin sagt, vom Himmel gefallen wäre. übrigens noch einmal, wenn ich so freimütig schreibe, so will ich doch gar nichts gesagt haben. Für einige von den vorgebrachten Träumereien habe ich vielleicht eine gewisse Vorliebe; aber ich opfere sie alle, wenn es verlangt wird, auf dem Altar der Religion und des Vaterlands.

Das wäre etwas Schönes, wenn man seine Seele sehen könnte. Erkenne dich selbst! ist ein ausgezeichneter Rat; aber nur Gott kann ihn ausführen; wer anders als er kann sein Wesen kennen? Wir heißen Seele was beseelt; mehr wissen wir nicht. Drei Viertel der Menschheit lassen es dabei bewenden und befassen sich nicht mit der »denkenden Substanz«; ein Viertel sucht; niemand hat gefunden, niemand wird finden.

Armer Schulmeister! Du siehst eine Pflanze, die vegetiert, und du sagst: Vegetation, oder auch vegetative Seele. Du bemerkst, daß die Körper Bewegung haben und abgeben und du sagst: Kraft; du siehst, wie dein Jagdhund auf deine Befehle lernt, was er zu tun hat, und du rufst: Instinkt; du hast Gedankenverbindungen, und du sagst: Geist.

Aber ich bitte dich, was verstehst da unter diesen Worten? Diese Blume vegetiert; gibt es ein wirkliches Wesen, das Vegetation heißt? Dieser Körper stößt einen anderen; besitzt er in seinem Innern ein besonderes Wesen, das Kraft heißt? Dieser Hund bringt dir ein Rebhuhn, aber gibt es ein Wesen, das Instinkt heißt? Würdest du nicht lachen über einen Vernunftkünstler (und wäre er auch der Lehrer Alexanders des Großen), der dir sagen würde: Alle Tiere leben, also gibt es in ihnen ein Wesen, eine substanzielle Form, die das Leben ist.

Wenn eine Tulpe reden könnte und zu dir sagte: Meine Vegetation und ich sind zwei gesonderte Wesen, die offensichtlich zusammengefügt worden sind, würdest du nicht deine Tulpe auslachen?

Sieh zunächst einmal nach, was du weißt und was dir sicher ist: daß du mit deinen Füßen gehst; daß du mit deinem Magen verdaust; daß du durch deinen ganzen Körper hin fühlst; daß du mit deinem Kopf denkst. Sieh nach, ob deine Vernunft allein dir so viel Licht geben könnte, daß du ohne Hilfe von oben schließen könntest, du habest eine Seele.

Die ersten Philosophen, mochten es Chaldäer, mochten es Ägypter sein, sagten: In uns muß etwas sein, das unsere Gedanken hervorbringt; dieses etwas muß sehr dünn und fein sein; es ist ein Hauch, es ist Feuer, es ist Äther, es ist eine Quintessenz, es ist ein leichtes Schattending, es ist eine Entelechie, Entelechie – in der Philosophie die Eigenschaft eines Objektes, sein Ziel in sich selbst zu haben. Beispielsweise ist die Entelechie einer Blume zu blühen, die Entelechie eines Vogels zu fliegen etc. es ist eine Zahl, es ist eine Harmonie. Endlich, nach dem göttlichen Plato, ist es eine Vereinigung »des selbigen und des anderen«. Es sind Atome, die in uns denken, sagte Epikur nach Demokrit. Aber, lieber Freund, wie denkt ein Atom? Gestehe, daß du nichts davon weißt.

Die Ansicht, der man ohne Zweifel beipflichten muß, ist, daß die Seele ein immaterielles Wesen ist; aber was dieses immaterielle Wesen ist, das faßt ihr sicher nicht. O doch, erwidern die Gelehrten, wir wissen, daß seine Natur ist, zu denken. – Und woher wißt ihr das? – Wir wissen es, weil es denkt. – O ihr Gelehrten! – Ich fürchte, ihr seid so unwissend wie Epikur; die Natur eines Steins ist zu fallen, weil er fällt; aber ich frage euch, was macht denn, daß er fällt?

Wir wissen, fahren sie fort, daß ein Stein keine Seele hat. – Einverstanden; das ist auch meine Meinung. – Wir wissen, daß eine Verneinung und eine Bejahung nicht teilbar, daß sie keine Teile der Materie sind. – Ich bin auch eurer Meinung. Aber die uns übrigens unbekannte Materie besitzt Eigenschaften, die nicht materiell, die nicht teilbar sind; sie strebt vermöge der Schwerkraft gegen einen Mittelpunkt, den Gott ihr angewiesen hat. Nun hat diese Schwerkraft keine Teile und ist nicht teilbar. Die bewegende Kraft der Körper ist kein Gemenge von Teilen. Die Vegetation der Organismen, ihr Leben, ihr Instinkt sind auch keine besonderen, sind keine teilbaren Wesen. Ihr könnt die Vegetation einer Rose, das Leben eines Pferdes, den Instinkt eines Hundes ebensowenig entzwei schneiden, wie eine Empfindung, eine Verneinung, eine Bejahung. Euer schöner Beweisgrund, der von der Unteilbarkeit des Denkens hergenommen ist, beweist also rein gar nichts.

Was nennt ihr also eure Seele? Welche Vorstellung habt ihr von ihr? Von euch selbst aus, ohne Offenbarung, könnt ihr nichts anderes in euch annehmen als eine euch unbekannte Kraft zu fühlen, zu denken. Und nun, sagt mir ehrlich, ist diese Kraft zu fühlen und zu denken dieselbe, mit der ihr verdaut und geht? Nein, müßt ihr gestehen; vergebens würde euer Verstand zu eurem Magen sagen: Verdaue! Er tut's nicht, wenn er krank ist; vergebens würde euer immaterielles Wesen euren Füßen zu gehen befehlen; sie bleiben stehen, wenn sie die Gicht haben.

Die Griechen haben ganz richtig gefühlt, daß das Denken oft nichts mit dem Spiel unserer Organe zu tun hat; sie haben für diese Organe eine animalische Seele angenommen und für die Gedanken eine feinere, dünnere Seele, einen thymós..

Nun hat aber diese Gedankenseele in tausend Fällen die Oberleitung der animalischen Seele. Die denkende Seele befiehlt den Händen zu greifen, und sie greifen. Aber sie sagt ihrem Herzen nicht, es solle schlagen, ihrem Blut nicht, es solle fließen, ihrem Speisesaft nicht, er solle sich bilden; alles das macht sich ohne sie. Da haben wir zwei Seelen, die einander in die Quere kommen und von denen keine recht Herrin im Hause ist.

Nun existiert aber diese erste animalische Seele sicher überhaupt nicht; sie ist nichts anderes als die Bewegung eurer Organe. Nimm dich in acht, o Mensch, deine schwache Vernunft dürfte kaum beweisen können, daß die andere Seele existiert. Nur durch den Glauben kannst du etwas von ihr wissen. Du wirst geboren, du wirkst, du denkst, du wachst, du schläfst und weißt selbst nicht wie. Gott hat dir die Fähigkeit zum Denken gegeben, wie er dir alles übrige gegeben hat. Und wenn er nicht gekommen wäre, da die Zeit nach seiner Vorsehung erfüllt war, dir zu offenbaren, daß du eine immaterielle, unsterbliche Seele hast, du selbst hättest keinen Beweis dafür.

Ich bin recht schwach, was auch mein Arzt, Herr Tronchin, sagen möge, und meine Seele, die ich Lisette heiße, ist gar nicht wohl in ihrem alten Futteral. Ich sage manchmal zu Lisette: »Auf, sei doch heiter wie die Lisette meines lieben Freundes.« Sie antwortet, sie könne nichts dafür; dem Körper müsse es wohl sein, wenn es ihr wohl sein solle. »Pfui doch, Lisette«, sage ich zu ihr; »wer wird solche Reden führen; da wird man dich ja für materiell halten.« »Das ist nicht meine Schuld«, sagt dann Lisette; »ich gebe mich nicht für besser aus als ich bin.« So unterhalte ich mich oft mit Lisette und möchte nur, mein alter Freund wäre auch dabei; aber der ist hundert Meilen weit weg von hier, in Paris bei seiner braven Lisette.


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