Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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In Straßburg.

Golo, Winfreda.

Winfreda. Ihr gebt, mein junger Herr, mit offnen Händen,
All meine Kunst will ich für euch verwenden.

Golo. Nun sagt mir auch, was ich schon erst gefragt,
Wenn eure Wissenschaft es mag erkunden,
Was mich zu vielen Zeiten schon genagt,
Gepeinigt mich in mannichfalt'gen Stunden:
Wer ist der Mann, der mir den Leib, dies Leben,
In heimlicher Erzeugung hat gegeben?

Winfreda. Ich habe Eure Züge schon erwogen
Und drinnen Kreis' und Linien gezogen:
Ein Krieger war es, ja ein tapfrer Degen;
Er stand im Feld der Mohrenmacht entgegen,
Da ließ er in der Nacht sein Leben fahren,
An That und Tugend älter als an Jahren,
Der bravsten einer, die zum Kriege kamen
Und daß Ihr's wißt, Herr Otho mit dem Namen.
Gerichtet war sein Sinn zu wilder Schlacht,
In Kriegsthat war sein Leben hingebracht,
So kam es, daß er nie von euch gewußt;
Er zeugte euch in wild entbrannter Lust,
Und vor ihm stand ein Bild von Tod und Blut,
Kein Stern am Himmel war zur Liebe gut,
Drum kamet ihr mit wunderbarem Sinn
Und richtet euch nach Tod und Elend hin;
Ihr könnt nicht anders, so sind die Gewalten,
Die Sternenkräfte, die sich nur entfalten.
Ein solcher Mensch ist wie ein Saamenkorn,
In welchem wächst und reift des Schicksals Zorn;
Die andern traf ein lichter Sternenblick,
In ihnen sproßt das Firmamenten-Glück.
Trägt jeder um sich ein siderisch Haus
Und kann aus seiner Heimath nicht heraus.

Golo. So ist es, was die Eltern erst verschulden,
Das müssen wir als ihre Strafe dulden. ab.



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