William M. Thackeray
Die Geschichte von Pendennis, Band 1
William M. Thackeray

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Neunzehntes Kapitel

Der Untergang kommt näher

In Pens zweitem Jahr stattete Major Pendennis seinem Neffen einen kurzen Besuch ab und wurde bei mehreren von Pens Universitätsfreunden eingeführt: dem angenehmen und höflichen Lord Plinlimmon, dem wackeren und 349 offenherzigen Magnus Charters, dem schlauen und witzigen Harland, dem unerschrockenen Ringwood, der wegen seiner Ansichten und seiner Großsprechereien im allgemeinen Debattierklub Rupert hieß, bei Broadbent, auf Grund seiner republikanischen Ansichten Barebones Broadbent (er stammte aus einer Dissidentenfamilie in Bristol und war ein wahrer Boanerges im Wortgefechte), endlich bei Bloundell-Bloundell, dem Herr Pen ein Essen gab, wobei sein Onkel der Hauptgast war.

Der Major sagte: »Pen, mein Junge, dein Essen war wunderbar; du machtest sehr nett die Honneurs, du schneidest gut vor, und ich freue mich, daß du das gelernt hast – wiewohl es zwar jetzt in den meisten guten Häusern an einem Seitentische getan wird, aber es ist doch noch immer ein wichtiger Punkt und kann dir in mittleren Jahren zustatten kommen – der junge Lord Plinlimmon ist ein sehr liebenswürdiger junger Mann, ganz das Ebenbild seiner teuren Mutter (die ich als Lady Aquila Brownbill kannte), und der Republikanismus des Lord Magnus wird sich legen; er steht einem jungen Patrizier in jungen Jahren ziemlich gut, obwohl es nichts ekelhafteres unter Personen von unserem Range gibt. Herr Broadbent scheint viel Beredsamkeit und beträchtliches Wissen zu besitzen; dein Freund Foker ist immer köstlich, aber dein Bekannter, Herr Bloundell, erschreckte mich als ein in jeder Hinsicht nicht zu dir passender junger Mann.«

»Donnerwetter, Bloundell-Bloundell!« schrie Pen lachend; »warum denn bloß? Er ist doch der 350 beliebteste Mensch der ganzen Universität. Er war bei den xten Dragonern, ehe er zu uns kam. Wir wählten ihn gleich in der ersten Woche seiner Ankunft unter die Barmeiden – hatten zu diesem Zwecke eine ganz besondere Versammlung – er ist von ausgezeichneter Familie – die Bloundells von Suffolk, die von Richard Blondel abstammen, tragen eine Harfe im Wappen und das Motto: O mong Roy

»Es kann jemand ein sehr altes Wappen haben und doch eine Spielratte sein,« sagte der Major, indem er sein Ei auslöffelte; »der Mann ist eine Spielratte, verlaß dich drauf, ein niedriger Kerl. Ich will darauf wetten, daß er sein Regiment, das ein gutes war (denn achtungswertere Leute als mein Freund Lord Martingale saßen nie in einem Sattel) mit schlechtem Rufe verlassen mußte. Er hat einen unverkennbaren Zug an sich, der auf schlechtes Benehmen und Schuftereien schließen läßt. Er besucht gemeine Spielhöllen und Billardwinkel, er frequentiert Klubs dritten Ranges, ich weiß, daß er es tut. Ich weiß das aus seinem Aeußeren. Ich habe mich bis jetzt noch nie in einem Menschen geirrt. Sahst du die Menge Ringe und Goldsachen, die er trug? Dieser Person steht das Wort ›Schuft‹ mitten im Gesicht geschrieben, wie es je einem geschrieben stand. Denke an meine Worte und meide ihn. Laß uns aber von etwas anderem sprechen. Das Diner war ein wenig zu fein, aber ich habe nichts dagegen, wenn du ein paar Extra-Ausgaben machst, wenn du Freunde bei dir siehst. Natürlich tust du das nicht oft und nur bei denen, wo dein Interesse ihr Fetieren erfordert. Die Koteletts waren 351 ausgezeichnet, und das soufflé ungewöhnlich leicht und gut. Die dritte Flasche Champagner war nicht nötig, aber du hast ja ein gutes Einkommen, und solange du dich in seinen Grenzen erhältst, werde ich nicht mit dir schelten, lieber Junge.«

Armer Pen! Der würdige Onkel ahnte wenig, wie oft diese Diners stattfanden, während der sorglose junge Amphitryon seine Freude daran hatte, seine Gastfreundschaft und seine Erfahrung in Sachen der Feinschmeckerei zu zeigen. Es gibt keine Kunst wie diese, in der junge Menschen sich nicht gar zu gern einen Anschein des Verständnisses geben möchten. Eine feine Zunge und Kennerschaft des Weines und der Kochkunst scheinen ihnen Zeichen eines vollendeten Lebemannes und tüchtigen Gentlemans zu sein. Pen also hielt es entsprechend seinem Charakter als bewunderungswürdiger Crichton für nötig, ein großer Richter und Wirt von Schmäusen zu sein; wir haben eben gesagt, wie der Koch des Kollegiums ihn achtete und werden bald diesen würdigen Mann zu beklagen haben, daß er Pen so blind vertraute.

Im dritten Jahre, seit Pen in Oxbridge seine Residenz aufgeschlagen, waren die Treppen, die zu seiner Wohnung führten, durchaus nicht mehr mit Schüsseldeckeln, Desserttellern und speisentragenden Aufwärtern und Jungen, die in Eis gelegten Champagner öffneten, bedeckt; Haufen sehr verschiedener Leute mit mürrischen oder jämmerlichen Gesichtern wollten herein, drängten sich an die Außentür und bestürmten den unglücklichen Jüngling, wenn er aus seiner Bude trat.

Der Rat seines Oheims, Herrn Pen zu 352 veranlassen, die Gesellschaft des übelberüchtigten Herrn Bloundell zu meiden, hatte nicht den geringsten Erfolg.

Die jungen Magnaten des benachbarten großen Kollegiums von St. Georg, die vor Pen Achtung hatten, und in deren Gesellschaft er lebte, ließen sich durch Bloundells blendende Geschmeidigkeit und seine verderblichen feinen Sitten nicht täuschen. Broadbent nannte ihn Kapitän Macbeth und sagte, er werde mal am Galgen baumeln. Foker hütete sich während seines kurzen Zusammenseins mit Macbeth auf der Universität mit der ihm charakteristischen Vorsicht, etwas Ungünstiges über den Kapitän zu sagen, gab aber Pen den Wink, daß er besser tun würde, beim Whist mit ihm zusammen als gegen ihn zu spielen, und beim Ecarté lieber auf ihn zu wetten, als auf die entgegengesetzte Seite. »Du siehst doch, daß er besser spielt als du, Pen,« war der Rat des pfiffigen jungen Herrn, »er spielt ungewöhnlich gut, dieser Kapitän, und Pen, ich würde mich nicht so unbesonnen in einen ungleichen Kampf mit ihm einlassen, wenn ich an deiner Stelle wäre. Ich glaube nicht, daß er zuviel Moos hat, dieser Kapitän.« Aber mehr als diese dunklen Andeutungen und Allgemeinheiten war aus dem vorsichtigen Foker nicht herauszubekommen.

Sein Rat würde bei einem so starrköpfigen jungen Menschen übrigens nicht mehr Gewicht gehabt haben, als ein Rat für gewöhnlich bei einem Bürschchen hat, das entschlossen ist, seinen eignen Weg zu gehen. Pens Hunger nach Vergnügen war unersättlich, und er stürzte sich in dasselbe, wo es sich nur darbot, mit einer 353 Gier, die sein feuriges Temperament und seine jugendliche Gesundheit verriet. Er nannte ein Vergnügen mitmachen: »das Leben sehen« und zitierte wohlbekannte Aussprüche aus Terenz, Horaz, Shakespeare, um zu beweisen, das man alles tun könnte, was einem nur anstände. Er ließ sich recht gut an, in ein paar Jahren vollkommen abgewirtschaftet zu haben und ein Lebemann zu sein, wenn er in dem Schritte, in dem er jetzt ging, fortfuhr.

Eines Abends nach einem Abendessen im Kollegium, bei dem Pen und Macbeth zugegen gewesen waren, und bei dem man ein kleines stilles Vingt-et-un gespielt hatte, ergriff Herr Bloundell, als die jungen Leute ihre Mützen genommen hatten und fortgehen wollten, scherzhaft ein grünes Weinglas vom Tische, das bestimmt gewesen war, Eiswein zu enthalten, in das er aber etwas viel Verderblicheres fallen ließ, nämlich ein paar Würfel, die er aus der Westentasche gezogen. Dann gab er dem Glase eine geschickte Wendung, die die große Geschicklichkeit seiner Hand im Würfelspiel anzeigte, rief: »Sieben ist der Wurf!«, und indem er die elfenbeinernen Würfel langsam auf den Tisch rollen ließ, strich er sie leicht von dem Tischtuche wieder ein und wiederholte dieses Verfahren zwei- oder dreimal. Die übrigen sahen zu, Pen natürlich unter ihnen, die bis dahin noch nie mit Würfeln zu tun gehabt hatten, höchstens bei einem einfältigen Spiele Puff zu Hause.

Herr Bloundell, der eine gute Stimme hatte, begann den Chor aus »Robert der Teufel«, einer Oper, die damals sehr im Gang war, zu trällern, in welchen 354 viele Studenten einstimmten, besonders Pen, der in sehr guter Laune war, weil er eine gute Zahl Schillinge und Halbkronen im Vingt-et-un gewonnen hatte. Bald saßen die meisten Gäste, anstatt nach Hause zu gehen, rund um den Tisch und spielten Würfel; das grüne Glas ging von Hand zu Hand, bis Pen es endlich entzwei schlug, nachdem er sechs Würfe getan.

Von dieser Nacht an stürzte sich Pen in die Freuden des Hazardspieles mit jenem Eifer, mit dem er jedes neue Vergnügen zu verfolgen pflegte. Mit Würfeln kann man des Morgens ebensogut spielen, wie nach dem Mittag- oder Abendessen. Bloundell pflegte nach dem Frühstück auf Pens Zimmer zu kommen, und es war erstaunlich, wie schnell beim Klappern der Würfel die Zeit verging. Sie machten kleine stille Spielchen bei geschlossenen Türen, und Bloundell erfand ein mit Filz ausgelegtes Kästchen, damit die Würfel kein Geräusch machten, und ihr verräterisches Klappern die scharfhörenden Lehrer nicht ins Zimmer rufen sollte.

Bloundell, Ringwood und Pen wären beinahe einmal von Herrn Buck entdeckt worden, der auf dem quadratförmigen Platz spazieren ging und aus Pens offenem Fenster die Worte »zwei gegen eins auf den Ausspielenden« zu hören meinte; aber als der Direktor in Arthurs Stube kam, fand er die jungen Menschen mit drei Homeren vor sich, und Pen sagte, daß er die beiden anderen einzupauken versuchte, und fragte Herrn Buck mit einem sehr würdigen Gesichte, in welchem Zustande sich gegenwärtig der Skamander befände und ob er schiffbar wäre oder nicht. Herr Arthur 355 Pendennis gewann nicht viel Geld bei diesem Treiben mit Herrn Bloundell oder überhaupt nichts anderes als eine Kenntnis der Kniffe beim Hazard, die er auch aus Büchern hätte lernen können. Einmal in den Osterferien, als Pen seiner Mutter und seinem Onkel seine Absicht angekündigt hatte, nicht nach Hause zu gehen, sondern in Oxbridge zu bleiben und zu studieren, fand sich Pen doch veranlaßt, mit seinem Freunde Herrn Bloundell einen kurzen Abstecher nach London zu machen. Sie stiegen in einem Hotel in Covent Garden ab, wo Bloundell »Pump« hatte, wie er es nannte, und genossen die Freuden der Stadt nach jauchzender Studenten-Art in sehr reichlichem Maße. Bloundell gehörte noch zu einem militärischen Klub, wohin er Pen ein paarmal mit zum Essen nahm (die jungen Leute pflegten in einer Droschke dorthin zu fahren und zitterten davor, mit Major Pendennis auf seiner Parade durch Pall Mall zusammenzustoßen), und hier wurde Pen einer Anzahl wackerer junger Burschen mit Sporen und Schnurrbärten vorgestellt, mit denen er morgens helles Ale trank und des Nachts durch die Stadt wandelte. Hier sah er allerdings ein Stück Leben; auch war es nicht sehr wahrscheinlich, daß er auf seinen Wegen durch die Theater und Singspielhallen, die diese lärmenden jungen Laffen frequentierten, seinem Vormunde begegnen würde. Eines Abends indessen waren sie einander sehr nahe, nur eine dünne Planke trennte Pen, der in einer der Logen des Mesumtheaters war, von dem Major, der sich in Lord Steynes Loge in Gesellschaft mit diesem hochverehrten Edelmann befand. Die 356 Fotheringay war auf dem Gipfel ihres Ruhmes. Sie hatte einen guten Zug getan, d. h. sie hatte beinahe ein Jahr lang recht volle Häuser gemacht, hatte die Provinzen mit großem Lärm erfüllt, war zurückgekehrt, um in London mit etwas verminderterem Glanze zu leuchten, und spielte nun mit »stets steigender Anziehungskraft, usw.«, »zum Triumph des guten alten britischen Dramas«, wie die Theaterzettel behaupteten, aber vor Häusern, in denen Raum die Fülle war für jedermann, der sie zu sehen wünschte.

Es war nicht das erstemal, daß Pen sie seit jenem denkwürdigen Tage, wo die beiden Chatteris verlassen, gesehen hatte. Im vergangenen Jahre, als die Stadt so viel Rühmens von ihr machte und die Presse ihre Schönheit in den Himmel hob, hatte Pen einen Vorwand gefunden, um während der Studienzeit nach London zu kommen, und war nach dem Theater gestürzt, um seine alte Flamme zu sehen. Er erinnerte sich dieser Liebe mehr, als daß er sie erneuert hätte. Er dachte daran, wie glühend er zu Chatteris nach ihr auszuschauen pflegte, wenn der betreffende Schauspieler vor Ophelias oder Frau Hallers Auftreten auf der Bühne seine Worte gesprochen hatte. Als der Schauspieler jetzt sprach, fühlte er nur eine Art schwachen Lebens, und als das Haus von Beifall zu donnern begann, und Ophelia mit ihrer alten Verbeugung und ihrem schwebenden Knixe eintrat, fühlte Pen nur ein schwaches Zucken und errötete sehr, als er sie anblickte; und er konnte den Gedanken nicht loswerden, daß das ganze Haus ihn beobachtete. Er hörte sie kaum in dem ersten Teile des Schauspiels und 357 dachte mit solcher Wut an die Erniedrigung, der sie ihn unterworfen, daß er sich einzubilden anfing, er wäre eifersüchtig und noch immer in sie verliebt. Aber diese Illusion dauerte nicht sehr lange. Er lief nach der Bühnentür des Theaters, um sie womöglich zu sehen, aber es glückte ihm nicht. Sie ging allerdings mit einer weiblichen Begleiterin ihm dicht an der Nase vorbei, aber er erkannte sie nicht; auch sie erkannte ihn nicht wieder. Am nächsten Abend kam er erst spät und blieb sehr ruhig zum zweiten Stücke da, und am dritten und letzten Abend seines Aufenthalts in London, ei, nun, da tanzte die Taglioni in der Oper, – die Taglioni! und man gab »Don Juan«, den er vor allen Dingen in der Welt bewunderte, und so ging Herr Pen in den »Don Juan« und zur Taglioni.

Dieses Mal war die Illusion, die sie umfloß, ganz verflogen. Sie war nicht weniger schön, aber sie war in irgendeinem Punkte nicht mehr dieselbe. Entweder war das Licht aus ihren Augen verschwunden, das dort zu strahlen pflegte, oder Pens Augen wurden durch dasselbe nicht mehr geblendet. Die klangvolle Stimme sprach wie einst, aber sie ließ Pen nicht mehr das Herz im Busen erbeben wie früher. Er meinte, den irischen Dialekt dahinter zu entdecken, die Akzente schienen ihm plump und falsch. Es beleidigte seinen Geschmack, sie denselben Nachdruck auf dieselben Worte legen und dieselben nur ein wenig lauter hervorstoßen zu hören; mehr noch als dies verdroß es ihn, denken zu müssen, daß er ja diese unverkennbare Nachahmung für Genie gehalten hätte oder bei diesen mechanischen Klagelauten und Seufzern gerührt gewesen wäre. Er 358 fühlte, daß es schier ein anderes Leben und er ein anderer Mensch gewesen sein müsse, der sie so toll geliebt hätte. Er war beschämt und bitter gedemütigt und fühlte sich sehr einsam. Ach, armer Pen! Die Täuschung ist manchmal besser als die Wahrheit und schöne Träume angenehmer als ein trauriges Wachen.

Sie gingen fort und nahmen diese Nacht an einem lärmenden Gelage teil; und Herr Pen hatte am nächsten Morgen ein schönes Kopfweh, mit dem er nach Oxbridge zurückkam, nachdem er all sein bares Geld ausgegeben hatte.

Da all dies Erzählte aus Pens eigenen Bekenntnissen geschöpft ist, sodaß der Leser sich der Wahrheit jedes Wortes davon versichert halten darf, und da Pen selbst nie einen genauen Begriff von der Art hatte, wie er sein Geld vertat, und sich während seines unseligen Aufenthalts an der Oxbridger Universität immer tiefer in Geldverlegenheiten stürzte, so ist es mir natürlicherweise unmöglich, außer jener allgemeinen Andeutung seiner Lebensweise, die ein paar Seiten vorher skizziert worden ist, irgendeinen genauen Bericht über seine Verwicklungen zu geben. Er spricht nicht zu hart von der Schurkerei der Kaufleute in der Universitätsstadt oder von denen in London, die er beim Beginn seiner Studentenlaufbahn mit seiner Gönnerschaft beehrte. Selbst Finch, der Geldverleiher, bei dem Bloundell ihn einführte und mit dem er verschiedene Geschäfte hatte, bei denen die Unterschrift des jungen Schlingels auf gestempeltem Papier figurierte, behandelte ihn, nach Pens eigener Aussage, mit Nachsicht und nahm ihm nie mehr als hundert Prozent ab. 359 Der alte Koch des Kollegiums, sein feuriger Bewunderer, machte ihm eine Privatrechnung, bot ihm an, bis in die allerletzte Zeit ihm Diners hinaufzuliefern, und würde ihn bis an seinen Todestag nicht wegen des Betrages gedrängt haben. Arthur Pendennis hatte eine Leutseligkeit und Offenheit in seinem Benehmen, welche die meisten Leute, die mit ihm in Berührung kamen, für ihn gewann, und die, wenn sie ihn auch für Schurken zur leichten Beute werden ließ, ihm doch andererseits von vielen rechtschaffenen Leuten vielleicht mehr Nachsicht eintrug, als er verdiente. Es war unmöglich, seiner Gutmütigkeit zu widerstehen oder in seinen schlimmen Stunden nicht zu hoffen, daß er vor dem äußersten Ruin bewahrt bleiben werde.

Während der Zeit, wo seine Vergnügungen auf der Universität in vollster Blüte standen, würde er das lustigste Gelage verlassen haben, um sich an das Krankenbett eines Freundes zu setzen. Er machte in der Behandlung seiner Bekannten keinen Unterschied zwischen groß und klein, wenn auch die Neigungen des unseligen jungen Mannes, die zu der geldkostenden Art gehörten, ihn antrieben, gute Gesellschaft vorzuziehen; er war nur zu bereitwillig, seine Guineen mit einem armen Freund zu teilen, und hatte er Geld bekommen, so überfiel ihn ein unwiderstehlicher Trieb zum Bezahlen, den er sein Lebelang nicht zu besiegen vermocht hatte.

In seinem dritten Jahr auf der Universität begannen sich die Manichäer in erschreckender Anzahl um ihn zu sammeln, und es war morgens ein Leben an der Tür, das die Studiendirektoren ärgerte und 360 manches dickfelligere Herz erschreckt haben würde. Mit einigen von diesen pflegte er sich zu prügeln, andere suchte er zu übertölpeln (unter Herrn Bloundells Anleitung, der ein Meister in dieser Wissenschaft war, wenn er auch in keiner anderen einen Grad erlangte) und noch andere suchte er zu beschwichtigen. Und es wird von ihm erzählt, daß, als einst die kleine Mary Frodsham, die Tochter eines armen Vergolders und Rahmenmachers, den Herr Pen seines Geschicks wegen beschäftigte und der ihm eine Anzahl schöner Rahmen für seine feinen Kupferstiche gemacht hatte, mit der kläglichen Erzählung zu ihm kam, ihr Vater läge am Fieber krank und ihre Wohnungseinrichtung würde gepfändet, Pen voll Gewissensangst wegrannte, seine große goldene Uhr und mit Ausnahme von zwei alten goldenen Manschettenknöpfen, die seinem Vater gehört hatten, alle seine Goldsachen versetzte und mit dem Ertrag nach Frodshams Laden eilte, wo er mit Tränen in den Augen und der tiefsten Reue und Demut den armen Handwerksmann um Verzeihung bat.

Dies, meine jungen Herren, ist nicht als ein Beispiel von Pens Tugend erzählt, sondern eher seiner Schwäche. Er würde viel tugendhafter gewesen sein, wenn er überhaupt gar keine Kupferstiche gehabt hätte. Er schuldete noch die Summe für den Tand, den er versetzt hatte, um Frodshams Rechnung zu bezahlen, und seine Mutter mußte es sich selbst entsetzlich am Munde absparen, um die Juwelierrechnung zu bezahlen, sodaß sie es schließlich war, die unter den unverschämten Einfällen und Narrheiten des jungen Menschen zu leiden hatte. Wir wollen auch Pen nicht 361 als einen Helden oder ein Modell hinstellen, nur als einen jungen Menschen, der mitten unter tausend eitlen Dingen und Schwachheiten bis jetzt noch einige edelmütige Antriebe fühlt und noch nicht ganz ehrlos ist. Wir haben gesagt, daß Herr Buck, der Studiendirektor, heftig schalt, als ihm Pens Extravaganzen bekannt wurden. Nach der Art, wie er ins Kolleg trat, nach den Persönlichkeiten der Gefährten, mit denen er umging, und nach der Einführung durch Doktor Portman und den Major dachte Buck lange Zeit, daß sein Zögling ein Mensch von bedeutendem Vermögen sei, und er wunderte sich einigermaßen darüber, daß er einen so einfachen Namen trug. Einst, als Buck mit einer Adresse von »Sr. Majestät loyaler Universität Oxbridge« nach London zum Lever gegangen war, hatte er Major Pendennis in St. James gesehen, wie er sich mit zwei Rittern vom Hosenbandorden unterhielt und dann vor den Augen des geblendeten Direktors in der Karosse eines derselben nach dem Lever davonjagte. Augenblicklich nach seiner Rückkehr bat er Pen zu sich zum Weine, sah ihm sein Fehlen in der Kapelle und bei den Vorlesungen mehr denn je nach und fühlte sich vollkommen sicher, daß er ein junger Herr von großem Grundbesitze wäre.

So war er denn wie vom Donner gerührt, als er die Wahrheit erfuhr und ein trauriges Bekenntnis von Pen empfing. Seine Universitätsschulden waren groß; und da der Direktor nichts damit zu tun hatte, so machte ihn natürlich Pen mit seinen Londoner Schulden gar nicht erst bekannt. Welcher Mensch erzählt auch, wenn seine Freunde in ihn dringen, all seine 362 Verbindlichkeiten? Der Direktor erfuhr genug, um zu wissen, daß Pen arm wäre, daß er ein schönes, fast ein prächtiges Einkommen verschwendet und um sich herum eine solche schöne Saat von Schulden hatte aufschießen lassen, daß es für jeden ein recht schweres Stück Arbeit gewesen wäre, sie abzumähen, denn keine Pflanze wächst so entsetzlich schnell empor, wenn sie einmal Wurzel gefaßt hat. Vielleicht war es, weil Pens Mutter so zärtlich und gut war, daß Pen voll Angst war, sie würde von seinen Sünden erfahren. »O, ich kann sie ihr nicht mitteilen,« sagte er tödlich bekümmert zu dem Direktor. »O, Herr Direktor, ich bin ein Schurke gegen sie gewesen« – und er bereute es und wünschte, daß er diese Zeit noch einmal vor sich hätte, und fragte sich selbst, warum sein Onkel denn nur durchaus darauf bestanden hätte, daß er mit vornehmen Leuten umginge, und was ihn nun all seine großartigen Bekanntschaften genützt hätten?

Diese flohen ihn auch jetzt nicht, aber Pen glaubte es von ihnen und zog sich deshalb von ihnen während der letzten Monate seines Kollegiats zurück. Bei Gelagen, die er seinerseits vermied, und zu denen ihn seine jungen Freunde auch bald nicht mehr einluden, saß er düster wie ein Toter da. Jeder wußte, daß Pendennis »alle« wäre. Dieser Mensch, der Bloundell, der niemand bezahlen konnte und genötigt war, nach drei Semestern abzugehen, war sein Ruin, sagten die Studenten. Man konnte seine melancholische Gestalt in seiner zerknitterten alten Mütze und seinem zerrissenen Gewande um die einsamen Häuservierecke schleichen sehen, und er, der kaum ein einziges Jahr 363 vorher der Stolz der Universität gewesen war, der Mann, den alle die jungen Leutchen liebten, auf den sie blickten, war nun Gegenstand der Unterhaltung bei den Weingelagen der Füchse, und man sprach von ihm mit Verwunderung und Bedauern.

Endlich kamen die Examina für die akademischen Grade. Mancher junge Mann, der mit ihm nach Oxbridge gekommen war, und dessen nägelbeschlagene Schuhe Pen ausgelacht, dessen Gesicht oder Rock er als Karikatur abgezeichnet hatte, – mancher, den er im Auditorium höhnisch behandelt oder im Debattierverein mit seiner Beredsamkeit zermalmt hatte, – mancher aus seinem eigenen Bekanntenkreise, der nicht halb soviel Geist wie er, aber ein bißchen Regelmäßigkeit und Beständigkeit im Arbeiten hatte, erreichte einen hohen Platz unter den zu erlangenden Würden oder kam wenigstens mit ziemlichem Ruhme durch. Und wo in der Liste war Pen, der Stolze, Pen, der Witzige und Stutzer, Pen, der Dichter und Redner? Ach, wo war Pen, der Witwe Herzenssohn und einziger Stolz? Verhüllen wir unsre Häupter, und schließen wir die Seite. Die Listen kamen heraus und ein entsetzliches Gerücht flog durch die Universität: Pendennis von Bonifaz war – durchgefallen. 364



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